Prags Erzbischof Duka zum Umgang mit Säkularisierung

«Mit Respekt begegnen»

Der Prager Erzbischof Dominik Duka hat die Begegnung mit «religionslosen Menschen» als größte Herausforderung für die katholische Kirche in der Tschechischen Republik bewertet. Diese Menschen seien aber nicht Atheisten, sagt Duka in einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur.

Bischof von Prag: Dominik Duka (KNA)
Bischof von Prag: Dominik Duka / ( KNA )

KNA: Herr Erzbischof, seit vielen Jahren gibt es immer wieder Meldungen über ein schwieriges Staat-Kirche-Verhältnis in Tschechien. Wie bewerten Sie heute das Miteinander?

Duka: Die Schwierigkeit besteht nach wie vor darin, ein Modell des Verhältnisses zwischen der Kirche und dem Staat in der Tschechischen Republik zu finden. Das bedeutet nicht, dass das Staat-Kirche-Verhältnis mit Hass oder antiklerikal belastet ist. Immerhin spielen die Kirche und die Gläubigen eine bedeutende Rolle im politischen, kulturellen und gesellschaftlichen Leben des Landes. Doch zweifellos hat die 40-jährige Diktatur zu einer gewissen Entfremdung zwischen der Gesellschaft und der Kirche geführt, und die Kommunisten haben eine ganze Reihe von Vorurteilen eingesät. Die Kirche war bislang nicht fähig, diese Vorurteile völlig auszuräumen. Sie musste zuerst ihre eigene Struktur wieder aufbauen und neue Aufgaben erlernen.



KNA: Wo sehen Sie selbst konkrete Ansatzpunkte, um zu einer Annäherung zu kommen?

Duka: Immerhin wurde kürzlich eine gemeinsame Lösung bei der Nutzung des St.-Veits-Doms gefunden. Aus der historischen Entwicklung heraus ist die Kathedrale in Prag nicht nur Gotteshaus, sondern auch Begräbnisstätte der tschechischen Herrscher und ein Museum unserer Geschichte. Die Verwaltung dieses Raumes ist heute Aufgabe der Kirche. Die vermögensrechtlichen Fragen blieben bislang ungelöst, aber sie sind auch nicht wesentlich. Wichtig ist, der Kathedrale ihre geistliche und kulturelle Bestimmung wiederzugeben. Zugleich wird die Ratifikation des Vertrags zwischen der Tschechischen Republik und dem Heiligen Stuhl vorbereitet. Man knüpft an den Vertrag an, der schon im Jahr 2002 sowohl vom Vatikanischen Staatssekretariat als auch von der Regierung der Tschechischen Republik akzeptiert und unterschrieben wurde. Damals blieb aber die Ratifikation aus. Fachkommissionen bereiten nun auch langsam die Klärung der vermögensrechtlichen Fragen vor.



KNA: Wie weit ist die Aufarbeitung der kommunistischen Vergangenheit, auch der Unterdrückung der Kirche, gediehen? Sie war ja in der damaligen Tschechoslowakei besonders heftig.

Duka: Sie geschieht allmählich. An der Aufarbeitung der kommunistischen Vergangenheit beteiligen sich sowohl eine Abteilung der tschechischen christlichen Akademie als auch das Institut für das Studium der totalitären Regime. Und in den Wissenschaftsrat wurde vor kurzem auch mein Vorgänger, Kardinal Miloslav Vlk, gewählt.



KNA: Viele Jahre arbeiteten Sie persönlich als Technischer Zeichner bei Skoda, weil Sie nicht Theologie studieren und sich nicht in einer Ordensgemeinschaft engagieren durften. Was ist für Sie die wichtigste Erfahrung dieser Zeit?

Duka: Die Arbeit im Skoda-Werk in Pilsen hat es mir ermöglicht, unmittelbaren Kontakt mit dem alltäglichen Leben und mit den Menschen aller Bevölkerungsschichten zu haben. Es ist aber nicht ganz korrekt, dass ich zu der Zeit nicht studieren und nicht am Ordensleben teilnehmen konnte. Ich musste das aber illegal tun und Doppelschichten arbeiten. Die wichtigste Erkenntnis dieser Zeit war für mich, dass man mehr, als man meint, bewältigen kann und dass man dem Anderen, der ja nicht gläubig ist, ganz bewusst mit Verständnis und Respekt begegnen muss.



KNA: Haben Sie noch Kontakt mit damaligen Arbeitskollegen?

Duka: Damals habe ich in der Tat viele Kontakte mit Mitarbeitern geknüpft. Viele davon bestehen bis heute fort.



KNA: Tschechien gilt - neben Ostdeutschland - als die am stärksten säkularisierte Region West- und Mitteleuropas. Wie sollte die Kirche dem Phänomen der Säkularisierung begegnen?

Duka: Nach meiner festen Überzeugung stimmt die allgemeine Behauptung über die säkularisierte Gesellschaft in Tschechien nicht mit der Wirklichkeit überein. Wir könnten da auch auf Erscheinungsformen der Säkularisierung in Belgien, den Niederlanden, aber auch in Deutschland selbst verweisen. Natürlich hat die vom Kommunismus verursachte Säkularisierung ihre Folgen gehabt. Die größte Herausforderung ist für uns in der Tschechischen Republik die Begegnung mit den religionslosen Menschen. Diese sind aber gar nicht Atheisten. Die vom Staat gemachten statistischen Angaben waren dazu auch nicht zuverlässig.



KNA: Haben Sie Erwartungen an die westlichen Nachbarn Tschechiens?

Duka: Ich bin zunächst einmal froh, dass vielfältige Kontakte und Freundschaften existieren, dass es Kooperationen und große Unterstützung gibt. Das sollte sich weiter entwickeln, damit wir jetzt fähig sind, auch anderen zu helfen.



Das Gespräch führte Christoph Strack .



Hintergrund

Der 67-Jährige, der wenige Tage nach seiner Amtseinführung im April auch den Vorsitz der Bischofskonferenz des Landes übernahm, stand am Mittwochabend beim traditionellen St. Michael-Empfang der Deutschen Bischofskonferenz in Berlin als Festredner auf dem Programm.