Privatsekretär des Papstes warnt vor Unterschätzung des Islam

"Islamisierungsversuche sind nicht wegzureden"

Der Privatsekretär von Papst Benedikt XVI. warnt vor einer naiven Unterschätzung des Islam. "Die Islamisierungsversuche im Westen sind nicht wegzureden", sagte der aus dem Schwarzwald stammende Georg Gänswein dem "Süddeutsche Zeitung Magazin". "Die damit verbundene Gefahr für die Identität Europas darf nicht aus falsch verstandener Rücksicht ignoriert werden."

 (DR)

Gänswein verteidigte zugleich die umstrittene Regensburger Rede des Papstes im September vergangenen Jahres. "Ich halte sie, so wie sie gehalten wurde, für prophetisch", sagte er. Benedikt XVI. habe nur einer "bestimmten Blauäugigkeit" entgegenwirken wollen, so der Privatsekretär. Mit der Zitierung eines mittelalterlichen byzantinischen Kaisers, nach dem man im Islam "nur Schlechtes und Inhumanes finden" kann, hatte der Papst massive weltweite Proteste von Muslimen ausgelöst.

Ökumene mit der Orthodoxie
Zur Zusammenarbeit der christlichen Kirchen sagte Gänswein, es sei keine Sensation, wenn der Papst auf eine volle und sichtbare Einheit mit den orthodoxen Kirchen hinarbeite; mit ihnen gebe es sehr viele Übereinstimmungen beim Verständnis von Eucharistie, Sakramenten und Amt. Da die Orthodoxie den Primat des Papstes nicht anerkenne, bleibe die Klärung von Streitfragen ein mühsames Ringen. "Der Papst kann das Papsttum nicht einfach umbauen, um bestimmte Ziele schneller zu erreichen", sagte er. "Ökumene kann nicht auf Kosten der Wahrheit betrieben werden."

Mit Blick auf die Rolle des Christentums in Europa äußerte sich Gänswein verhalten optimistisch. Das Religiöse genieße derzeit Aufmerksamkeit wie kaum in den Jahren zuvor. Nach einer Phase der Gleichgültigkeit setze man sich heute wieder mit Religion und Glaubensfragen auseinander. "Ich sehe, dass gerade viele junge Menschen, die eigentlich alles haben oder haben könnten, merken: Man kann eigentlich alles, man kann sogar die Welt zerstören - aber man kann die Seele nicht gewinnen, wenn das Wesentliche fehlt."

Das Pontifikat von Benedikt XVI. könne zur Glaubensermutigung und -stärkung beitragen, sagte der Geistliche. Der Papst wolle deutlich machen, dass der Glaube ein Geschenk Gottes sei, das nicht aufgezwungen werden, sondern freiwillig angenommen werden könne.