Präses Schneider zum Rettungspaket der Bundesregierung

Die richtigen Schwerpunkte

Der rheinische Präses Nikolaus Schneider begrüßt grundsätzlich das neue Rettungspaket der Bundesregierung, kritisiert aber die geplanten Steuerentlastungen. "Man muss aufpassen, dass sich dadurch die Schere zwischen Arm und Reich nicht weiter öffnet", sagte Schneider am Mittwoch in einem epd-Interview in Bad Neuenahr. Der 61-jährige Theologe und Sozialethiker äußerte sich auch zur Auto-"Abwrackprämie", zum Kinder-Bonus und den Auswirkungen des Konjunkturpakets auf die Kirchenfinanzen.

 (DR)

epd: Predigt die Kirche nach dem neuen Rettungsplan der Bundesregierung den Konsum oder lehnt sie die Annahme des Konjunkturpakets ab, wie die Linkspartei in NRW rät?
Schneider: Es ist nachvollziehbar, dass in einer derartigen
Wirtschafts- und Finanzkrise zu außergewöhnlichen Maßnahmen gegriffen wird. Ich halte es auch für richtig, dass die Bundesregierung Anreize dafür geben will, dass Wirtschaftstätigkeit in Gang kommt. Denn sonst brechen auf längere Sicht Arbeitsplätze weg und es gibt vermeidbare Insolvenzen kerngesunder, profitabler Unternehmen. Eine solche Vernichtung von Arbeitsplätzen kann keiner wollen.

epd: Ist das Konjunkturpaket sozial ausgewogen?
Schneider: Völlig richtig ist zunächst einmal, dass Investitionen in Infrastrukturmaßnahmen den Schwerpunkt des Programms bilden. Es ist eine Chance dieser Krise, hier Fehler der Vergangenheit zu beheben. Der Staat hat sich ja jahrelang freiwillig arm gemacht - mit der Konsequenz, dass inzwischen viele Kommunen nicht mehr zahlungsfähig sind. Die Investition in wichtige Infrastruktur, von Schulen über Krankenhäuser bis hin zu Kanalnetzen, wurde in unverantwortlicher Weise vernachlässigt.

Was ist das für eine Kulturnation, die ihre Schulen so herunterkommen lässt? Wir sind an manchen Stellen auf ein Niveau gekommen, das zum Himmel schreit. Wichtig ist, dass auch verarmte Städte und Gemeinden aus dem Paket Geld für Investitionen erhalten, ohne dass sie Eigenbeiträge aufbringen müssen - das können sie nämlich nicht.

Zurückhaltend bin ich im Blick auf die geplanten Steuerentlastungen. Man muss aufpassen, dass sich dadurch die Schere zwischen Arm und Reich nicht weiter öffnet. Wenn man über Steuer-Prozente für Entlastung sorgt, profitieren diejenigen am meisten, die ohnehin schon am meisten haben. Steuersenkungen sind im Grund genommen sogar ein gefährliches Programm, denn der Staat braucht ausreichend Geld, um seine Aufgaben zu erfüllen.

epd: Wie negativ wirken sich die Steuersenkungen für die Kirche aus?
Schneider: Sie bedeuten deutlich weniger Kirchensteuereinnahmen, allein für die rheinische Kirche vermutlich in zweistelliger Millionenhöhe. Unsere Situation wird dadurch nicht leichter, aber wir werden unaufgeregt damit umgehen und damit auch fertig werden müssen.

epd: Hat die Politik solche Auswirkungen ihrer Entscheidungen nicht im Blick oder spielen sie schlicht keine Rolle?
Schneider: Man muss ganz einfach die Hektik solcher Entscheidungen sehen, den Auswirkungen auf die Kirchen galt sicher nicht die erste Sorge. Außerdem mussten viele Interessen - nicht zuletzt parteipolitische - zum Ausgleich gebracht werden. Dass niemand die Kirchen zusätzlich in Schwierigkeiten bringen will, davon gehe ich aus.

epd: Lassen Sie uns nach der Steuerfrage noch einige weitere Punkte des Rettungspakets durchgehen. Was halten Sie vom 100-Euro-Bonus für Kinder?
Schneider: Die Reichen brauchen die 100 Euro nicht, für die Armen sind sie eine richtige Hilfe. Ich frage mich allerdings, ob die Relation zwischen der sogenannten Abwrackprämie für Altautos und den Investitionen in die Zukunft unserer Kinder stimmt.

epd: Gegen die «Abwrackprämie» selbst von 2.500 Euro haben Sie keine Einwände?
Schneider: Doch, diese Prämie ist sogar höchst ärgerlich. Die Verantwortlichen für eine schlechte Modellpolitik bei Autoherstellern haben es durch Lobbyismus geschafft, die Konsequenzen auf andere abzuwälzen - das ist im Grunde ein Skandal. Ein solcher Geldanreiz muss natürlich auch damit verbunden werden, dass umweltfreundliche Autos gekauft und gebaut werden. Es wird auch einen Mitnahmeeffekt geben bei Leuten, die ohnehin ein neues Auto kaufen wollen und nun Geld vom Staat dazu bekommen.

epd: Wie beurteilen Sie die Erhöhung des Regelsatzes für Kinder aus Hartz-IV-Familien um 35 Euro?
Schneider: Das war überfällig. Bei all denen, die in Armut oder an der Armutsgrenze leben, ist jeder Euro eine Hilfe. Im Verhältnis zu dem, was bei Reichen an Kinderfreibeträgen zu erwarten ist, besteht trotzdem eine Unverhältnismäßigkeit.

epd: Was ist mit der Senkung des Krankenkassenbeitrags auf 14,9 Prozent?
Schneider: Diese Maßnahme zeigt das ganze Dilemma der Politik:
Zunächst wurde eine Mehrbelastung beschlossen, die nun wieder kompensiert werden soll. Wenn man irgendwo den Eindruck von Flickschusterei hat, dann hier.

epd: Hätten Sie bei einem Konjunkturprogramm mit 50 Milliarden Euro andere Schwerpunkte gesetzt?
Schneider: Der Hauptschwerpunkt stimmt, viel Geld für Infrastruktur auszugeben. Ich würde außerdem sehr stark in Bildung und die Förderung von Benachteiligten investieren. Und bei Steuererleichterungen wäre ich wie gesagt erheblich zurückhaltender.

epd: Mit dem Rettungspaket auf Pump soll es die höchste Neuverschuldung in der Geschichte der Bundesrepublik geben - die Schulden hinterlassen wir den Jüngeren. Wie steht es hier um Generationengerechtigkeit?

Schneider: Ich glaube, es ist unvermeidbar, in derart schwierigen Situationen solche Risiken einzugehen. Entscheidend ist, dass verbindliche Regeln zum Schuldenabbau vereinbart werden. Ich habe aber den Eindruck, dass entsprechende gesetzliche Instrumente geschaffen werden sollen.