Politikerin Akgün zur Freilassung von Akhanli

"Es war klar, dass seine Festnahme politische Gründe hat"

Es ist amtlich: Dogan Akhanli darf nach Deutschland ausreisen. Warum willkürliche Festnahmen und absurde Urteile durch die Türkei möglich sind – darüber spricht die türkischstämmige Politikerin Lale Akgün mit domradio.de.

Mann in Handschellen / © Uli Deck (dpa)
Mann in Handschellen / © Uli Deck ( dpa )

domradio.de: Große Erleichterung - kam die Entscheidung Spaniens Dogan Akhanli nicht an die Türkei auszuliefern eher überraschend oder war es abzusehen?

Lale Akgün ((türkischstämmige SPD-Politikerin): Ich glaube, das war abzusehen, denn es war klar, dass seine Festnahme politische Gründe hatte. Akhanli konnte nicht das nachgewiesen werden, was ihm vorgeworfen wurde. Die Vorwürfe wurden ja immer schlimmer: Überfall und Vergewaltigung... Ich glaube, Spanien hat das auch erkannt und deshalb diesem Auslieferungsversuch nicht stattgegeben. Hinzu kommt, dass er per Interpol gesucht wurde; Interpol darf jedoch nicht eingreifen, wenn es um politische Dinge geht. Deswegen hat die Türkei ihn mit anderen Straftaten suchen lassen.

domradio.de: Seit August wurde Akhanli in Spanien festgehalten - warum hat das solange gedauert?

Akgün: Das hat solange gedauert, weil die Türkei erst einmal gesagt hat, dass er nur festgehalten werden soll. Üblicherweise hält das Land, in dem sich eine mit einer "Red Notice" (Anm. d. Red.: Aufruf zur Verhandlung und Verhaftung) gesuchte Person aufhält, diese fest. Als Akhanli in Spanien festsaß, musste die Türkei nachliefern, weshalb er gesucht wird. In der Zwischenzeit liefen bereits Gespräche mit Spanien - auch auf politischer Ebene von Deutschland aus - die klarmachten, dass Akhanli ein politischer Schriftsteller ist und eben seit langer Zeit mit solchen Einschränkungen durch die Türkei zu rechnen hat.

Er saß ja auch 2010 in der Türkei im Gefängnis, wurde freigesprochen; dann wurde der Freispruch wieder aufgehoben. All' das musste auf formaler Ebene zwischen Spanien und der Türkei ausgehandelt werden. Ganz ehrlich, ich hatte nie Zweifel daran, dass er freikommen würde, denn er ist ja unschuldig und freigesprochen worden!

domradio.de: Ist er denn jetzt sicher oder kann ihn der lange, willkürliche Arm Erdogans ein nächstes Mal erwischen?

Akgün: Nun, das ist natürlich die große Frage. Von Deutschland aus kann er nicht mehr verhaftet werden, das ist klar. Aber wenn die Türkei ihn weiterhin mit so fürchterlichen Vorgaben suchen lässt, und er sich in einem Land aufhält, das nicht wissen, dass er ein poitisch denkender Kopf ist, dann kann es durchaus passieren, dass er wieder festgehalten wird. Das heißt, Akhanli muss sich vor jedem Urlaub erst einmal erkundigen, ob irgendetwas gegen ihn vorliegt und er wieder von Interpol gesucht wird.

domradio.de: Thema Willkür - In dieser Woche wurde ein Strafmaß von 15 Jahren für den inhaftierten Menschenrechtler Peter Steudtner und weitere zehn Inhaftierte gefordert. Für wie wahrscheinlich halten Sie es, dass so ein Urteil tatsächlich gefällt werden könnte - vor allem bei dieser Beweislage?

Akgün: Das ist eine sehr schwierige Frage. Sehen Sie, zunächst kann die Türkei nach der neuesten Gesetzlage Steudtner sieben Jahre festhalten, ohne eine Anklageschrift zu servieren. Ich traue solchen diktatorischen Regimen zu, dass sie alles mögliche veranstalten können. Auf der anderen Seite kann es sein, dass - wenn der Wind sich dreht und Erdogan sich in einer schwierigen Lage befindet - er auf einmal Menschen freilässt, weil er sich davon eine bessere wirtschaftliche Zusammenarbeit verspricht. Ich verfolge das ja sehr genau: Der Türkei geht es wirtschaftlich gar nicht mehr gut, auch wenn das Gegenteil behauptet wird.

Das ist das Schlimme am Regime Erdogan: Das Regime ist unberechenbar. Sie können nicht voraussagen, was passieren wird. Die Anklagen sind hanebüchen; das was passiert, ist nicht rechtsstaatlich. Solange Sie eben nicht diese Sicherheit haben, warum jemand angeklagt wurde und was er zu erwarten hat, kann alles passeiren. Erdogan hat jeletzt in Bezug auf den deutschen Journalisten Deniz Yücel, gesagt:"Solange ich Präsident bin, kommt der Mann nicht frei." Wer so etwas sagt, hat die Rechtsstaatlichkeit schon längst aufgehoben.

Das Gespräch führte Carsten Döpp.


Lale Akgün / © Daniel Reinhardt (dpa)
Lale Akgün / © Daniel Reinhardt ( dpa )
Quelle:
DR
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