Predigt in der Heilig-Geist-Kathedrale in Istanbul

Papst predigt für die Einheit

Liebe Brüder und Schwestern, am Ende meiner Pastoralreise in die Türkei bin ich glücklich, mit der katholischen Gemeinde Istanbuls zusammenzutreffen und mit ihr Eucharistie zu feiern, um dem Herrn für alle seine Gaben zu danken. Ich will an erster Stelle den Patriarchen von Konstantinopel grüßen, seine Heiligkeit Bartholomaios I., außerdem den armenischen Patriarchen, Seine Heiligkeit Mesrob II.- verehrte Brüder, die mit uns diese Feier begehen wollen. Ich drücke ihnen für diese brüderliche Geste, die die ganze katholische Gemeinschaft ehrt, meinen tiefen Dank aus.

 (DR)


Liebe Brüder und Söhne der katholischen Kirche, Bischöfe, Priester und Diakone, Ordensmänner und - frauen, gläubige Laien aus den verschiedenen Gemeinschaften dieser Stadt und aus verschiedenen Riten der Kirche - ich grüße Sie alle mit Freude und wiederhole die Worte des Heiligen Paulus an die Galater: „Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus1" (Gal 1,3). Ich will den hier anwesenden zivilen Autoritäten für ihren herzlichen Empfang danken, besonders all den Menschen, die es ermöglicht haben, dass diese Reise sich realisieren lies. Ich will endlich die Repräsentanten der anderen kirchlichen Gemeinschaften und der anderen Religionen grüßen, die unter uns sein wollten. Wie könnte ich nicht an die verschiedenen Ereignisse denken, die gerade hier unsere gemeinsame Geschichte geschmiedet haben? Gleichzeitig fühle ich mich verpflichtet, auf besondere Weise an die zahlreichen Zeugen des Evangeliums Christi zu erinnern, die uns dazu drängen, zusammen für die Einheit alle seiner Schüler zu arbeiten, in Wahrheit und Liebe!

In dieser Kathedrale des Heiligen Geistes will ich Gott für alles danken, was er in der Geschichte der Menschheit vollbracht hat und die Gaben des Geistes der Heiligkeit auf uns herab rufen. Der Heilige Paulus erinnert uns: Der Geist ist ständige Quelle unseres Glaubens und unserer Einheit. Er bewirkt in uns die wahre Erkenntnis Jesu und legt uns die Worte des Glaubens auf die Lippen, damit wir den Herrn erkennen. Jesus hatte schon zu Petrus nach dem Glaubensbekenntnis von Cäsarea gesat: „Selig bist du, Simon Barjona; denn nicht Fleisch und Blut haben dir das offenbart, sondern mein Vater im Himmel" (Mt 16,17). Ja, wir sind selig, wenn der Heilige Geist uns die Freude des Glaubens eröffnet und uns eintreten lässt in die große Familie der Gläubigen, seine Kirche, zahlreich in der Vielfalt der Gaben, Aufgaben und Aktivitäten. Zur gleichen Zeit ist sie schon eins, „denn es ist stets der selbe Geist, der in allem wirkt". Paulus fügt hinzu: „Jeder empfängt die Gabe den Geist zum Wohle aller kundzutun". Den Geist kundtun, gemäß dem Geist leben, das heißt nicht mehr für sich alleine leben, das heißt, Stück für Stück selbst zu Jesus Christus werden, ihm nachzufolgen und wie er Diener der eigenen Brüder zu werden. Das ist ein sehr konkretes Beispiel für jeden von uns, Bischöfe, vom Herrn gerufen, sein Volk zu leiten, indem wir Diener in seiner Nachfolge werden; das gilt auch für alle Diener des Herrn und in gleicher Weise für alle Gläubigen: Als wir das Sakrament der Taufe empfangen haben, sind wir hinein genommen worden in den Tod und die Auferstehung des Herrn, „wir sind getränkt worden mit dem einen Geist" und das Leben Christi ist zu unserem geworden, damit wir wie er leben, damit wir unsere Brüder lieben, wie er uns geliebt hat (vgl. Joh 13,34).

Vor 27 Jahren, in dieser Kathedrale, brachte mein Vorgänger Johannes Paul II. den Wunsch zum Ausdruck, dass das heraufziehende neue Jahrtausend „auf einer Kirche aufbaut, die ihre volle Einheit wieder gefunden hat, um besser Zeugnis zu geben, um die schrecklichen Spannungen dieser Welt zu überwinden mit der alles übersteigenden Liebe, die Gott in seinem Sohn sichtbar macht" (Predigt in der Kathedrale von Istanbul, N. 5). Dieser Wunsch ist noch nicht wahr geworden, aber das Verlangen des Papstes ist noch immer das gleiche, und es drängt uns, alle uns Jünger Christi, die wir mit unserer Trägheit und unserer Armut auf dem Weg gehen, der uns zur Einheit führen will; dieses Verlangen drängt uns, ohne zu zögern - „das Wohl aller im Blick" - zu handeln, die ökumenische Perspektive an die erste Stelle unseres kirchlichen Sorgens zu stellen. Leben wir also wirklich gemäß dem Geist Jesu, im Dienst des Wohles aller.

Wir sind an diesem Morgen in diesem Haus im Gebet dem Herrn geweiht versammelt, wie könnte man nicht das andere schöne Bild vor Augen führen, das der Heilige Paulus gebraucht, um von der Kirche zu sprechen, das von dem Bauwerk, in dem alle Steine gleich sind, einer eng am anderen, um zu einem einzigen Bau zu werden, in dem der Eckstein, auf den sich alles stützt, Christus ist. Er ist die Quelle neuen Lebens, das uns durch den Vater geschenkt ist, im Heiligen Geist. Das Johannesevangelium hat uns das soeben gesagt: „Ströme lebendigen Wassers werden aus seinem Innern fließen". Diese sprudelnde Wasser, dieses Wasser, das Jesus der Samariterin versprochen hat, sehen die Propheten Zacharias und Ezechiel aus der Seite des Tempels hervorströmen, um die Wasser des Toten Meeres wieder zu beleben. Ein wunderbares Bild der Verheißung des Lebens, das Gott immer seinem Volk bereit hielt, und das zu vollenden Jesus gekommen ist. In einer Welt, in der die Menschen sich so schwer tun, die Güter der Erde miteinander zu teilen, wo man sich aus gutem Grund anfängt, sich Sorgen um das Versiegen des Wassers zu machen - dieses so kostbare Gut für das Leben des Leibes. In diesen Zeiten entdeckt die Kirche, dass sie ein noch viel größeres Gut besitzt: den Leib Christ. Sie hat die Aufgabe übertragen bekommen, sein Evangelium bis an die Enden der Erde zu verkünden (vgl. Mt 28,19), sozusagen Männern und Frauen dieser Zeit eine Gute Nachricht zu bringen, die das Leben nicht nur erhellt sondern vollkommen verändert, sogar den Tod hinter sich lässt und ihn besiegt. Diese Gute Nachricht ist nicht nur ein Wort, sie ist eine Person, ist Christus selbst, der Auferstandene, der Lebendige! Durch die Gnade der Sakramente, ist das Wasser, das aus seiner am Kreuz geöffneten Seite floss, zur sprudelnden Quelle geworden, „Ströme lebendigen Wassers", ein Geschenk, das niemand stillen kann und das neues Leben schenkt. Wie könnten die Christen das, was sie empfangen haben, alleine für sich behalten? Wie könnten sie diesen Schatz einbehalten und diese Quelle verbergen? Die Mission der Kirche besteht nicht darin, Macht zu verteidigen, auch nicht darin, Reichtümer zu besitzen. Ihre Mission ist es, Christus zu schenken, am Leben Christi teilhaben zu lassen, dem höchsten Gut des Menschen, das Gott selbst uns in seinem Sohn geschenkt hat.

Brüder und Schwestern, eure Gemeinschaften kennen den demütigen Weg, jeden Tag gemeinsam mit denen zu leben, die unseren Glauben nicht teilen, aber "sich zum Glauben Abrahams bekennen und mit uns den einen Gott anbeten, den barmherzigen" (Lumen Gentium, 16), Ihr wisst gut, dass die Kirche niemandem etwas aufzwingen will, dass sie schlicht frei sein will, zu offenbaren, was sie nicht verbergen kann: dass Jesus Christus uns geliebt hat bis zum Tod am Kreuz, und dass er uns seinen Geist geschenkt hat, lebendige Gegenwart Gottes mitten unter uns und in unserem tiefsten Innern. Seid stets bereit, den Geist Christi zu empfangen, und werdet so aufmerksam für die, die dürsten nach Gerechtigkeit, Frieden, Würde und Respekt für sie selbst und ihre Brüder. Lebt unter euch nach dem Wort des Herrn:" Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger sied: wenn ihr einander liebt" (Joh 13,35).
Brüder und Schwestern, vertrauen wir jetzt unser Verlangen dem Herrn zu Dienen, der Jungfrau Maria an, der Gottesmutter und Magd des Herrn. Sie hat im Abendmahlssaal gemeinsam mit den Christen der Urkirche gebetet, in Erwartung des Pfingstfestes. Mit ihr bitten wir den Herrn: Sende deinen Heiligen Geist, o Herr, auf deine ganze Kirche. Er wohne in jedem ihrer Glieder und mache sie zu Boten deines Evangeliums!
Amen.
(Übersetzung: Birgit Pottler, Radio Vatikan)