Proteste überschatten Ukrainebesuch des Moskauer Patriarchen

Mit Megafon gegen Kyrill I.

Buhrufe und feindselige Sprechchöre - der Moskauer Patriarch Kyrill I. musste auf seiner zehntägigen Ukrainereise einiges ertragen.

Autor/in:
Oliver Hinz
 (DR)

Mehrere Hundert Demonstranten störten am Montagabend den offiziellen Empfang des Oberhaupts der russisch-orthodoxen Kirche im westukrainischen Luzk vor der im Bau befindlichen Allerheiligen-Kathedrale. Sie riefen "Kyrill Okkupant" und "Weg mit dem Moskauer Patriarchen". Verstärkt durch Megafone forderten Anhänger des von Moskau abgespaltenen Kiewer Patriarchats ein Ende der russischen Oberhoheit über die ukrainische Orthodoxie.  

Angesichts der Proteste sprechen die ersten ukrainischen Beobachter bereits von einem Rückschlag für Kyrill I., dessen Besuch in der Ukraine am Mittwoch endet. Der Patriarch kam in die ehemalige Sowjetrepublik mit dem Ziel, die seit 1992 in drei Kirchen geteilte ukrainische Orthodoxie zu einen. Aber ein Zusammengehen des nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion entstandenen Kiewer Patriarchats und der bereits in den 1920er Jahren gegründeten «Autokephalen ukrainisch-orthodoxen Kirche» mit der ukrainisch-orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats ist nicht in Sicht. Kyrill I. lehnte ein Treffen mit den Führern der beiden anderen Kirchen, dem Kiewer Patriarchen Filaret und Metropolit Mefodij, ab.

Trotzdem bewerten einige Beobachter den Besuch als Erfolg, der den Rückhalt für Kyrill I. gestärkt habe. Ihr Argument: Verglichen mit den Tausenden Anhängern, die Kyrill I. überall in der Ukraine begrüßten, scheint die Zahl der Gegendemonstranten sehr gering. Wie auf der russisch geprägten Halbinsel Krim und im Osten des Landes mobilisierte das Kirchenoberhaupt auch im Westen auf seinen Stationen bis zu 10.000 Menschen, die auf ihn Loblieder anstimmten.

Dabei ist gerade die Westukraine eher kritisch gegenüber Moskau eingestellt. Während im russisch geprägten Osten die orthodoxe Kirche des Moskauer Patriarchats dominiert, ist im Westen rund um Lviv (Lemberg) die mit Rom verbundene griechisch-katholische Kirche die stärkste Gruppe. Auch die beiden von Moskau unabhängigen orthodoxen Patriarchate sind im Westen stark vertreten. Diese «Teilung» des Landes wirkte sich schon verschiedentlich auf Reisen von Kirchenführern aus.

Als Papst Johannes Paul II. 2001 die Ukraine besuchte, beschränkte er sich etwa ganz bewusst auf den Westen und die Hauptstadt Kiew.
Für Moskauer Patriarchen wiederum ist der westliche Teil des Landes kein gutes Pflaster. So musste Kyrill I. nun aus Sicherheitsbedenken seine Reisepläne für die westukrainische Stadt Riwne kurzfristig ändern, während sein Vorgänger Alexij II. die Region zuletzt ganz ausgeklammert hatte.

Nachdem sich bei seinem Besuch in der Westukraine 1990 Nationalisten vor seinen Konvoi geworfen hatten, mied Alexij II. knapp 18 Jahre das Land. Vor einem Jahr reiste er lediglich in die Hauptstadt Kiew.
Der Besuch Kyrill I. ist damit erst die zweite Reise eines Moskauer Patriarchen in die Ukraine seit der Unabhängigkeit des Landes von der Sowjetunion 1991.

Eine Schlüsselrolle kommt in der verfahrenen Situation dem Ehrenoberhaupt der Weltorthodoxie, Patriarch Bartholomaios I. von Konstantinopel, zu. Bislang erfolglos bemüht sich der ukrainische Staatspräsident Viktor Juschtschenko, dass dieser eine von Moskau unabhängige orthodoxe Nationalkirche gutheißt. Doch Kyrill I.
erklärte nach Gesprächen mit Bartholomaios I. in Istanbul, der Ökumenische Patriarch halte bezüglich der Ukraine zu Moskau.

Zahlreiche ukrainische Politiker werfen Juschtschenko vor, er wolle nur eine Staatskirche. Hintergrund sind die Präsidentschaftswahlen im Januar. Der derzeit in Umfragen führende Oppositionspolitiker Viktor Janukowitsch meinte am Montag, der Staatschef und die Regierung mischten sich auf inakzeptable Weise in Kirchenangelegenheiten ein. Janukowitsch hatte Kyrill I. als einziger Spitzenpolitiker am Flughafen empfangen und später einen vom Patriarchen zelebrierten Gottesdienst besucht. Juschtschenko steht hingegen dem Kiewer Patriarchen Filaret nahe.

Auch er ist eine Schlüsselfigur: Beobachter rechnen mit einer Wiedervereinigung der drei orthodoxen Kirchen erst, wenn der Kiewer Patriarch abtritt. Nach dem Schisma 1992 war er von der russisch-orthodoxen Kirche mit dem strengsten Kirchenbann belegt worden, nachdem er 1990 noch als einer von drei Kandidaten bei der Moskauer Patriarchenwahl nominiert war. So stimmt wohl die Prognose des Oberhaupts der mit Rom unierten griechisch-katholischen Kirche, Kardinal Lubomyr Husar: «Die Rückkehr zur Einheit aller Verzweigungen der Kiewer Kirche ist eine Perspektive für die ferne Zukunft.»