Pontifikalamt am Fest Erscheinung des Herrn

"Sich selbst auf den Weg der Sterndeuter machen"

Der Dreikönigstag ist den Kölnern heilig. Das zeigen in jedem Jahr die vielen Gläubigen, die dann in "ihrem" Dom die Heilige Messe mitfeiern und unter dem Schrein mit den Gebeinen der Heiligen Drei Könige herziehen.

Autor/in:
Beatrice Tomasetti
Pontifikalamt am Hochfest Erscheinung des Herrn / © Beatrice Tomasetti (DR)
Pontifikalamt am Hochfest Erscheinung des Herrn / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Die Aufzählung der vielen Nachbarbistümer, aus denen an diesem hohen Kölner Feiertag ebenfalls so zahlreich Gäste in die Rheinmetropole gekommen sind, ist am Ende des feierlichen Gottesdienstes mit Erzbischof Woelki fast schon zu einem Ritual geworden, auf das die mehreren tausend Dombesucher Jahr für Jahr zählen können.

Bestimmt seien auch wieder Vertreter aus  Aachen, Paderborn, Essen, Trier und Limburg mit dabei, mutmaßt schmunzelnd der Kardinal, als er hinter den leuchtend bunten Sternsingern der Kölner Domsingschule steht, mit denen er kurz vor dem Auszug immer noch ein kurzes Zwiegespräch führt und schließlich das Lied "Stern über Bethlehem…" anstimmt.

Pontifikalamt am Hochfest Erscheinung des Herrn / © Beatrice Tomasetti (DR)
Pontifikalamt am Hochfest Erscheinung des Herrn / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Freundlich und gewinnend schaut er bei diesem fröhlich-bunten Bild in die Runde vor dem Altar und heißt noch einmal alle von Nah und Fern willkommen, die das für das Erzbistum Köln so bedeutsame kirchliche Hochfest im Dom mitgefeiert haben. "Es ist einfach schön mit Ihnen!", ruft er in den Dom. Und: "Wir brauchen einander für unseren Glauben."

Dann wendet er sich den Acht- und Neunjährigen in den Kostümen von Kaspar, Melchior und Balthasar zu. "Kinder sind das Beste, das wir haben", betont er unter zustimmendem Applaus, "weil Ihr unsere Zukunft seid und weil Ihr in diesen Tagen mit der besten Botschaft unterwegs von Haus zu Haus seid: nämlich damit, dass Christus Mensch geworden ist und sich damit die Verheißung erfüllt hat, dass er der Immanuel ist, der einen jeden in sein Herz geschlossen hat." Anerkennend fügt er hinzu. "Toll, dass Ihr Euch für die Kinder in den Dienst nehmen lässt, die in anderen Teilen der Welt keine Schulbildung bekommen, stattdessen viele Stunden am Tag hart arbeiten müssen und ausgebeutet werden."

Dreikönigenschrein bildet Herzstück des Doms

Selbst eine Stunde vor Messbeginn kann es bereits zu spät sein, um noch einen Sitzplatz zu ergattern. Geschweige denn einen in den ersten Reihen des Mittelschiffs mit unverstelltem Blick auf den Altarraum, die mit Lichtern geschmückten Tannenbäume und – in der Sichtachse – den golden funkelnden Dreikönigenschrein, der an diesem Tag einmal mehr das Herzstück des Domes bildet.

Am Fest der Heiligen Drei Könige – auch Hochfest der Erscheinung des Herrn oder griechisch Epiphanie genannt – finden sich traditionell Tausende in Kölns Kathedrale ein, und da muss man schon früh auf den Beinen sein. Denn die Besucher kommen von überall her: nicht nur aus allen Teilen des Bistums, sondern eben auch von den Peripherien der Kölner Kirchenprovinz und sogar aus den Niederlanden oder Belgien.

Diesmal sind es auch Ukrainer, die sich unter die große Domgemeinde mischen. "Wir wissen, dass hier die Heiligen Drei Könige begraben liegen", erklärt zum Beispiel Mykola Konopka aus Donezk mit brüchiger Stimme. "Und wenn wir schon nicht Weihnachten mit unseren Familien in der Heimat feiern können, dann wollen wir doch wenigstens dieses typisch deutsche Fest miterleben und dabei innig an unsere Liebsten denken."

Mehrheitlich aber sind es vor allem die Kölner selbst, die diesem besonderen Feiertag von derart großer Lokalbedeutung Jahr aus Jahr ein die Treue halten. Schließlich stehen am 6. Januar die drei Weisen aus dem Morgenland im Zentrum, deren Gebeine in dem größten und künstlerisch anspruchsvollsten Goldschrein des Mittelalters ruhen, der der Nachwelt erhalten ist und den der Goldschmied Nikolaus von Verdun zwischen 1190 und 1225 als überaus kostbares Gefäß für die Reliquienverehrung in Köln geschaffen haben soll. Schließlich lässt sich nirgendwo sonst authentischer dieses kirchliche Hochfest zelebrieren. Denn hier befindet sich – unbestritten – das Original.

Rainer Maria Kardinal Woelki

"Denen, die an der Quelle sitzen, fehlt der Zugang. Die Botschaft zündet nicht. Ihr Herz bleibt kalt. Der Stern bringt sie nicht in Bewegung."

Auch in seiner Predigt hatte Kardinal Woelki die drei Weisen aus dem Morgenland in den Mittelpunkt gerückt und dazu aufgerufen, sich selbst auf den Weg der Sterndeuter zu machen. "Denn wenn wir als Christen Menschen überzeugen wollen, dass Gott die Gleichgültigkeit der Welt an der Wurzel gepackt hat, wenn wir das Interesse Gottes an den Menschen bekunden wollen, das die Menschen damals aufatmen ließ, bewegte und mit Freude erfüllte – dann müssen wir selbst noch einmal nach Bethlehem gehen", so der Erzbischof wörtlich. Dieser Weg aber, der Weg des Glaubens, sei lang und bedeute ständigen Aufbruch: ins Verborgene, Unabsehbare, Unverfügbare.

Pontifikalamt am Hochfest Erscheinung des Herrn / © Beatrice Tomasetti (DR)
Pontifikalamt am Hochfest Erscheinung des Herrn / © Beatrice Tomasetti ( DR )

"Insgeheim scheuen wir davor zurück. Wir reden lieber über Gott oder von Gott, statt uns an Gott heranzuwagen." Um Christus wirklich zu finden, reiche es nicht, nur vor die Tür zu treten. "Wir müssen das Kamel satteln, uns in Marsch setzen und uns dabei selber mitnehmen, nicht nur unser Gepäck", unterstrich er mit Nachdruck. "Wir haben dabei nichts in der Hand als das Vertrauen, dass er sich finden lässt." Das allerdings sei anstrengend und lasse den Aufbruch so mühsam erscheinen. Dabei hätten damals auch die Männer aus einem fernen Land nicht aufgegeben und seien einem Stern gefolgt, bis sie ans Ziel ihrer Suche gelangt seien. Anders als die Führungsschicht in Jerusalem, die Schriftgelehrten, die das mit dem Stern verbundene Geheimnis nicht erkannt hätten. "Denen, die an der Quelle sitzen, fehlt der Zugang. Die Botschaft zündet nicht. Ihr Herz bleibt kalt. Der Stern bringt sie nicht in Bewegung."

Sich auf Glaubensweg der Kirche einsam und unverstanden fühlen

Ein solches Gefühl der Gleichgültigkeit beschleiche auch heute noch viele Menschen, so Woelki weiter. "Ich denke an die Verantwortlichen für den Krieg in der Ukraine. Aber auch das tägliche Einerlei, es macht müde." In Bethlehem habe sich Gott der Gleichgültigkeit, ja dem Hass der Menschen ausgesetzt. "Er hat dort begonnen, sich in unbegreiflicher Liebe preiszugeben. Er hat es getan, weil ihn seine Liebe zu allen Menschen bewegte. Er hat es getan, um die Menschheit in ihrer inneren Gleichgültigkeit zu bewegen. Und das Evangelium sagt uns: Wenn wir uns – wie Gott – bewegen lassen, beginnen wir die Gleichgültigkeit der Welt aufzuheben."

Dieser Glaubensweg sei auch in der Kirche ein langer Weg, auf dem man sich einsam und unverstanden fühlen könne, "obwohl man ihn gemeinsam in der Kirche gehen will. Es kann sein, dass wir nicht mehr weiterwissen und Ratgeber suchen. Es kann sein, dass wir an solche geraten, die selber keine Auskunft zu geben wissen. Dann stehen wir da wie die drei Weisen vor den Schriftgelehrten in Jerusalem. Vielleicht hören wir auch: Wir müssen zuerst eine Sitzung einberufen oder: Zuerst muss dieses oder jenes geklärt werden, bevor wir weitergehen können. Auch das ein Stück Erfahrung der Gleichgültigkeit der Welt und der Menschen."

Rainer Maria Kardinal Woelki

"Haben wir den Mut, weiter zu gehen! Wer sich von Christus bewegen lässt, sucht nicht umsonst."

Woelki ermutigte, sich dennoch nicht beirren zu lassen. "Jeder von uns ist persönlich zu Christus gerufen. Haben wir den Mut, weiter zu gehen! Wer sich von Christus bewegen lässt, sucht nicht umsonst. Und wenn wir ihn erblicken, dann wollen wir vor ihm niederknien und ihm unsere Gaben bringen: nicht irgendetwas, sondern uns selbst." Noch einmal appellierte der Erzbischof an seine Zuhörer, nicht gleichgültig zu bleiben gegenüber anderen, auch Böswilligen und Abweisenden gegenüber nicht, sondern mit einem liebenden Blick auf den Nächsten zu schauen. Nur so beginne die Liebe Christi über Bethlehem hinaus in der Welt zu erscheinen.

Pontifikalamt am Hochfest Erscheinung des Herrn / © Beatrice Tomasetti (DR)
Pontifikalamt am Hochfest Erscheinung des Herrn / © Beatrice Tomasetti ( DR )

"Gottes Stern leuchte uns…" sangen am Ende noch einmal alle im Dom versammelten Gläubigen, bevor sie – wie sonst nur zur traditionellen Dreikönigswallfahrt üblich – zu tausenden in langer Prozession unter dem Dreikönigenschrein herzogen. Dabei fehlten auch die Sternsinger nicht, denen Woelki zuvor für ihren Einsatz gedankt hatte und die im Anschluss noch lange durch die Straßen der Innenstadt zogen. Denn von dem Licht des Morgensterns Christus, von seinem Segen wollten sie auch denen etwas bringen, die an diesem großen Bistumsfest nicht ans Grab der Heiligen Drei Könige gekommen waren.

Die Heiligen Drei Könige in Köln

Die Gebeine der "Heiligen Drei Könige" werden im Kölner Dom aufbewahrt. Die im Matthäusevangelium "Magier aus dem Osten" genannten Männer hatten als erste den neugeborenen Jesus als Sohn Gottes angebetet. Ihre sterblichen Überreste wurden am 23. Juli 1164 vom Kölner Erzbischof Rainald von Dassel als Kriegsbeute aus dem eroberten Mailand an den Rhein gebracht. Letztlich entstand ihnen zu Ehren der gotische Dom.

Die Anbetungsszene mit den Heiligen Drei Königen auf der Stirnseite des Schreins. / © Beatrice Tomasetti (DR)
Die Anbetungsszene mit den Heiligen Drei Königen auf der Stirnseite des Schreins. / © Beatrice Tomasetti ( DR )
Quelle:
DR