Pro Asyl zu Asylzentren in Nordafrika

"Das ist eine Nebelkerze"

Die nicht ganz neue Idee, Asylzentren in Afrika einzurichten, wird wieder in der deutschen und europäischen Politik diskutiert. Karl Kopp von Pro Asyl hält nichts von diesen Asylzentren. Warum, erklärt er im domradio.de-Interview.

Asylsuchende Familie (dpa)
Asylsuchende Familie / ( dpa )

domradio.de: Was ist die Idee hinter diesen Asylzentren?

Karl Kopp (Europareferent bei Pro Asyl): Schon das Label zeigt, dass es ein merkwürdiger, ein zynischer Ansatz ist. Asylzentren in Afrika - das ist eine Idee, die seit 2004 immer wieder eingebracht wird. Man muss einfach sehen: Wenn man von Asylzentren redet, sagt niemand, was das eigentlich sein soll. In Nordafrika haben wir zerfallende Staaten, wie Libyen, in denen Schutzsuchende um ihr nacktes Überleben kämpfen und nicht nach Europa evakuiert werden. Es gibt keinen Ansatz, der sagt: Wir als Europa wollen diese Schutzsuchenden proaktiv aufnehmen. 

50 Prozent sind Flüchtlinge aus Syrien und Eritrea, die bei der Überfahrt übers Mittelmeer ihr Leben riskieren. Wir könnten proaktiv humanitäre Aufnahmeplätze in Europa gewährleisten, wir könnten Resettlement-Plätze (Neuansiedlung) gewährleisten, humanitäre Visa erteilen. Damit könnten wir die Nachbarstaaten entlasten und eine humanitäre, menschenwürdige Lösung finden.

Der Ansatz mit den Asylzentren ist eine Nebelkerze. Und es wird diskutiert zu seiner Zeit, in der Europa die Seenotrettung zurückgefahren hat. Da war auch Deutschland maßgeblich beteiligt. Man muss es in diesem Kontext sehen. Der erste Schritt muss aber sein, die europäische Seenotrettung zu installieren. Der zweite Schritt, großzügige Aufnahmeprogramme auf EU-Ebene zu realisieren.

domradio.de: Aus menschlicher Sicht ist ja jedes Asylgesuch verständlich - aber wie unterscheidet Europa eigentlich zwischen berechtigter und unberechtigten Asylanträgen?

Kopp: Momentan ist es so, dass der größte Teil der über 200 000 Bootsflüchtlinge in den letzten Jahren im engeren Sinn Flüchtlinge sind. Gibt es ein faires Asylverfahren in Europa, kommen die Menschen lebend an, dann gibt es einen Schutzstatus. Und das ist das Kernproblem. Was de Maizière (der Bundesinnenminister, Anm.d.Red.) und seine Kollegen zugeben, ist Folgendes: Es gibt keine legalen Wege nach Europa und deshalb müssen die Leute diese gefährlichen und teuren Wege gehen. Und die Schlepper werden immer reicher.

Dieser Befund ist richtig. Die Konsequenz daraus muss aber eine andere sein. Wir haben die Instrumentarien, um Schutzsuchenden zu helfen. Europa könnte mehrere Hunderttausend Menschen koordiniert aufnehmen. Das geschieht nicht. Und zeitgleich gibt es in Europa so etwas wie eine Schutzlotterie: Das heißt, dass in manchen Staaten keine Asyl- und Aufnahmesysteme existieren. Deshalb ist es noch absurder: Es wird ein Asyl außerhalb Europas diskutiert - dabei hat Europa noch nicht einmal ein eigenes Asylsystem geschaffen. Es gibt im fünften Jahr des syrischen Bürgerkriegs immer noch kein gemeinsames Aufnahmeprogramm für Flüchtlinge.  

domradio.de: Was heißt für Sie großzügig aufnehmen? Von welchen Zahlen sprechen wir da?

Kopp: Wenn der kleine Libanon über eine Million Flüchtlinge aufnimmt, kann ein Staatenverbund mit 28 Staaten ähnliches leisten. Es geht nicht um eine Zahl, sondern es geht darum, großzügig die Nachbarstaaten zu entlasten. Die Menschen sind registriert, es ist kein Problem, sie da herauszuholen. Es gibt 30 000 jesidische Flüchtlinge aus dem Irak, die vor dem IS geflohen sind. Die leben in der Türkei und haben keine Perspektive auf Schutz. Wann nimmt man diese Menschen auf? Das ist alles technisch und organisatorisch machbar. Die Asylzentren in Nordafrika sind eine zynische Nebelkerze. Man will sich mit einem Pilotprojekt aus der Verantwortung stehlen.

 

Das Interview führte Christian Schlegel.

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Weder domradio.de noch das Erzbistum Köln machen sich Äußerungen der Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen zu eigen.

 


Quelle:
DR