Predigt von Domkapitular Gerd Bachner hier als Video

15. Sonntag im Jahreskreis

domradio übertrug am 15. Sonntag im Jahreskreis das Kapitelsamt aus dem Hohen Dom zu Köln. Zelebrant war der Domkapitular Gerd Bachner. In seiner Predigt appellierte Bachner an die Nächstenliebe und Zivilcourage der Menschen und forderte die Gläubigen auf, im Alltag hinzuschauen, einzugreifen und zu helfen. Nächstenliebe sei konkret so schwer umzusetzen. Im Heiligen Evangelium (Lukas 10,25 - 37) stellt ein Gesetzeslehrer Jesus auf die Probe.

 (DR)

Was will Gott von uns? Manche Leute grübeln viel darüber nach, ohne eine Lösung zu finden. Die Schrifttexte von heute machen Mut, es uns nicht zu kompliziert vorzustellen. Liebe Gott aus ganzem Herzen und deinen Nächsten wie dich selbst, sagen Altes und Neues Testament. Und wer unser Nächster ist, wissen wir eigentlich längst, wenn wir auf unser Herz hören. Sicher gibt es einzelne Situationen, in denen die Entscheidung schwer fällt. Aber vielfach ist es ganz klar, was Not tut. Nur - ist das nicht eine völlige Überforderung? Müssen wir Herkules spielen? Müssen wir moralische Helden sein? Die erste Lesung ermutigt auch hier: Das Wort ist ganz nah, es ist in deinem Mund und in deinem Herzen; du kannst es halten.

Erste Lesung
Die Weisung Gottes ist gut. Sie ist keine Sammlung willkürlicher Vorschriften, mit denen Gott uns das Leben schwer machen will, sondern zielt auf ein gelingendes Zusammenleben der Menschen. In ihrer Einfachheit geht sie nicht über die Kraft des Menschen, wenn dieser mit ganzem Herzen Gott liebt. Dann wird er auch seinen Nächsten lieben und das Gesetz ganz von selbst einhalten. „Es ist in deinem Mund und in deinem Herzen." Problematisch wird das Gesetz erst, wenn wir es gegen seinen Sinn weit weg rücken und in zusammenhanglose Einzelvorschriften aufspalten, wenn wir den Wortlaut einzelner Weisungen missbrauchen, um uns vor der Erfüllung des eigentlichen Sinnes zu drücken. Das ist allerdings auch immer wieder passiert - bei Juden wie bei Christen.

Zweite Lesung
Die Gemeinde in Kolossä ist zum Glauben an Christus gekommen. Aber zugleich kursieren immer noch oder schon wieder Vorstellungen, geheimnisvolle Kräfte der Sterne oder des sonstigen Kosmos würden das Schicksal beeinflussen. Daher wendet man in erheblichem Ausmaß Kraft und Gedanken auf, um ihre Gesetzmäßigkeiten zu erkunden und sich ihnen gegenüber richtig zu verhalten. Die Menschen nehmen sich so selbst die Freiheit und den unbefangenen Umgang mit der Natur. Im Rückgriff auf alttestamentliche Aussagen über die Weisheit Gottes (vgl. Spr. 8, 22-31) schildert ein Paulusschüler Jesus als den Anfang der Schöpfung, der über allem Geschaffenen steht. Das ist geschickt. Der Briefschreiber verbietet nicht einfach die abergläubischen Vorstellungen, sondern setzt Christus über alle dort verehrten oder gefürchteten Kräfte. Wer also zu seinem Leib, der Kirche, gehört und damit ihn als Haupt hat, braucht andere Mächte nicht zu fürchten.

Evangelium
Die Frage des Gesetzeslehrers ist erstaunlich: Er, der Spezialist, dessen Fachgebiet es ist, die Leute darüber zu belehren, was sie tun müssen, um das ewige Leben zu erlangen, fragt Jesus eben danach. Irgendetwas Falsches wird sich in der Antwort schon finden. Aber Jesus fragt zurück: Gesetzeslehrer, was steht im Gesetz? Jesus nötigt ihn, aus eigener Kompetenz zu antworten. Der Lehrer ist durchaus kein klein karierter Mensch. Er antwortet mit der biblischen Zusammenfassung: Gott und den Nächsten lieben. Und Jesus fordert ihn schlicht auf, zu tun, was er selbst lehrt. Jesus setzt sich also nicht in Gegensatz zum biblischen Gesetz. Die Frage, wer denn sein Nächster sei, zeigt, dass der Lehrer den Kreis der infrage kommenden Personen gerne begrenzen möchte. Jesus antwortet mit einer Geschichte, die den Blickwinkel umdreht. So zeigt er, dass jeder zu meinem Nächsten werden kann - jeder, der mich braucht. Die entscheidende Frage: Werde ich meine Verpflichtung als sein Nächster annehmen?

Quelle: Magnificat - das Stundenbuch, Verlag Butzon & Bercker Kevelaer