Predigt Kardinal Meisner am Ostersonntag

"Unser Osterglaube ist zu schwach"

Der Kölner Kardinal Joachim Meisner hat in seiner Osterpredigt die Bedeutung des Glaubens an die Auferstehung Christi herausgestellt. "In uns allen ist der Osterglaube immer noch zu schwach", sagte er am Sonntagmorgen im Kölner Dom. Hören Sie hier seine Predigt in voller Länge nach.

 (DR)

Ostern bedeute, dass Christus den Tod besiegt und die Tür zum ewigen Leben geöffnet habe. Nun brauche die Welt "österliche Menschen, die einmal eine andere Meinung haben als die Mehrheit, die nicht alles mitmachen, was die anderen tun, sagen und denken".

Zwar leugneten nur wenige Menschen offen das Weiterleben nach dem Tod, sagte der Erzbischof. "Aber in der Praxis leben sie in Massen so, als ob von drüben nichts zu erhoffen oder zu befürchten ist." Viele stünden in der Gefahr, den Aufgaben des irdischen Lebens mehr Beachtung zu schenken als "den Aufgaben, die vom leeren Grab gestellt werden", beklagte Meisner. "Das müssten die Menschen heute doch erkennen, dass dieses Leben für sich allein eine Herz bedrückende Trostlosigkeit ist."

Die frohe Botschaft des Osterfestes lasse das Leben in ganz anderem Licht erscheinen, "als uns die Scheinwerfer dieser Welt beibringen wollen", so der Kardinal. Er hatte auch am Samstagabend im Gottesdienst zur Osternacht über den Auferstehungsglauben gepredigt. "Ostern zeigt uns unsere Berufung", sagte er. "Jesus lebt, mit ihm auch ich." Die Freude darüber sei zum Grundbegriff des Christentums geworden.

Wortgottesdienst

Was kennzeichnet die christliche Existenz? Weder ethischer Rigorismus oder Perfektionismus noch Leistungsdenken, auch nicht - oder schon gar nicht - in der Nächstenliebe. Das Streben nach ethischer Vollkommenheit lässt manches Mal den Grund vergessen, aus dem all unsere Bemühungen ihre Nahrung erhalten. Die Schriftlesungen des Ostersonntags rufen ins Bewusstsein, dass christliche Existenz zuallererst österliche Existenz ist, auf den Tod und die Auferweckung Jesu gegründete und davon durchwirkte Existenz. Der Osterglaube entzündet sich an der Begegnung mit dem Auferstandenen und mit seinen Zeuginnen und Zeugen, die in der Begegnung erfahren haben: Tod und Hoffnungslosigkeit haben nicht das letzte Wort.


Erste Lesung  
So öffnet sich die Jesusgemeinschaft der Welt: Bei der Taufe des in römischen Diensten stehenden Hauptmanns Kornelius legt Petrus in aller Klarheit das Bekenntnis seines Glaubens ab. Als Begleiter Jesu fasst er das Leben Jesu zusammen, als ein von Jesus Berührter deutet er das Leben Jesu und verbindet die Deutung mit seiner und Jesu religiöser Tradition: dem Zeugnis der Propheten. Die Zuhörenden damals und heute, von woher sie auch kommen, sind eingeladen, sich von diesem Zeugnis berühren zu lassen, denn Glauben lernt man nur von Person zu Person.

Zweite Lesung
Christliche Existenz gründet im Tod und in der Auferweckung Christi. Tod und Auferweckung sind die Pole des Christusereignisses, das neue Maßstäbe setzt und auch unsere Ausrichtung an diesen neuen Maßstäben verlangt. Die Mahnung, den Sinn auf das Himmlische und nicht auf das Irdische zu richten, darf jedoch nicht als Auf-forderung zur Geringschätzung oder zum "Überspringen" der Welt missverstanden werden. Für den Verfasser des Kolosserbriefes ist der Ort des Glaubens nach wie vor die Welt, und die Christen sind nicht im Besitz der Vollendung, sondern nach wie vor mit allen anderen Menschen auf dem Weg. "Richtet euren Sinn auf das Himmli-sche" heißt dann: Richtet euren Blick auf Christus, der zur Rechten Gottes sitzt, seht auf Jesu Leben, Sterben und Auferweckung und gestaltet von dorther eure irdische Existenz.

Oder:

Paulus greift auf das Pessachfest, seine Riten und Gebräuche, und auf die Alltagserfahrung der Menschen seiner Zeit zurück, um das Ostergeschehen und die österliche Existenz zu deuten. Wenn Christus das geopferte Pessachlamm ist, so ist der österliche Mensch das Brot aus frischem, ungesäuertem Teig. Den alten Sauerteig, die Wirkkraft der Ungerechtigkeit, der eigenen und der fremden Verletzungen, Missachtungen und Gleichgültigkeiten, die der Existenz des alten Menschen zusetzen und sie zersetzen, dürfen wir zurücklassen beim Aufbruch in die neue österliche Existenz. Im Leben des österlichen Menschen sind nun stattdessen die Kräfte der Aufrichtigkeit und Wahrheit am Werk.

Evangelium
Blind sein heißt, im eigenen Verstehenshorizont gefangen zu sein. Maria von Magdala sieht am frühen Morgen den weggewälzten Stein vor dem Grab Jesu und sucht nach dem, was ihr logisch erscheint: nach einem Toten, ihrem geliebten Herrn, und nach dem Ort, an den man ihn vermutlich gelegt hat, wenn das Grab doch leer ist. Weder Simon Petrus und Johannes, die sie herbeigeholt hat und die in das geöffnete Grab gehen, noch ihr eigener Blick in das geöffnete Grab hinein noch die Frage der beiden Engel, die dort sitzen, führen sie weiter. Erst als sie sich umwendet, öffnet sie sich für die Begegnung, die alles verändert. Er steht vor ihr, ruft sie beim Namen, und sie erkennt: Er lebt! Aber sie darf ihn und ihre Geschichte mit ihm nicht festhalten, sie darf nicht zu dem, was ihr logisch erscheint, zurückkehren. "Er lebt", soll Maria Mag-dalenas Botschaft sein, die auch die anderen verändert.

(Quelle: Messbuch 2008, Butzon & Bercker Verlag)