Positive Bilanz der Türkeireise

Wulff trifft Patriarchen

Bundespräsident Christian Wulff hat zum Abschluss seines Türkeibesuches eine positive Bilanz gezogen. Er habe viele Fortschritte gesehen, aber natürlich auch Defizite, sagte Wulff am Freitag vor Journalisten in Istanbul. Es gebe aber «eine große Offenheit, auch über kritische Dinge zu sprechen». Er habe eine «große Übereinstimmung mit der politischen Führung» des Landes festgestellt.

 (DR)

Durch den Seiteneingang betrat Bundespräsident Christian Wulff das Patriarchat von Konstantinopel - so, wie alle Besucher es tun müssen: Das Haupttor ist zugeschweißt, seit Patriarch Gregorius V. im Jahr 1821 von den Osmanen darin aufgehängt wurde. "Gekreuzigt" fühle er sich in der Türkei manchmal, klagte auch der gegenwärtige Inhaber dieses Amtes, Patriarch Bartholomaios I., noch im vergangenen Jahr. Beim Gespräch mit Wulff schlug das Ehrenoberhaupt der Weltorthodoxie am Freitag aber zuversichtlichere Töne an. Er teile den Optimismus des Bundespräsidenten über die Zukunft der interreligiösen Verständigung, sagte Bartholomaios I.



Wulff zeigte sich beeindruckt von seinem Treffen mit dem Patriarchen. Er habe mit Bartholomaios I. "ein gutes Gespräch über die Lage der Kirchen in Deutschland und hier in der Türkei" geführt, sagte der Bundespräsident anschließend. "Ich habe die große Hoffnung, dass wir den Dialog der Weltreligionen voranbringen." Er glaube, "dass wir auf einem guten Weg sind".



Dank an Deutschland

Ausdrücklich dankte der Patriarch dem Bundespräsidenten und Deutschland für die Unterstützung, die der griechisch-orthodoxen Kirche in Deutschland zuteil werde. Metropolit Augoustinos von Deutschland war eigens aus Bonn angereist, um Wulff durch die Patriarchatskirche zu führen und das Gespräch mit Bartholomaios I. zu dolmetschen. Der Patriarch und der deutsche Metropolit kennen sich gut - sie besuchten zusammen das Priesterseminar Chalki, das Augoustinos 1960 und Bartholomaios I. ein Jahr darauf abschloss.



Die Zukunft des Seminars, das seit fast 40 Jahren geschlossen ist, wurde allerdings nicht erwähnt bei der Pressekonferenz von Präsident und Patriarch, bei der auch keine Fragen zugelassen waren. Hinter verschlossenen Türen dürften beide dennoch darüber gesprochen haben.

Wulff hatte sich nach seinen politischen Gesprächen in Ankara zu Wochenbeginn optimistisch gezeigt, dass die Wiedereröffnung der Priesterschule nicht mehr lange auf sich warten lassen werde.



Und auch am Patriarchat ist man neuerdings optimistisch in dieser Frage, vor allem seit die türkische Regierung eine Reihe von Metropoliten aus Griechenland und den USA einbürgerte, um die Nachfolge auf dem Patriarchenthron sicherzustellen. Denn der Patriarch von Konstantinopel muss seit der Gründung der Republik vor 80 Jahren Türke sein - staatliche Bedingung für den Verbleib des Patriarchats in Istanbul, dem früheren Konstantinopel, wo es seit

1.700 Jahren ansässig ist. Auch zur Wiedereröffnung Chalkis gab es zuletzt positive Signale.



Noch nicht am Ziel

Wulff forderte während seiner Reise wiederholt eine Stärkung der Religionsfreiheit für die christlichen Minderheiten in der Türkei - und setzte mit seinem Besuch in Tarsus, dem Geburtsort des Apostels Paulus, ein deutliches Zeichen dafür. Dort wohnte er einem ökumenischen Gottesdienst bei, traf Vertreter der christlichen Kirchen des Landes und resümierte danach, die Türkei sei in der Frage der Religionsfreiheit "in der richtigen Richtung unterwegs", aber noch nicht am Ziel.



Insgesamt zog Wulff eine positive Bilanz zum Abschluss seiner Reise: Er habe viele Fortschritte gesehen, aber natürlich auch Defizite. Es gebe aber "eine große Offenheit, auch über kritische Dinge zu sprechen". Dass der Staatsbesuch stark im Zeichen der Religion(en) stand, zeigte sich auch am Abschlusstag. Nach seinem Gespräch mit Bartholomaios I. besuchte Wulff anschließend die Blaue Moschee und die Hagia Sophia.