Prior Frère Alois zu Gast in Köln

Ein "Tag wie in Taizé"

domradio.de übertrug die Gesprächsrunde mit Frère Alois, Prior der Gemeinschaft der Brüder von Taizé, und die Lichterfeier mit Liedern und Gebeten aus Taizé aus St. Agnes in Köln. Beides finden Sie hier als Video!

 (DR)

Acht junge Mädchen und Jungen knien um ein Holzkreuz herum, das auf dem Boden liegt. Sie fassen das Kreuz mit den Händen an und legen ihre Stirn darauf. Dicht um sie herum sitzen 20, 30 andere Jugendliche - die halten Kerzen in der Hand und singen lateinische Lieder. Was in einer aufgeklärten Welt fremd wirkt, hat rund 2.000 Menschen am Sonntagabend in die Kölner St. Agnes Kirche gezogen: Eine "Nacht der Lichter" mit Frère Alois, dem Leiter der französischen Taize-Bruderschaft.



Die 1944 in Burgund gegründete Gemeinschaft gilt als ein Symbol der ökumenischen Bewegung. Bekannt ist sie für ihre internationalen Treffen für Jugendliche. "Ich bin vor Gott - und da kann ich sein, wie ich bin", spricht Bruder Alois mit ruhiger Stimme zu den überwiegend jungen Gottesdienstbesuchern, aber auch vielen Familien mit Kleinkindern und sogar Älteren. Die Bänke der zweitgrößten Kölner Kirche St. Agnes sind aus dem Raum herausgeräumt. Die Besucher sitzen auf dem mit Teppichen ausgelegten Boden oder auf kleinen Holzhöckerchen. Fast alle haben ihre Schuhe ausgezogen. An den Wänden hängen orangefarbene Tücher, die Säulen des Kirchengebäudes sind in der gleichen Farbe ausgeleuchtet.



"Kirche ist ein Ort, an dem Menschen sensibel werden für das Leid der anderen", betont Frère Alois. Seine Aussage wird konkret, als ein gehbehindertes Mädchen im Gottesdienst zu dem Holzkreuz gebracht wird. Sie möchte auch ihre Stirn darauf ablegen - als Zeichen dafür, dass sie ihre Sorgen loswerden möchte. Im Rollstuhl fährt sie bis auf zwei Meter an das Kreuz heran. Zwei Fremde helfen ihr aus dem Sitz und bei den nächsten mühsamen Schritten. Sie kann im Gebet vor dem Kreuz versinken - und wird nachher wie selbstverständlich zurück zu ihrem Rollstuhl geleitet. In seiner Predigt unterstreicht der seit 2005 als Prior der Gemeinschaft tätige Bruder Alois die Solidarität. Sinn des Lebens sei es, durch konkrete Taten für andere Menschen zu zeigen, dass man zusammengehöre.



Das Monotone ist gewollt

Die zunehmende Ungleichheit selbst innerhalb reicher Gesellschaften und die Ausbeutung der Natur verursachten die Konflikte der Zukunft, warnt der 57-Jährige aus Deutschland stammende Geistliche. Um dem vorzubeugen, solle der Einzelne deshalb seine persönliche Entfaltung in sozialen Beziehungen statt in der "Anhäufung materieller Güter" suchen. Wie das geht? Durch Verzicht, so Frere Alois. Eine Botschaft, die keinem in der Kirche unliebsam zu sein scheint. Die Stimmung ist freundlich-fröhlich. Jeder Gottesdienstbesucher hält eine kleine Kerze in der Hand, jeder gibt das Licht an den anderen weiter. Die Kirche erhellt sich von vorne nach hinten.



Eine Band stimmt die meist lateinischen Gesänge mit nur zwei oder drei Versen an. Diese werden dann ständig wiederholt. Das Monotone ist gewollt, die Gläubigen dürfen mit ihren Gedanken abschweifen. Sie scheinen die Zeit zu vergessen. Musik und Gesang werden schließlich leiser, bis plötzlich kein Ton mehr zu hören ist. Die Betenden am Holzkreuz heben ihre Köpfe, die Menschen verlassen still das Gotteshaus.  

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Was ist Taizé?

Taize zählt zu den Symbolen der ökumenischen Bewegung. Der kleine Ort im Südburgund ist Sitz einer ökumenischen Bruderschaft, die zum Treffpunkt für Jugendliche aus der ganzen Welt geworden ist. Ihr gehören rund 100 Brüder aus mehr als 25 Ländern an, die aus verschiedenen evangelischen und aus der katholischen Kirche stammen.



Seit im August 1974 Zehntausende zu einem "Konzil der Jugend" nach Taize kamen, veranstalten die Brüder regelmäßig Jugendtreffen in allen Teilen der Welt. Jährlich findet zudem über Silvester in einer europäischen Großstadt ein Taize-Treffen statt. Geleitet wird die Bruderschaft von dem deutschen Katholiken Frere Alois (Löser, 57). Er wurde 2005 Nachfolger des beim Abendgebet von einer vermutlich psychisch kranken Frau getöteten Gründers Frere Roger (Schutz, 1915-2005).



Der gebürtige Schweizer Schutz hatte Taize erstmals im August 1940 besucht. Der Protestant gründete dort 1944 eine geistliche Gemeinschaft, die sich eine Aussöhnung zwischen den Konfessionen, europäische Verständigung und einen einfachen Lebenswandel zum Ziel setzte. 1949 legten sieben Männer aus Kirchen der Reformation Ordensgelübde ab. Sie versprachen Armut, Ehelosigkeit und Gehorsam.



Die Gemeinschaft, die bald Freunde in unterschiedlichen Kirchen und zahlreichen Ländern Europas hatte, weihte 1962 eine moderne "Kirche der Versöhnung" ein, die seitdem der Mittelpunkt von Taize ist. Die Bruderschaft gründete Niederlassungen in mehreren Ländern und nahm 1969 erstmals katholische Brüder auf. Schwerpunkt der Arbeit ist neben der Ökumene die Solidarität mit den Armen und Rechtlosen in der Welt.