Pro Asyl zu den Misshandlungen der Flüchtlinge in Burbach

"Flüchtlinge dürfen nicht von Schlägertrupps bewacht werden"

In einer nordrhein-westfälischen Notunterkunft sind Flüchtlinge durch Wachleute misshandelt worden. Was tun, um solche Fälle künftig zu verhindern? Marei Pelzer, rechtspolitische Referentin bei der Organisation Pro Asyl, im domradio.de-Interview.

Notunterkunft für Flüchtlinge in Burbach (dpa)
Notunterkunft für Flüchtlinge in Burbach / ( dpa )

domradio.de: Kam denn die Nachricht über die Misshandlungen in dem nordrhein-westfälischen Flüchtlingsheim für Sie überraschend?

Pelzer: Das Ausmaß der Übergriffe, die ja folterähnliche Bilder produziert haben - es sind ja Fotos und Filme gefunden worden - das war schon besonders erschreckend. Dass hier Menschen so gequält worden sind über mehrere Wochen hinweg, das hat uns hier bei Pro Asyl sehr entsetzt. Auf der anderen Seite muss man aber sehen, dass hier strukturell, auch bei der Unterbringung von Flüchtlingen, einfach keine Sicherheitsmechanismen vorgesehen sind. Man delegiert die Unterbringung von Flüchtlingen an private Firmen und überlässt dann die Standardsicherung denen. Was European Homecare jetzt angekündigt hat, ist ja wirklich lächerlich wenig. Dass das nicht bisher schon stattgefunden hat, verwundert. Ein Zeugnis, dass die Menschen, die dort angestellt werden, nicht straffällig geworden sind, ist ja das mindeste. Wir fordern natürlich viel höhere Standards. Es darf nicht auf Sicherheitsdienste beschränkt sein, sondern wir brauchen auch soziale Ansprechpartner, Sozialarbeiter in den Unterkünften. Und da fehlt es hier bisher offensichtlich an allem.

domradio.de: Wie funktioniert denn bislang die Sicherheit in den Flüchtlingsheimen? Das ist ja offenbar Ländersache.

Pelzer: Die Aufnahme der Flüchtlinge ist Ländersache. Flüchtlinge kommen zunächst in Erstaufnahmeeinrichtungen und werden dann an die Kommunen verteilt. Dabei handeln die Länder sehr unterschiedlich. Manche Länder setzen viel mehr darauf, Flüchtlinge in normalen Wohnungen unterzubringen, dezentral. Das ist auch das, was Pro Asyl fordert. Wenn Menschen in Wohnungen leben und sich selbst versorgen können, dann ist das für die Betroffenen am besten, aber auch für die Gesellschaft, weil die Menschen sich am besten integrieren. Stattdessen auf Massenunterkünfte, Sammellager zu setzen, ist eine Fehlentwicklung, eine Fehlplanung. Wir fordern, dass die Kommunen ausreichend finanziert werden, um Flüchtlinge dezentral unterzubringen. Und dann braucht man auch keine Sicherheitsdienste mehr, weil Menschen, die normal in Wohnungen leben, nicht von Sicherheitspersonal bewacht werden.

domradio.de: Wenn ich Sie richtig verstehe, dann haben die Flüchtlinge, die zur Zeit in Deutschland sind, mehrheitlich zwar etwas zu essen und zu trinken und ein Dach über dem Kopf, aber letztlich kümmert man sich sonst nicht weitergehen um sie. Ist dieser Eindruck denn richtig?

Pelzer: Ja, zumal, wenn man solche privaten Dienstleister wie European Homecare dransetzt, die dann wirklich irgendwelche unqualifizierten Schlägertrupps anstellt, die dann die Flüchtlinge bewachen. Das kann nicht die Aufnahme von Flüchtlingen bedeuten, die ja aus dem Krieg zu uns kommen, die betreut werden müssen, die psychologische Unterstützung brauchen. Das kann es nicht sein. Also, hier muss eine umfassende Überprüfung der Qualitätsstandards stattfinden. Und wenn man Menschen möglichst bald aus den Lagern in privaten Wohnungen unterbringt, dann entstehen viele Probleme erst gar nicht. Das ist das, wozu wir die Länder und den Bund jetzt auffordern, dass hier ein Paradigmenwechsel stattfindet in der Unterbringung von Asylsuchenden in Deutschland.

domradio.de: Wie können Sie sich erklären, dass es da bislang gar kein geeignetes Konzept gibt, auch die Flüchtlinge sozial aufzufangen?

Pelzer: Da hat die Politik einfach die Entwicklung verschlafen. Das muss man ganz klar sagen. So langsam wacht man auf, aber man hat einfach nicht zur Kenntnis genommen, dass sich Fluchtgründe wieder vermehrt weltweit zeigen - wir können das jeden Tag in den Medien nachverfolgen - und deswegen auch vermehrt Menschen nach Deutschland fliehen. Die Kapazitäten, die man hier hätte schon frühzeitig aufbauen müssen, sich über sozialen Wohnungsbau Gedanken zu machen - wie kann man es bewältigen, dass jetzt vermehrt Menschen zu uns kommen, weil sie verfolgt werden in ihren Herkunftsländern, weil sie von Krieg bedroht sind - da hat man einfach zu spät angefangen, Vorkehrungen zu treffen. Das muss jetzt geändert werden. Wir müssen eine Wohnungspolitik betreiben, die Flüchtlinge möglichst schnell in unsere Gesellschaft integriert und ein menschenwürdiges Leben garantiert.

domradio.de: Ist es dann nicht fahrlässig, wenn nun immer wieder Forderungen  kommen, immer mehr Flüchtlinge nun akut aufzunehmen, ohne wirklich ein echtes Konzept zu haben?

Pelzer: Dass die Flüchtlinge aus Ländern wie Syrien, Irak fliehen müssen, das können sie sich ja nicht aussuchen. Von daher stellt sich nicht die Frage, nehmen wir jetzt auf oder nicht. Die Flüchtlinge kommen definitiv zu uns. Und da ist es besser, klug vorgeplant zu haben und hier vernünftige Konzepte umzusetzen. Dann muss man im Nachhinein auch keine negativen Folgen bewältigen.

Das Gespräch führte Christian Schlegel.


Quelle:
DR