Pressestatement von Kardinal Marx

"Ich klebe nicht an meinem Amt"

Der Münchner Kardinal Reinhard Marx will zumindest vorerst im Amt bleiben. "Ich klebe nicht an meinem Amt", betonte er in München. Unterdessen lässt der Offizial des Erzbistums seine Ämter und Aufgaben ruhen.

 © Dieter Mayr (KNA)
© Dieter Mayr ( KNA )

"Das Angebot des Amtsverzichts im letzten Jahr war sehr ernst gemeint. Papst Franziskus hat anders entschieden und mich aufgefordert, meinen Dienst verantwortlich weiterzuführen", sagte Marx am Donnerstag vor Journalisten in München.

Als Erzbischof trage er Verantwortung für das Handeln des Erzbistums, auch für das Versagen beim Umgang mit Missbrauch, ergänzte der Kardinal am Donnerstag in der Katholischen Akademie in München in seiner Reaktion auf das Missbrauchsgutachten der Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW): "Ich bin bereit, auch weiterhin, meinen Dienst zu tun, wenn das hilfreich ist für die weiteren Schritte, die für eine verlässlichere Aufarbeitung, eine noch stärkere Zuwendung zu den Betroffenen und für eine Reform der Kirche zu gehen sind."

Sich selbst kritisch hinterfragen

Falls er oder andere allerdings den Eindruck gewinnen sollten, er wäre "dabei eher Hindernis als Hilfe", werde er das Gespräch mit den entsprechenden Beratungsgremien suchen und sich kritisch hinterfragen lassen, kündigte der Erzbischof an.

Reinhard Kardinal Marx

"Das ist unverzeihlich. Es gab bei uns kein wirkliches Interesse an ihrem Leiden"

Marx betonte mehrfach, er habe auch selbst Fehler gemacht. Die größte Schuld sei gewesen, die Betroffenen übersehen zu haben. "Das ist unverzeihlich. Es gab bei uns kein wirkliches Interesse an ihrem Leiden. Das hat nach meiner Auffassung auch systemische Gründe, und zugleich trage ich dafür als amtierender Erzbischof moralische Verantwortung."

 © Sven Hoppe (dpa)
© Sven Hoppe ( dpa )

Zugleich wies der Kardinal Vorwürfe zurück, er habe das Thema zu sehr delegiert: "Der Umgang mit Missbrauch in der Kirche war und ist für mich Chefsache und steht nicht im Gegensatz zum Verkündigungsauftrag. Ich war und bin nicht gleichgültig. Hätte ich noch mehr und engagierter handeln können? Sicher ja!"

Marx bat erneut "persönlich und auch im Namen des Erzbistums" die Betroffenen um Entschuldigung. Eine weitere solche Bitte richtete er an die Gläubigen, "die an der Kirche zweifeln, die den Verantwortlichen nicht mehr vertrauen können und in ihrem Glauben Schaden genommen haben. Auch die Pfarrgemeinden, in denen Täter eingesetzt wurden, haben wir zu lange nicht ausreichend im Blick gehabt und sie einbezogen."

Offizial lässt Ämter ruhen

Der Münchner oberste Kirchenrichter Lorenz Wolf (66) teilte unterdessen mit, er lasse alle seine Ämter und Aufgaben ruhen. Marx sagte dazu: "Damit bin ich einverstanden. Er will zu gegebener Zeit Stellung nehmen."

Wolf zählt zu den einflussreichsten Kirchenmännern in Bayern. Er ist neben seinen Funktionen im Erzbistum München und Freising als Leiter des Katholischen Büros die Schnittstelle der Kirche zur Politik in Bayern. Außerdem sitzt er seit 2014 dem Rundfunkrat des Bayerischen Rundfunks (BR) vor. Aus diesem Gremium waren in den vergangenen Tagen Rücktrittsforderungen laut geworden. Als Offizial ist der Kirchenrechtler seit 1997 für die kirchliche Gerichtsbarkeit im Erzbistum verantwortlich. Oft war er als zweite Instanz im Auftrag der römischen Kurie mit Missbrauchsfällen befasst.

Im Gutachten der Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) heißt es über Wolf, sein Handeln in zwölf von 104 Fällen gebe "Anlass zu Kritik".

Der Offizial verzichtete auf Stellungnahmen zu den einzelnen Fällen, engagierte aber Rechtsbeistände, die die Legitimität der Untersuchung bezweifeln. Die Hauptkritik der Gutachter lautet, Wolf habe im Umgang mit Missbrauchsfällen die Interessen der Beschuldigten vor die der mutmaßlichen Opfer gestellt.

Katholische Akademie in München beschmiert

Vor dem Marx-Statement hatten Unbekannte das Gebäude der Katholischen Akademie in Bayern mit dem Schriftzug "Kinderficker" beschmiert. Dies teilte die Akademie am Donnerstagmorgen auf ihrer Internetseite mit.

 © Robert Kiderle (KNA)
© Robert Kiderle ( KNA )

Die Akademie schreibt zu dem Vorfall: "Der konkrete Hintergrund ist uns unbekannt: Handelt es sich um eher allgemeine Kirchenkritik, oder steht eigene Missbrauchserfahrung dahinter? Wir wissen es nicht. Wir laden den oder die Verfasser:in aber ein, mit uns über sein bzw. ihr Motiv ins Gespräch zu kommen." In der Katholischen Akademie in Bayern selbst sei bislang kein Fall sexuellen Missbrauchs bekannt geworden.

Katholische Akademie in Bayern

"Der Schandfleck des Missbrauchs hängt an der gesamten Institution Kirche"

Sollte es entsprechende Fälle aber gegeben haben, sei man dankbar für Hinweise und unterstütze jede Form der Aufklärung.

"Der Schandfleck des Missbrauchs hängt an der gesamten Institution Kirche", so die Akademie. "Wenn auch viele engagierte Kirchenmitglieder keine persönliche Schuld trifft, werden wir doch die Verantwortung für einen angemessenen Umgang mit dem Thema gemeinsam tragen müssen. So nehmen wir diesen Schriftzug als weiteren Anlass zur Reflexion."

Denn darin drücke sich auch der "dramatische Ansehensverlust der Kirche" aus, der seine Ursachen nicht im bösen Willen ihrer Kritiker habe, sondern in Verbrechen und Vertuschung in der Kirche. "Statt den Vandalismus zu beklagen oder hektisch zu übertünchen, setzen wir uns mit dem Thema Missbrauch auseinander."

Missbrauchsgutachten: Schwere Vorwürfe gegen Benedikt XVI. und Kardinal Marx

Das lange erwartete Missbrauchsgutachten für das Erzbistum München-Freising belastet amtierende und frühere Amtsträger schwer, darunter auch den emeritierten Papst Benedikt XVI.

Joseph Ratzinger habe sich in seiner Amtszeit als Münchner Erzbischof (1977-1982) in vier Fällen fehlerhaft verhalten, heißt es in der am Donnerstag in München vorgestellten Untersuchung der Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW). Erzbischof Kardinal Reinhard Marx, werfen die Anwälte unter anderem vor, sich nicht ausreichend um Fälle sexuellen Missbrauchs gekümmert zu haben.

Münchner Missbrauchsgutachten / © Sven Hoppe/DPA-Pool (KNA)
Münchner Missbrauchsgutachten / © Sven Hoppe/DPA-Pool ( KNA )
Quelle:
KNA
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