Protest gegen mehr Sonntagsöffnung in NRW

"Konsumkapitalismus auf dem Rücken der Beschäftigten"

Acht verkaufsoffene Sonntage statt vier? So will es die NRW-Regierung im sogenannten "Entfesselungspaket". Der Grünen-Politiker Felix Banaszak steht dabei auf der Seite der Kirchen. Für ihn ist das Paket eine Bankrott-Erklärung.

 (DR)

DOMRADIO.DE: Sie stehen in Sachen Sonntagsschutz an der Seite der Kirchen und Gewerkschaften. Warum?

Felix Banaszak (Vorsitzender der Grünen NRW): Wir haben unter Rot-Grün in einem langen Prozess mit viel Beteiligung eine Regelung geschaffen, die aus unserer Sicht ein guter Kompromiss war zwischen den Wünschen des Einzelhandels, den Beschäftigten im Einzelhandel und denen, die gern auch mal am Wochenende einkaufen wollen.

Also sind wir jetzt dagegen, wenn Schwarz-Gelb nun versucht, einseitig auf dem Rücken der Beschäftigten diesen Kompromiss aufzukündigen. Sie nennen das "Entfesselung". Ich glaube aber, das einzige, das hier entfesselt wird, ist der Konsumkapitalismus auf dem Rücken der Beschäftigten. Deswegen stehen wir klar an der Seite der Beschäftigten und der Kirchen, die heute vor dem Landtag demonstrieren.

DOMRADIO.DE: Die Geschäftsleute argumentieren, dass sie die verkaufsoffenen Sonntage brauchen, um sich gegen die wachsende Online-Konkurrenz behaupten zu können. Außerdem könnten so Arbeitsplätze gesichert werden. Was halten Sie von diesen Argumenten?

Banaszak: Diese Argumente halte ich für eine Bankrott-Erklärung gegenüber einer nötigen Regulierung des Online-Handels. Es geht ja nicht darum, den Herausforderungen so zu begegnen, dass dann zusätzlich weiter die Arbeitnehmerrechte der Menschen im Einzelhandel geschliffen werden. Sondern im Gegenteil wird ein Schuh daraus: Wir als Politik müssen durchsetzen, dass auch bei denen, die im Onlinehandel arbeiten – also zum Beispiel die, die bei Amazon im Online-Handel die Waren zusammenstellen – der Wochenend- und Sonntagsschutz durchgesetzt wird. Das wäre die richtige Antwort der Politik darauf.

Es geht ja nicht nur um die Sonntagsarbeitszeiten, sondern es geht auch darum, dass an Samstagen wieder bis 24 Uhr geöffnet werden soll. Das ist für uns die falsche Antwort auf ein Bedürfnis nach mehr Ruhe, Freizeit und Zeit für die Familie. Wir stellen uns dieser Erweiterung durch Ökonomisierung entgegen.

DOMRADIO.DE: Andere sagen, dass die Verdoppelung der verkaufsoffenen Sonntage Arbeitsplätze sichert. Denken Sie das nicht?

Banaszak: Das Argument kommt immer wieder. Ich glaube, es geht nicht primär um die Arbeitsplätze im Einzelhandel, sondern darum, dass natürlich die Händler in der Konkurrenz mit dem Onlinehandel Befürchtungen haben und ihre Gewinne und Umsätze steigern wollen. Das ist auch legitim. Aber wir haben da mit der bestehenden Regelung einen guten Kompromiss gefunden. Wir haben ja nicht grundsätzlich gesagt: "Auf keinen Fall am Sonntagen arbeiten, der Tag ist über alles heilig." Es ist ja unter bestimmten Umständen bis zu vier Mal im Jahr möglich. Ich glaube, das ist ein guter Kompromiss. Das, was jetzt passiert, ist eine einseitige Aufkündigung zu Lasten derer, die eh schon ein immer durchgetakteres Leben haben.

Wenn Herr Pinkwart (Prof. Andreas Pinkwart, NRW-Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie / FDP, Anm. d. Red.) nun sagt, dass es darum geht, dass Familien gemeinsam Zeit beim Einkaufen verbringen sollen – dann steht da für mich ein Menschenbild hinter, das den Menschen vor allem als Konsumkraft ansieht und weniger als jemanden, der vielleicht auch mal Zeit für Müßiggang, Familie, Ehrenamt und Hobby haben sollte und nicht nur für Konsum.

DOMRADIO.DE: Was erhoffen Sie sich von der Demonstration heute vor dem Düsseldorfer Landtag?

Banaszak: Ich erhoffe mir, dass die Landesregierung feststellt, dass es eine breite Bewegung ist, die sich dagegen stellt: Da ist diese Allianz aus Gewerkschaften, da sind die Kirchen und da sind auch Abgeordnete der Grünen und aus anderen Parteien. Das ist ein Signal an die Landesregierung, dass diese Form des Kapitalismus auf Gegenwehr trifft.

Ich finde es schön, dass wir hier eine breite Allianz und ein breites Bündnis haben, das auch für die Interessen der Arbeitnehmer im Einzelhandel und ihre Familien eintritt.

Das Interview führte Aurelia Rütters.


Felix Banaszak / © Bernd Thissen (dpa)
Felix Banaszak / © Bernd Thissen ( dpa )
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