Präsident des Zentralkomitees der Katholiken wird 70

Ein kantiger Katholik

Sein Traumberuf: "Professor an einer deutschen Hochschule, wie sie sein sollte", so hat er in einem Fragebogen geantwortet. Eine Karriere als Professor hat Hans Joachim Meyer schon zu DDR-Zeiten erreicht. Als sächsischer Wissenschaftsminister versuchte er nach der Wende, so viel von seinen Vorstellungen von einer guten Hochschule durchzusetzen, wie es ihm bei allen Sparzwängen möglich war.

 (DR)

Sein Traumberuf: "Professor an einer deutschen Hochschule, wie sie sein sollte", so hat er in einem Fragebogen geantwortet. Eine Karriere als Professor hat Hans Joachim Meyer schon zu DDR-Zeiten erreicht. Als sächsischer Wissenschaftsminister versuchte er nach der Wende, so viel von seinen Vorstellungen von einer guten Hochschule durchzusetzen, wie es ihm bei allen Sparzwängen möglich war. Bundesweit bekannt geworden aber ist der gebürtige Rostocker als Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK). Am Freitag wird Meyer 70 Jahre alt. domradio hat mit Prof. Meyer gesprochen.

Schon in der dritten Amtszeit - seit 1997 - steht Meyer als erster Ostdeutscher an der Spitze des ZdK. Es ist eine für die katholische Kirche spannende Zeit, in der vieles möglich scheint:
eine weitere Säkularisierung oder eine Rückbesinnung der Gesellschaft auf Religiöses; ein Zusammenrücken der christlichen Kirchen oder eine Eiszeit in der Ökumene; ein selbstbewusstes Engagement der katholischen Laien oder ein Zurückdrängen ihrer Gestaltungsmöglichkeiten. Dazu kommt, dass die Wahl des Deutschen Joseph Ratzinger zum neuen Papst der katholischen Kirche in der Bundesrepublik internationale Aufmerksamkeit verschafft.

Mit dem heutigen Papst Benedikt XVI. lieferte sich der kantige Katholik Meyer so manche Auseinandersetzung: Als Präfekt der Glaubenskongregation hatte sich Kardinal Ratzinger mehrfach kritisch zur Arbeit des ZdK, zu den Katholikentagen und zur Position des Laiengremiums in der Schwangerenkonfliktberatung geäußert. Insbesondere die Gründung des von Meyer offensiv unterstützten Vereins Donum Vitae sorgte in Rom für Zorn.

In all diesen Konflikten hat Meyer nie ein Blatt vor den Mund genommen. Denn der dreifache Familienvater, der von 1990 bis 2002 sächsischer Wissenschaftsminister war, zeichnet sich durch Dialogbereitschaft, aber auch durch Hartnäckigkeit, langen Atem und eine bisweilen harsche Wortwahl aus: Als beispielsweise Ratzinger und der Kölner Kardinal Joachim Meisner den ersten Ökumenischen Kirchentag 2003 hart kritisierten, warf der meist druckreif formulierende Sprachwissenschaftler Meyer ihnen "ökumenischen Missmut" vor. Dem Papst und den Bischöfen in allem gehorsam zu sein, hält Meyer für "unkatholisch". Schließlich gehöre er nicht einer "Kommandokirche" an, betont er und fordert immer wieder eine größere Mitsprache der Laien, beispielsweise in der Spardebatte oder im Konflikt mit dem Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller um die Rolle der gewählten Laienräte.

Hartnäckigkeit, unabhängiges Denken und der Wille, Gesprächsfäden nicht abreißen zu lassen - diese Eigenschaften kamen dem Sohn eines Apothekers und einer Lehrerin schon zu DDR-Zeiten zu Gute.
Das Jurastudium musste er 1958 aus politischen Gründen abbrechen, ein Jahr später durfte sich Meyer für Anglistik und Geschichte in Ost-Berlin einschreiben. Trotz Distanz zum SED-Staat schaffte er es zum Professor der Sprachwissenschaften.

Seit den 1970er Jahren engagierte sich der Katholik mit preußisch-protestantischer Ausstrahlung in der Kirche und lernte dort, "was eine freie und demokratische Debatte ist". Nach der Wende leitete Meyer, dessen Führungsqualitäten sich herumgesprochen hatten, den "Gemeinsamen Aktionsausschuss katholischer Christen in der DDR" und wurde ins ZdK berufen. In dieser Zeit begann auch seine politische Karriere. Lothar de Maiziere (CDU) machte den unbelasteten Akademiker 1990 zum Wissenschafts- und Bildungsminister der letzten DDR-Regierung. Im ZdK machte der Christdemokrat nicht die Bildungs-, sondern die Familienpolitik zum Schwerpunkt. Ein großes Anliegen ist ihm auch die Ökumene: In seiner derzeit dritten Amtszeit stellt er die Weichen für den zweiten bundesweiten Ökumenischen Kirchentag, der 2010 in München stattfinden soll. Auf sein Konto geht die parteipolitische Öffnung des ZdK, in dem mittlerweile auch bündnisgrüne Politiker Mitglieder sind.

Meyer räumt ein, dass der Laienkatholizismus mit Problemen zu kämpfen hat: "Was einst modern war, betrachten heute viele als überholt und bedeutungslos", hat er geklagt. Andererseits sieht er aber auch eine neue Grundstimmung, insbesondere unter den Jugendlichen: "Der Glaube spielt für die Jugend wieder eine große Rolle", sagte er mit Blick auf den Weltjugendtag 2005 beim Saarbrücker Katholikentag im Mai. Ob das allerdings zu einer Stärkung des organisierten Laienkatholizismus führen wird, ließ er offen. Da passt es gut, dass Meyer einmal das Gleichnis vom Sämann als seine liebste Bibelstelle bezeichnete. Der Sämann nämlich werfe seine Saat aus, ohne die Ernte vorher zu berechnen.
(KNA)

Lebenslauf
Prof. Dr. Hans Joachim Meyer, Staatsminister a. D. für Wissenschaft und Kunst des Freistaates Sachsen
13.10.1936 geboren in Rostock; verheiratet, 3 Kinder

1955 Abitur in Rostock
1955 - 1958 Studium der Rechts- und Staatswissenschaft in Potsdam-Babelsberg, aus
politischen Gründen exmatrikuliert
1958 - 1959 Hilfsarbeiter im Lokomotivbau in Babelsberg
1959 - 1964 Studium Anglistik/Amerikanistik und Geschichte an der Humboldt-Universität
zu Berlin
1964 Diplom der Philosophischen Fakultät
1964 - 1982 Sprachlehrer und Wissenschaftlicher Oberassistent an der Humboldt-
Universität zu Berlin
1971 Promotion Dr. phil.
1981 Habilitation Dr. sc. phil.
1982 Berufung zum Hochschuldozenten für Angewandte Sprachwissenschaft
1985 Berufung zum a. o. Professor an der Humboldt-Universität
1990 April bis Oktober Minister für Bildung und Wissenschaft der DDR
1990 - 2002 Sächsischer Staatsminister für Wissenschaft und Kunst
1952 - 1961 und seit Juli 1990 Mitglied der CDU

1990 - 1994 Vorsitzender des Gemeinsamen Ausschusses katholischer Christen in
den neuen Bundesländern
seit November 1990 Mitglied des Geschäftsführenden Ausschusses des Zentralkomitees der
deutschen Katholiken
seit November 1992 Vizepräsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken
25.04.1997 Wahl zum Präsidenten des Zentralkomitees der deutschen Katholiken