Prominente: Sanktionen gegen Hartz-IV-Bezieher abschaffen

Ende der "Drangsalierung"

Prominente Künstler, Politiker, Wissenschaftler und Kirchenvertreter haben eine Abschaffung von Sanktionen gegen Hartz-IV-Empfänger gefordert. Es sei dringend notwendig, die Missstände in den Jobcentern offen zu legen, für deren Beseitigung zu sorgen und den gegenwärtigen Sanktionsparagrafen grundlegend zu überdenken, heißt es in dem am Donnerstag in Berlin vorgelegten Aufruf.

 (DR)

Nach dem Gesetz sind bei Meldeversäumnissen und Pflichtverletzungen Kürzungen des Regelsatzes bis zu 100 Prozent möglich.

Zu den Erstunterzeichnern des Aufrufs gehören unter anderen der Literaturnobelpreisträger Günter Grass, der ehemalige Bundesminister Heiner Geißler (CDU), der katholische Sozialethiker Friedhelm Hengsbach, der Kabarettist Dieter Hildebrandt und der Musiker Sebastian Krumbiegel. Weitere Unterzeichner sind der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske, P.E.N.-Präsident Johano Strasser, der Journalist Günter Wallraff, der Maler Johannes Heisig sowie die Direktoren der Diakonischen Werke Berlin und Hessen und Nassau. Zu den Erstunterzeichnern gehören zudem u.a. Vertreter der großen paritätischen Verbänden, Gewerkschaften, des BDKJ sowie von Erwerbslosen-Initiativen wie der Kölner KEAs e.V. (Kölner Erwerbslose in Aktion).

Gemeinsames Ziel sei es, «die Drangsalierung von erwerbslosen und in Not geratenen Bürgerinnen und Bürgern so schnell wie möglich» zu beenden. Auf der Grundlage eines Sanktionsstopps solle in einer breiten öffentlichen Debatte über die Problematik von Strafen, die ein Leben unter dem Existenzminimum zur Folge haben, diskutiert werden. Einer parlamentarischen Anfrage der Linken zufolge waren bundesweit allein im vergangenen Jahr rund 789.000 Hartz-IV-Empfänger von Sanktionen betroffen.

Besonders hart betroffen sind die unter 25-Jährigen, denen bei dem ersten Versäumnis bereits 100 Prozent der Leistungen gekürzt werden. Den Angaben zufolge wurden im vergangenen Jahr über rund 256.000 Menschen dieser Altersgruppe Sanktionen verhängt.

Linke, Grüne und Jusos vereint
Kürzungen in Höhe von 100 Prozent seien mit der Verfassung unvereinbar, sagte die Juso-Vorsitzende Franziska Drohsel.
Arbeitslosigkeit werde so zu einem individuellen Problem gemacht. Die stellvertretende Vorsitzende der Linken, Katja Kipping, betonte, es sei nicht mit dem Gedanken der Grundrechte vereinbar, wenn die Lebensgrundlage genommen werde. Dass insgesamt 65,3 Prozent der Klagen zumindest teilweise erfolgreich waren, zeige, dass es in der Praxis einen Sanktionsübereifer gebe.

Sanktionen müssten «geeignet, erforderlich und angemessen sein und einen legitimen Zweck verfolgen», sagte der sozialpolitische Sprecher der grünen Bundestagsfraktion, Markus Kurth. Maßnahmen gegen ALG-II-Bezieher seien meist unnötig und teilweise sogar kontraproduktiv. «Es gibt Indizien, dass Sanktionen nicht zuletzt deshalb von einzelnen Fallmanagern eingesetzt werden, um Gelder einzusparen, die sonst Menschen für die Hilfe zum Lebensunterhalt zur Verfügung ständen.»