Prälat Peter Neher über den Zankapfel Mindestlohn

"Mindestlohn allein löst die Probleme nicht"

Der Mindestlohn wird wohl das zentrale Thema in den Koalitionsverhandlungen zwischen Union und den Sozialdemokaraten werden. Über Chancen und Risiken dieses Modells spricht Prälat Peter Neher von der Caritas im domradio.de Interview.

Taxifahrer demonstrieren für Mindestlohn. / © Maurizio Gambarini (dpa)
Taxifahrer demonstrieren für Mindestlohn. / © Maurizio Gambarini ( dpa )

Prälat Peter Neher ist Präsident des Deutschen Caritasverbandes.
 

domradio.de: Warum ist das Thema Mindestlohn so wichtig?

Neher: Menschen, die arbeiten, die Vollzeit arbeiten, müssen davon leben können. Arbeit muss angemessen bezahlt werden. Das ist schlicht eine Frage der Gerechtigkeit. 

domradio.de: Die Caritas ist einer der größten Arbeitgeber in Deutschland. Sie befürworten einen Mindestlohn - warum?

Neher: Es gibt ja heute schon viele Mindestlöhne, die für bestimmte Branchen gelten, beispielsweise in der Pflege. Und das ist absolut notwendig, um hier einfach ein grenzenloses Fallen nach unten zu verhindern. Wir sind aber gegen den durch die Politik bestimmten flächendeckenden Mindestlohn, denn Lohnverhandlungen sind immer eine Sache der Tarifparteien, und nicht des Staates. Ich denke, gerade wir bei der Caritas müssen auch besonders auf geringqualifizierte Menschen schauen, und die Politik muss schon auch die Folgen auf dem Arbeitsmarkt mitbedenken, und die Chancen für langzeitarbeitslose Menschen, damit dann nicht ein gut gemeinter Mindestlohn letztendlich zu mehr Arbeitslosigkeit und mehr Armut führt.  

domradio.de: Damit sind Sie näher an der Position der CDU. Vizefraktionschef Fuchs hat gesagt, man ist für die Tarifautonomie der Gewerkschaften, die sollen in den Verhandlungen einen Mindestlohn in ihrer Branche durchsetzen und die Politik würde den absegnen. Würden Sie das unterschreiben?

Neher: Ich würds ergänzen. Es gibt das britische Modell der Low-Pay-Commission, in der Tarifparteien plus Wissenschaft einen allgemeinen Mindestlohn praktisch festlegen. Und damit ist auch gewährleistet, dass Bereiche mitbetroffen sind, wo sie ganz einfach keine entsprechenden Tarifsvertragsparteien haben. Das muss man mit bedenken. Und insofern ist dieses britische Modell für uns eine mögliche Form, um die Festsetzung eines Mindestlohns aus dem politischen Alltagsgeschäft rauszuhalten und gleichzeitig aber auch mögliche Folgen auf dem Arbeitsmarkt mit im Blick zu haben. 

domradio.de: Das heißt, Sie sagen, ein Mindestlohn von 8,50 Euro, wie ihn die SPD fordert, das reicht Ihnen nicht?

Neher: Das halte ich für durchaus problematisch. Wir haben ja ganz unterschiedliche wirtschaftliche und soziale Situationen in Deutschland. 8,50 Euro beispielsweise in Mecklenburg-Vorpommern bedeutet für einen Betroffenen etwas ganz anderes als 8,50 Euro in der Stadt Köln. Für 8,50 Euro in Köln können Sie sich wesentlich weniger leisten als in Mecklenburg-Vorpommern. Von daher meine ich schon, dass eine regionale Differenzierung wirklich legitim wäre und tatsächlich branchenspezifisch besser dem gerecht würde, was eigentlich die Lebenssituation von Menschen betrifft.

domradio.de: Sie sehen aber trotzdem den Mindestlohn prinzipiell als den richtigen Weg?

Neher: Ich denke, der Mindestlohn ist ein Weg, der für bestimmte Bereiche geht. Aber nehemn Sie geringqualifizierte Menschen an, die zum Beispiel dann noch mit sozialen Problemen wie Sucht behaftet sind. Die werden Sie nur anstellen können, wenn Löhne auch subventioniert werden. Und von daher muss es auch so ein Modell geben wie ein Kombilohnmodell, wo ein Teil des Lohnes durch die Arbeitgeber finanziert wird, ergänzt durch den Staat. Allein das Modell Mindestlohn wird die Probleme auf dem Arbeitsmarkt nicht lösen.

domradio.de: Es gibt auch immer wieder Kritik am Mindestlohn, auch von Experten. Was denken Sie würde der Mindestlohn für die Wirtschaft bedeuten - könnte es am Ende auch zu Preissteigerungen kommen?

Neher: Es gibt ja jetzt schon von Tarifparteien ausgehandelte Mindestlöhne und das ist ja auch sinnvoll. Wichtig ist es, bei allem mit zu bedenken, dass Arbeitsplätze nicht möglicherweise vernichtet werden und ins Ausland verlagert werden, oder dort, wo das nicht geht, dass es zu Preissteigerungen kommt. Denn die Entlohnung muss ja irgendwie erwirtschaftet werden. Also von daher glaube ich, gerechter Lohn und adäquate Preise gehören auch zusammen.

domradio.de: Der Mindestlohn wird zentrales Thema bei den Koalitionsverhandlungen sein - was erwarten Sie, was da für ein Kompromiss herauskommt?

Neher: Ich bin natürlich neurgierig, weil es für die SPD ja ein ganz zentrales Wahlkampfthema war. Ich kann nur hoffen, dass in den Verhandlungen differenziert geguckt wird, und nicht einfach ein Prinzip zu Tode geritten, sondern geschaut wird, was es für den Arbeitsmarkt bedeutet, und wie kann die Frage nach dem gerechten Lohn verbunden werden mit den entsprechenden Lebensbedingungen in Deutschland, dass die mit beachtet werden. Und darin kann ich mir vorstellen, dass es dann auch einen Kompromiss gibt.

Das Interview führte Matthias Friebe.


 

Quelle:
DR