Prof. Schockenhoff fordert Verbot von embryonalen Mischwesen

"Das Embryonen-Schutzgesetz hat eine Regelungslücke"

Der Deutsche Ethikrat fordert eine Ausweitung des Embryonenschutzgesetzes, damit die Experimente mit Tier-Mensch-Mischwesen Grenzen haben. Prof. Dr. Eberhard Schockenhoff ist Moraltheologe und Mitglied des Ethikrates. Im Interview erläutert er, warum seine Forderungen noch weiter gehen.

 (DR)

domradio.de: Was sind die wichtigsten Forderungen des Ethikrates in Bezug auf das Embryonenschutzgesetz, bei denen sich auch alle einig waren? --
Prof. Eberhard Schockenhoff: Das Embryonen-Schutzgesetz hat eine Regelungslücke, weil die Erzeugung von Schimären im eigentlichen Sinne, so nennt man diese Tier-Mischwesen, dort nicht geregelt ist. Und diese Regelungslücke sollte geschlossen werden, weil es in der internationalen Forschung heute schon viele Ansätze gibt, die gezielt Schimären herstellen wollen, um zum Beispiel Stammzellen zu gewinnen oder um bei der Erzeugung von Stammzellen nicht auf menschliche Eizellen angewiesen zu sein, um also Frauen als Spenderinnen zu umgehen und keine Rücksicht auf ihre Selbstbestimmung nehmen zu müssen. Da wollen wir gemeinsam - das sagt der ganze Ethikrat - eine Regelung, die dem einen Riegel vorschiebt, damit solche Schimären nicht in einen Uterus verpflanzt werden dürfen. Das wäre ja eine ganz abstruse, horrende Sache, dass man ein Mischwesen herstellt und zur Geburt bringt. Aber eine andere Gruppe fordert, dass das Verbot konsequent auch schon auf die Herstellung von embryonalen Mischwesen ausgelegt werden soll, denn eine Verletzung der Menschenwürde liegt schon in dem Augenblick vor, in dem ein solches Wesen hergestellt wird, das von seiner genetischen Struktur her im Grunde eindeutig als Mensch zu bezeichnen ist, weil 95% des Genmaterials menschlich sind, aber gleichzeitig eben sozusagen ein defekter Mensch wäre, aufgrund der tierischen Anteile, die diesem Wesen beigegeben wurden. Und da fordert eine große Gruppe im Ethikrat, dass auch das durch ein Verbot abgegolten wird.

domradio.de: Biologisch gesehen sind Menschen gar nicht so unterschiedlich zu Tieren. Wieso darf diese Grenze trotzdem nicht verwischt werden?--
Schockenhoff: Das ist richtig, was das Genmaterial als ein übergreifendes Alphabet des Lebendigen betrifft: So ähnlich wie die Buchstaben unserer Sprache zum Teil mit denen anderer Sprachen übereinstimmen, so ähneln auch manche unserer Gene denen von Tieren. Die Identität des Menschen ist dennoch eine Größe, die geschützt werden soll und geschützt werden muss. Und zwar deshalb, weil es einem Wesen, das der Art des Menschen angehört, ja auch möglich sein muss, sich eindeutig als Mensch zu erkennen und die Identität als Mensch eindeutig zu bestimmen. Und wenn einem menschlichen Wesen nun tierische Anteile beigemischt würden, dann wäre das sozusagen ganz bewusst eine Erschwernis der Identitätsfindung oder ein biologischer Defekt, der ihm absichtlich angebildet würde. Das wäre mit dem Respekt, den wir seiner Menschenwürde schulden, unvereinbar.

domradio.de: Zybriden sind tierische Zellen, in die menschliches Erbgut eingepflanzt wurde. Daraus werden dann embryonale Stammzellen gewonnen - und aus denen könnte man in Zukunft eventuell Ersatzgewebe züchten. Das wäre für Krankheiten wie Alzheimer sehr nützlich. Der Ethikrat ist zum Teil für diese Zybriden, Sie sind dagegen. Warum? --
Schockenhoff: Das ist die gleiche Frage bei der embryonalen Stammzellforschung: Dort werden Embryonen, in diesem Fall menschliche Embryonen, vernichtet, um Stammzellen zu gewinnen. Und diese fremdnützige Verwertung stellt eine Instrumentalisierung dar, die mit der Achtung vor der Menschenwürde, also vor ihrem Dasein um ihrer selbst willen, unvereinbar ist. Und deshalb fordern wir mit Blick auf die normale embryonale Stammzellforschung ein Verbot der Gewinnung auf diese Art und auch in Hinblick auf die hypothetische Möglichkeit, dass man dies auch mit Hybriden macht, also mit Mensch-Tier-Mischwesen, wobei da nicht mehr so eindeutig feststellbar ist, ob diese Embryonen der Art des Menschen zuzurechnen sind; aber gerade weil diese Grenze verwischt wird und weil wir dann ein Mischwesen haben, dass in seinem Kern genommen eindeutig menschlich ist, aber daneben andere tierische Anteile aufweist, was als eine Kontamination des menschlichen Genoms durch tierische Gene anzusehen ist, deshalb wollen wir diese Gene ebenfalls mit einem Verbot erfassen, wenn auch hier nicht eindeutig klar wäre, ob es sich nicht um menschliche Embryonen handelt, die dann ihrerseits einen Lebensanspruch hätten. Und um überhaupt nicht in diese Situation zu kommen, dass man sie dann instrumentalisiert und in ihrer Würde verletzt, muss man schon die Erzeugung durch ein klares Verbot unterbinden.

domradio.de: In anderen Ländern, zum Beispiel in Japan und den USA, sind die Embryonenschutzgesetze weniger streng als bei uns. Was bringt ein strengeres Gesetz in Deutschland, wenn die Forschung in anderen Ländern weiter vorangetrieben wird?--
Schockenhoff: Wir können in Deutschland natürlich nur die Bedingungen der deutschen Forschungslandschaft regulieren, wir können nicht von hier aus die ganze Welt sozusagen "glücklich" machen wollen. Deshalb ist klar: Wir sind in dem Bereich, in dem das Grundgesetz Geltung hat und unsere Rechtsordnung gültig ist, dazu aufgerufen, nach unseren Wertvorstellungen, die unserer Verfassung zugrunde liegen, eine verantwortliche Lösung zu finden. Dass die dann international nicht sofort von allen übernommen wird, ist klar. Aber dennoch gibt es auch so etwas wie eine Ausstrahlung höherer Schutznormen auf andere Länder, so hat Frankreich jetzt zum Beispiel vor einigen Monaten ein Bioethikgesetz beschlossen, in dem ausdrücklich die Dreierregelung des Embryonenschutzgesetzes übernommen wurde, d.h. das man bei der künstlichen Befruchtung jeweils nur drei Embryonen befruchten darf, damit keine überzähligen entstehen. Und da sagt man: Das hat sich im Nachbarland Deutschland bewährt, diesen bisher in Frankreich nicht vorgesehenen höheren Schutzstandard wollen wir übernehmen, wir wollen nicht den Weg gehen wie in Großbritannien, wo am Schluss eine Überfülle an überzähligen Embryonen darauf wartet, bis sie irgendwann aufgetaut und vernichtet werden, sondern wir wollen eine Regelung wie in Deutschland, die das Entstehen überzähliger Embryonen nach Möglichkeit verhindert.

Das Interview führte Christian Schlegel.



Hintergrund

Der Deutsche Ethikrat hat eine Erweiterung des Embryonenschutzgesetzes für die Forschung an Mischwesen zwischen Mensch und Tier gefordert. Die Übertragung tierischer Embryonen auf Menschen und die Einbringung von tierischem Material in den Erbgang des Menschen solle verboten werden.



Die wissenschaftlichen Möglichkeiten würfen die Frage nach der Grenzziehung zwischen Mensch und Tier immer neu auf, erklärte der Ethikrat am Dienstag in Berlin. Das Gremium spricht sich für eine klare Grenzziehung zwischen Mensch und Tier aus. Misch-Experimente an Menschenaffen sollen verboten werden, sie finden allerdings in Deutschland nicht statt.



Da die Forschung inzwischen teilweise die biologische Artgrenze infrage stellt, sah der Ethikrat Klärungsbedarf, wie der Leiter der Arbeitsgruppe im Ethikrat, der ehemalige Forschungsstaatssekretär Wolf-Michael Cartenhusen, bei der Vorstellung sagte. Der Rat wolle mit der Studie "frühzeitig ein Signal setzen", wo es "besonders gefährlich" werden könne. Als ethisches Kriterium nannte Cartenhusen die "Sonderstellung des Menschen in der Schöpfung", dem eine besondere Würde zukomme.



Mensch-Tier-Zybride

Die Studie befasst sich vor allem mit der Übertragung von menschlichem Genmaterial auf Tiere. Dabei kommen die Experten bei der Bewertung sogenannter Mensch-Tier-Zybride zu unterschiedlichen Ergebnissen. Bei Zybriden handelt es sich um Wesen, bei denen der Zellkern von Menschen in die entkernte Eizelle von Tieren übertragen wird.



Zwar spricht sich der Ethikrat geschlossen dafür aus, diese nicht in eine menschliche oder tierische Gebärmutter einzupflanzen, allerdings halten zwölf Mitglieder die Herstellung dieser Wesen für ethische zulässig. Elf Mitglieder, darunter der Augsburger Weihbischof Anton Losinger, die evangelischen Altbischöfe Wolfgang Huber und Christoph Kähler, sowie der Freiburger Theologe Eberhard Schockenhoff, sprachen sich für ein Verbot aus, da das Wesen alle Eigenschaften einer menschlichen befruchteten Eizelle aufweise.



Bereits seit vielen Jahren

Für ethisch statthaft hält das Gremium die Übertragung menschlicher Gene in den Erbgang von Säugetieren - abgesehen von Primaten. Dabei müsse aber das Forschungsziel mit Blick auf den zu erwartenden Nutzen hochrangig sein und dürfe nicht den Tierschutzbestimmungen widersprechen.



Derartiges geschieht bereits seit den 80er Jahren mit Mäusen, denen Wissenschaftler inzwischen ganze Chromosomen übertragen, um Krankheiten zu erforschen. Darüber hinaus werden unter anderem aus menschlichen Stammzellen gewonnene Nerven- Vorläuferzellen in das Gehirn von Versuchstieren, auch Primaten, übertragen, um Krankheiten wie Alzheimer-Demenz und Morbus Parkinson zu erforschen.



Das Gremium forderte schließlich ein Verbot der Schaffung von transgenen Mensch-Tierwesen mit Menschenaffen. Einer Einfügung menschlichen Erbmaterials in den Erbgang von Primaten stimmt das Gremium nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen zu. Das gilt auch für die Herstellung von Hirnchimären und die Einfügung hirnspezifischer menschlicher Zellen in das Gehirn von Primaten.



Tierschutzbund fordert Verbot

Der Deutsche Tierschutzbund hat seine Forderung nach einem generellen Tierversuchsverbot in der Mensch-Tier-Mischwesen-Forschung bekräftigt. Der Nutzen von Tierversuchen, bei denen menschliches Erbgut in tierische Keimzellen eingeschleust wird oder mit denen menschliche Organe in Tierkörpern gewonnen werden sollen, sei fraglich und ein Erfolg nicht absehbar, erklärte die Tierschutzorganisation am Dienstag in Bonn.



"Wir hoffen, dass die Stellungnahme des Ethikrats eine breite gesellschaftliche Debatte über diese grausamen und unethischen Experimente anstößt", erklärte Tierschutz-Vizepräsidentin Brigitte Rusche. Bereits die Zucht von Chimären führe zum Tod vieler Tiere. Ob Ergebnisse wie in Tierkörpern gezüchtete menschliche Organe auf Menschen irgendwann überhaupt übertragbar seien, sei ebenfalls zweifelhaft.



Der Tierschutzbund warb für eine verbesserte Erprobung von Transplantationen tierischer Organe auf den Menschen und für eine bessere Verfügbarkeit menschlicher Spenderorgane.