Präses Schneider trifft den griechisch-orthodoxen Patriarch Bartholomäus I.

Ein gefragter Gesprächspartner

An diesem Samstag trifft der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Nikolaus Schneider, in Istanbul den griechisch-orthodoxen Patriarchen Bartholomäus I. Dabei dürfte es auch um die Situation der Christen in der Türkei geben.

Autor/in:
Rainer Clos
 (DR)

Eine Begegnung mit dem griechisch-orthodoxen Patriarchen von Konstantinopel, Bartholomäus I., darf nicht fehlen, wenn westliche Staatsmänner und Politiker in Istanbul sind. Bundespräsident Christan Wulff, Kanzlerin Angela Merkel, US-Präsident Barack Obama und Außenministerin Hillary Clinton, oder etwa Prinz Charles statteten der Patriarchenresidenz Phanar schon einen Besuch ab.



Das Ehrenoberhaupt von 300 Millionen orthodoxen Christen ist auch ein gefragter Gesprächspartner für kirchliche Würdenträger aus allen Konfessionen. Prominentester Besucher darunter war Papst Benedikt XVI., der 2006 mit Bartholomäus in der St. Georgs-Kathedrale einen Gottesdienst zum Fest des Apostels Andreas feierte. Der Moskauer Patriarch Kyrill I. suchte 2009 bei seiner ersten Auslandsreise ebenfalls Patriarch Bartholomäus auf, der im Kreis der orthodoxen Kirchenoberhäupter den Rang eines Ersten unter Gleichen einnimmt.



Das 71-Jährige Bartholomäus konnte vor vier Wochen auf eine mittlerweile 20-jährige Amtszeit zurückblicken. Seit 1991 ist er Ökumenischer Patriarch von Konstantinopel mit Sitz in Istanbul und damit der 270. Nachfolger des Apostels Andreas, auf den sich die Ostkirche gründet. Der griechisch-orthodoxe Geistliche studierte in Rom, München und Thessaloniki. 1970 wurde der promovierte Kirchenrechtler Archimandrit, zwei Jahre später Metropolit von Philadelphia und 1990 Metropolit von Chalcedon. Fast zwei Jahrzehnte war Bartholomäus enger Berater des Patriarchen Dimitrios, dessen Nachfolger er wurde. Kirchenpolitisch setzt sich der Patriarch, der auch den Titel "Erzbischof von Konstantinopel und Neu-Rom" trägt, für eine Annäherung der christlichen Kirchen ein.



"Grüner Patriarch"

Seine ökumenische Ausrichtung wird auch in Begegnungen mit anglikanischen und protestantischen Kirchenführern sichtbar. In den Ökumene-Organisationen - Weltkirchenrat und Konferenz Europäischer Kirchen - wird sein ökumenisches Engagement geschätzt. Seit langem ist Bartholomäus ein Motor des Gesprächs zwischen den Religionen und regelmäßig Teilnehmer bei Begegnungen der Weltreligionen.



Auf Reisen nach Grönland und Brasilien machte er auf die globalen Umweltprobleme aufmerksam und warb für die Erhaltung der Schöpfung, was ihm den Titel "Grüner Patriarch" einbrachte. Am wenigsten Anerkennung erfährt das Oberhaupt, dem direkt 3,5 Millionen orthodoxe Christen in Nordostgriechenland, auf Kreta, einigen Ägäis-Inseln sowie in der griechischen Diaspora weltweit unterstehen, hingegen in der Türkei. Die Behörden sehen ihn lediglich als Oberhaupt von maximal 3.000 griechisch-orthodoxen Christen in der Türkei. Wie andere nichtmuslimische Minderheiten in der Türkei sieht sich auch das Patriarchat bedrängt. Seit 1971 etwa ist das orthodoxe Priesterseminar Chalki geschlossen, und alle Appelle an Ankara, die Ausbildungsstätte für den Theologennachwuchs wieder zu eröffnen, fanden bisher kaum Gehör.



Die Situation für die christliche Minderheit verbessert sich nur langsam

Die mehr als 70 Millionen Einwohnern der Türkei sind ganz überwiegend Muslime. Daneben leben nach inoffiziellen Schätzungen in der Türkei 60.000 armenische Christen, 23.000 Juden, 15.000 Syrisch-Orthodoxe, 10.000 Bahai, rund 3.000 griechisch-orthodoxe Christen, etwa 2.000 Jeziden, sowie 2.500 Protestanten und Katholiken.



Die Situation für die christliche Minderheit verbessere sich stetig, wenn auch langsam, sagte der Patriarch Bartholomäus I. in dieser Woche bei einer Konsultation des Weltkirchenrates. Er verwies darauf, dass noch immer die Wiedereröffnung der Hochschule von Chalki ausstehe.



Dennoch gab es in jüngster Zeit auch ermutigende Zeichen: Ende August verkündete Regierungschef Recep Tayyip Erdogan, die Türkei werde den jüdischen und christlichen Gemeinden konfiszierte Immobilien zurückgeben, beziehungsweise entschädigen. Zuvor hatte Ankara bereits zugestimmt, dass in dem traditionsreichen griechisch-orthodoxen Kloster Sümela bei Trabzon und in der armenischen Heilig-Kreuz-Kirche auf der Insel Akdamar in Ostanatolien einmal im Jahr wieder Gottesdienst gefeiert werden darf.