Präsidentschaftswahl in den USA

Entscheiden die Katholiken?

Zu den Grundregeln amerikanischer Politweisheiten der vergangenen Jahrzehnte gehörte die Devise, dass ein konservativer - sprich: republikanischer - Kandidat sich nur die Unterstützung evangelikaler Christen und ihrer lautstärksten "Mega-Pastoren" zu sichern brauche, und schon liege der Weg ins Weiße Haus offen. Im Wahljahr 2008 sieht das anders aus.

Autor/in:
Ronald Gerste
 (DR)

So strömten 1980 viele "wiedergeborene Christen" unter Leitung des Predigers Jerry Falwell dem ehemaligen Gouverneur von Kalifornien Ronald Reagan zu und brachten ihr Stimmpotential zugunsten dieses wertkonservativen - und geschiedenen - Kandidaten ein.

Gewonnen hätte Reagan angesichts der schwachen Bilanz des Amtsinhabers Jimmy Carter, der von Inflation, Geiselkrise in Teheran und nationaler Malaise gebeutelt war, wohl ohnehin. Bei der Präsidentschaftswahl 2004 rühmte sich der Berater und Wahlstratege von Präsident George W. Bush, Karl Rove, er habe vier Millionen fundamentalistische Christen mobilisiert und damit die Wiederwahl gegen Herausforderer John Kerry gesichert.

Im Wahljahr 2008 ist die demonstrative Umarmung des republikanischen Kandidaten mit der Führungsriege der Evangelikalen bislang ebenso ausgeblieben wie ein spürbarer Enthusiasmus der Religiös-Konservativen für John McCain. Das Persönlichkeitsprofil des Senators aus Arizona wird als abweichlerisch empfunden: mit beinahe liberalen Anwandlungen auf den Feldern Einwanderung und Stammzellforschung und einer zuweilen nicht laut genug vorgetragenen Verdammung von Abtreibung. Auch seine Befürwortung eines möglicherweise unabsehbaren militärischen Engagements im Irak lässt keine wahre Liebe zwischen Evangelikalen und Kandidat aufkommen.

Treue auf dem Prüfstand
Mehr noch: Die unverbrüchliche Treue zur Republikanischen Partei steht für jüngere Evangelikale auf dem Prüfstand. Zwar sind diese in der Abtreibungsfrage ebenso militant wie die inzwischen aussterbende Generation der Falwells, doch spielen andere Probleme bei der Wahlentscheidung dieser Gruppe eine Rolle. So etwa die wirtschaftliche Lage mit dem von vielen als Pein empfundenen Benzinpreis. Auch scheinen gerade die jüngeren Evangelikalen der Polarisierung überdrüssig. Heute bezeichnen sich nur noch 40 Prozent der Evangelikalen zwischen 18 und 29 Jahren als Republikaner; vor acht Jahren waren es noch 55 Prozent.

Dass führende "Mega-Pastoren" wie Rick Warren bislang keine Wahlempfehlung abgegeben haben oder sogar, wie T. D. Jakes, mit Obama-Anhängern gemeinsam per Telefonkonferenz beteten, scheint eine Trendwende anzudeuten. Mit der möglichen Loslösung zumindest von Teilen dieses zwar demografisch nicht großen, aber lautstarken Wählerblocks kommt nach Meinung von Analysten dem größten religiös definierten Wählersegment in diesem Wahljahr entscheidende Bedeutung
zu: den Katholiken, die Schätzungen zufolge zwischen 47 und 54 Millionen Wahlberechtigte stellen. Auch hier herrscht eine fundamentale Ablehnung von Abtreibung vor, doch drängen die wirtschaftliche Lage und das Gefühl nationaler Unsicherheit nach mehr als fünf Jahren Irak-Krieg für viele Katholiken soziale Themen in den Hintergrund.

Ausnahme Al Gore
Vor vier Jahren hatte George W. Bush noch eine Mehrheit der katholischen Wähler hinter den Republikanern einen können: Er erhielt dort 52 Prozent, Kerry 47. Diesmal hat Obamas Wahlkampfteam gezielt und mit Erfolg katholische Wählergruppen ansprechen und motivieren können. So scheint das "katholische Problem", das Beobachter in der Vorwahlphase Obama zusprachen - da seine Rivalin Hillary Clinton bei katholischen Wählern besonders gut abschnitt - ein Ding der Vergangenheit zu sein. Neueste Umfragen, so das Nachrichtenmagazin "Time", sehen bei katholischen Wählern fast einen Gleichstand zwischen Obama und McCain.

Zuletzt gewann der Kandidat, der sich eine Mehrheit bei katholischen Wählern sichern konnte, acht Mal - die einzige Ausnahme war Al Gore im Jahr 2000. Diesmal gelten gerade Staaten mit hohem katholischen Anteil, wie Florida, New Mexico und Ohio, als potentiell wahlentscheidend. Diesmal geben, so formulierte es ein Kommentator feinzüngig, wohl nicht die "mega-churches" den Ausschlag - sondern die Messen.