Politiker aller Parteien fordern rasche Aufklärung

Libyen-Affäre erreicht Bundestag

Die umstrittene und nicht genehmigte Ausbildung libyscher Sicherheitskräfte durch deutsche Polizisten soll ein Tauschgeschäft zwischen Deutschland und Libyen gewesen sein – und zwar mit allerhöchster Billigung in Berlin. Über den Deal hätten der damalige Kanzler Gerhard Schröder und Libyens Staatschef Muammar al-Gaddafi im Jahr 2004 gesprochen – das zumindest berichtete gestern die Bild am Sonntag. Nun beschäftigt die Affäre den Bundestag.

 (DR)

Oppositionspolitiker zweifeln Aussagen des Bundesnachrichtendienstes an, von der Aktion keine Kennntnis gehabt zu haben. "Es würde nicht für die Effizienz und Leistungsfähigkeit des Dienstes sprechen, wenn dem BND die Aktivitäten der deutschen Polizisten in Libyen verborgen geblieben wären", sagte Wolfgang Neskovic (Linke) der "Berliner Zeitung". Zudem könne er sich nur schwer vorstellen, dass eine sicherheitspolitisch so heikle Kooperation hinter dem Rücken des BND abläuft. "Warum soll der von Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) als Kanzleramtschef geschaffene Informationsverbund der Sicherheitsbehörden ausgerechnet in diesem Fall versagt haben?", fragte Neskovic.

Auch der Grünen-Politiker Christian Ströbele kann sich nicht vorstellen, dass dem BND die deutsche Ausbildungshilfe verborgen geblieben sein soll. "Was wäre das denn sonst für ein Geheimdienst", sagte Ströbele der Zeitung. "Wenn der BND aber Bescheid wusste, dann müssen wir nachfragen, ob und wann die Bundesregierung darüber in Kenntnis gesetzt worden ist." Unabhängig von der Aufklärung müsse der Vorgang auch noch einmal zum Anlass genommen werden, Kooperationen im Sicherheitsbereich mit solchen Staaten zu überprüfen, die politisch Andersdenkende im eigenen Land verfolgen, mahnte Ströbele.  

Auswärtiges Amt
Nach Angaben des ehemaligen Staatsministers im Auswärtigen Amt, Ludger Volmer (Grüne), wurden im Zusammenhang mit der Befreiung der auf Jolo festgehaltenen deutschen Geiseln von Libyen ihm gegenüber nie Wünsche nach einer deutschen Ausbildungshilfe geäußert. Der Grünen-Politiker war von 1998 bis 2002 Staatsminister und bemühte sich unter anderem intensiv um eine Normalisierung der Beziehungen Libyens zum Westen.

Der Sprecher des Außenministeriums, Martin Jäger, sagte am Sonntag in Berlin: "Die Nachprüfungen des Auswärtigen Amts haben ergeben, dass die deutsche Botschaft Tripolis die Aktivitäten des in Rede stehenden privaten deutschen Sicherheitsunternehmens und seiner Mitarbeiter in keiner Weise unterstützt hat."

Der Leiter des Unternehmens sei in der Botschaft als Person bekannt gewesen. "Sein Kontakt mit einem Angehörigen des Auswärtigen Amts war jedoch nur flüchtiger Art. Die beiden trafen sich zufällig am Rande eines Sportereignisses. Dabei wurde jedoch verschwiegen, dass in die Arbeit des Unternehmens möglicherweise auch aktive Polizeibeamte oder Soldaten eingebunden waren", dementierte Jäger einen Bericht des "Spiegel". Das Nachrichtenmagazin hatte gemeldet, die deutsche Botschaft in Tripolis sei nach Aussagen eines beteiligten Ausbilders über das Trainingsprogramm informiert gewesen.

Nur ehemalige Beamte beschäftigt?
Nach Angaben des damaligen Geschäftsführers der BDB Protection GmbH, die zwischen Dezember 2005 und Juni 2006 Schulungen libyscher Sicherheitskräfte in Tripolis organisierte, hat sein Unternehmen nur ehemalige Beamte beschäftigt. "Die hatten alle einen Arbeitsvertrag, das war alles legal", sagte der 53-Jährige, der früher als SEK-Beamter in Nordrhein-Westfalen gearbeitet hat. Er habe zwar aktive SEK-Beamte angesprochen, die sich auch vor Ort in Tripolis über das Ausbildungsprogramm informiert hätten, "aber geschult hat von denen niemand".

Der nordrhein-westfälische Innenminister Ingo Wolf (FDP) will nach Presseangaben jetzt die Urlaubsanträge aller nordrhein-westfälischen SEK-Beamten der vergangenen Jahre überprüfen lassen. Man wolle feststellen, ob es auffallend lange Urlaube gegeben habe und die betreffenden Beamten dann nach dem Grund befragen, schreibt das Bielefelder "Westfalen-Blatt" (Montagausgabe) unter Berufung auf Ministeriumskreise. Bei den Spezialeinheiten in NRW sind annähernd 700 Beamte beschäftigt. Gegen acht Beamte wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.

Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Düsseldorf in der Affäre um ungenehmigte Polizeischulungen in Libyen gehen nach Angaben des früheren BDB-Geschäftsführers auf die Anzeige eines Ex-Polizisten zurück, der den Anforderungen in Tripolis nicht gewachsen gewesen sein soll.