Portugals Goldenes Zeitalter unter Manuel I. dem Glücklichen

Noch immer geht der Blick sehnsüchtig übers Meer

Bis heute hat Portugal etwas von Dornröschenschlaf; ferne Sehnsucht nach vorgestern, als das kleine Land vom Rand Europas auf die Neue Welt ausgriff und katapultartig zur Weltmacht wurde.

Autor/in:
Alexander Brüggemann
Das Denkmal der Entdeckungen, Padrao dos Descobrimentos, am Ufer des Tejo in Lissabon / © NORTH DEVON PHOTOGRAPHY (shutterstock)
Das Denkmal der Entdeckungen, Padrao dos Descobrimentos, am Ufer des Tejo in Lissabon / © NORTH DEVON PHOTOGRAPHY ( shutterstock )

Der "Continente" - damit ist im portugiesischen Sprachgebrauch nicht Europa gemeint. Europa ist nicht die
Referenzgröße. "Continente", das ist Festland-Portugal; zur Abgrenzung von jenem Portugal, das jenseits des Meeres liegt.

Der Blick ging von hier stets in jene Ferne, mit Spanien und dem Rest Europas im Rücken. Dort, in der Ferne, liegt auch die ruhmreiche Vergangenheit, gegen die sich das mühsame Aufholen in der EU von heute fast trist ausnimmt.

Für einige wenige Jahrzehnte seiner Geschichte schwang sich das kleine Portugal katapultartig zur Weltmacht auf, seit es damals, Anfang des 15. Jahrhunderts, seine Segel ins Unbekannte setzte. In jener Zeit entstanden Bauten, die im Rest Europas ihresgleichen suchen.

Aufbruch auf den Atlantik

Mit der Dynastie der Avis wendet Portugal Europa - nach Jahrhunderten des Kampfes gegen Mauren und Spanier - buchstäblich den Rücken zu. In Sagres im äußersten Süden, wo das Land abrupt abbricht und das Meer mit Wucht gegen die Steilküste donnert, versammelt Prinz Heinrich "der Seefahrer" (1394-1460) die Experten seiner Zeit, um den großen Schritt ins Unbekannte zu wagen, in den Atlantik. Ein ähnlicher Wagemut wie der der Raumfahrt-Pioniere.

Panoramablick auf das Fischerdorf Câmara de Lobos auf Madeira, Portugal.
 / © Serenity-H (shutterstock)
Panoramablick auf das Fischerdorf Câmara de Lobos auf Madeira, Portugal. / © Serenity-H ( shutterstock )

Und Entdeckungen stellen sich ein, die Kreise werden rasch größer: 1415 Ceuta im heutigen Marokko; 1419 Madeira 700 Kilometer vor der Küste; dann die Azoren; die Kapverden, das Kap der Guten Hoffnung; der lang ersehnte Seeweg nach Indien, Brasilien, China.

Unter Manuel "dem Glücklichen" schließlich erlebt Portugal sein Goldenes Zeitalter. Dank des ersten Kolonialreichs im Indischen Ozean erzielen Gewürze und andere Luxusgüter aus Indien, Afrika, Fernost und dem Orient Fantasiepreise und sorgen für überbordende Kassen.

Päpstlicher Hauselefant Hanno

Auch die Sicherung der Interessensphären lässt sich Manuel, der sich "Herr der Eroberungen, der Seefahrt und des Handels mit Indien, Äthiopien, Arabien und Persien" nennt, so einiges kosten. Papst Leo X. (1513-1521), einen Florentiner Renaissancefürsten, jung, prunkliebend und verwöhnt, beschenkt Portugals König zur Papstwahl mit einem indischen Hauselefanten, Hanno.

Großzügig zwar, aber auch durchaus eigennützig; denn der, der auf dem diplomatischen Parkett zwischen den kolonialen Ansprüchen Spaniens und Portugals zu
entscheiden hatte, war seit dem Vertrag von Tordesillas 1494 nun einmal - der Papst.

Ein eigener Kunststil

Geradezu verkörpert wird diese Hoch-Zeit von König Manuel I. (1495-1521), "dem Glücklichen". Portugals Überfluss an Geld und internationaler Exotik bringt einen eigenen Kunststil hervor, die "Manuelinik". Ihre höchste Verkörperung ist das 1501 begonnene Hieronymus-Kloster in Belem bei Lissabon.

Hieronymus-Kloster in Belem bei Lissabon. / © Junior Braz (shutterstock)
Hieronymus-Kloster in Belem bei Lissabon. / © Junior Braz ( shutterstock )

Steinmetze verarbeiten hier das gigantische Bewusstsein des Landes in üppige spätgotische Gewölbe, Maßwerke und Grabmäler, die sagen: Wir haben alles, was es gibt - und brauchen an nichts zu sparen.

Scheitern war vorprogrammiert

Doch die Geschichte wusste es besser. Denn wie so oft ist dem Überfluss bereits der Same des Niedergangs eingepflanzt. Auf der Suche nach Reichtum jenseits des Meeres oder in den Handelsstädten verlassen die Landleute ihre Äcker und werden Glücksritter. Die heimische Agrarproduktion bricht zusammen; Portugal wird abhängig vom Import.

Das kleine Land hat sich übernommen. Die Gier lässt die Handelsflotte immer schlechtere Schiffe bauen. Havarien mit kostbarer Fracht sind an der Tagesordnung. Zudem reicht die Bevölkerung von nur einer Million Menschen bei weitem nicht aus, um das riesige Weltreich zu verwalten. Dem kometenhaften Aufstieg folgt der tiefe Fall: Der junge König Sebastiao stirbt 1578 auf dem Schlachtfeld. Der Rivale Spanien übernimmt Portugals Krone - für die demütigenden "Sechzig Jahre".

Danach ist nichts mehr, wie es war. Zwar folgt 1640 für 270 Jahre die Herrschaft einer neuen Dynastie, der Braganza; doch die ist geprägt von politischer Schwäche, Dekadenz, Prunksucht und Bigotterie. Ein Zwischenhoch ist der Gold- und Diamantenrausch in Brasilien um 1700. Die enormen Einkünfte werden verschwendet.

Das Erdbeben von 1755

Das Erdbeben von Lissabon 1755, eine der verheerendsten Naturkatastrophen Europas, hat das Gesicht der Stadt von einem Tag auf den anderen verändert. Das neu errichtete Stadtzentrum, die "Baixa Pombalina" mit der riesigen Praca do Comercio (Platz des Handels) und dem monumentalen Bogen zur Rua Augusta ist heute eine der großen Touristenattraktionen.

Bogen zur Rua Augusta, Lissabon, Portugal. / © Katvic (shutterstock)
Bogen zur Rua Augusta, Lissabon, Portugal. / © Katvic ( shutterstock )

Mit dem starken Mann von damals, Portugals Erstem Minister Sebastiao Jose de Carvalho e Mello, Marques de Pombal (1699-1782), wird Papst Franziskus, der Jesuit aus Lateinamerika, hier ein Wiedersehen haben, wenn auch nur in historischer Perspektive: Der Marques de Pombal war es, der ab 1759 die Vertreibung der Jesuiten aus Lateinamerika betrieb, ebenso wie das Verbot des Ordens durch Papst Clemens XIV. vor genau 250 Jahren, im Juli 1773.

Trendstadt Lissabon

Lissabon, eine der schönsten Städte Europas, bietet eine grandiose Kulisse für einen Ansturm von Jugendlichen mit seinen historischen Klöstern, seiner Altstadt, den spektakulären Panoramen, dem Hafenviertel und der legendären quietschenden Straßenbahnlinie 28E aus dem Jahr 1901. Auf der anderen Seite des Tejo breitet die monumentale Christus-Statue "Cristo Rei" von Almada die Arme über Portugals Hauptstadt aus.

Noch immer geht der Blick der Portugiesen sehnsüchtig übers Meer und zurück zum Ruhm Manuels "des Glücklichen". Der "Fado" ("Schicksal") fasst ihre eingeborene Melancholie in Musik. Doch ihr Platz ist heute
in Europa - vielleicht zum ersten Mal überhaupt in der Geschichte.

Eine Geschichte Portugals bis zur spanischen Fremdherrschaft

Mit dem Rücken zum Kontinent brach das kleine Portugal im Spätmittelalter zu neuen Ufern auf und wurde binnen kürzester Zeit zur Weltmacht. Doch das Glück war nicht von Dauer. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) dokumentiert zentrale Stationen von Aufstieg und Fall:

711: Die Mauren aus Nordafrika erobern binnen sieben Jahren fast die gesamte Iberische Halbinsel. Im 9. Jahrhundert wird Al-Gharbe, die heutige Algarve, eigenständige maurische Provinz.

868: Im Zuge der "Reconquista" (Rückeroberung) haben die Christen das Nordgebiet bis Porto zurückgewonnen.

Die portugiesische Nationalflagge weht vor dem Torre de Belem am 7. Februar 2023 in Lissabon, Portugal. / © Michael Althaus (KNA)
Die portugiesische Nationalflagge weht vor dem Torre de Belem am 7. Februar 2023 in Lissabon, Portugal. / © Michael Althaus ( KNA )
Quelle:
KNA