Politik und Medizin werben am "Tag der Organspende"

Weltmeister Spanien

Wenn es um Kreditwürdigkeit geht, steht Spanien derzeit in der Arme-Sünder-Ecke. Für viele Mediziner allerdings hat das iberische Königreich seit Jahren einen guten Klang. Denn bei Organspenden ist Spanien Europa- und sogar Weltmeister.

 (DR)

Mit 34,2 Spendern pro eine Million Einwohnern belegt das Land einen viel gelobten Spitzenplatz, während Deutschland mit 14,9 Spendern nicht mal die Hälfte dieses Wertes erreicht.

Von Spanien wird deshalb auch viel die Rede sein, wenn am Samstag wieder der bundesweite "Tag der Organspende" begangen wird. Unter dem Motto "Richtig. Wichtig. Lebenswichtig!" findet die zentrale Veranstaltung diesmal in Hannover statt. "Es gibt viel zu wenig Organspender, dabei können wir das alle gemeinsam leicht ändern, indem wir einfach einen Spenderausweis ausfüllen", appelliert Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) an die Bundesbürger. Der Mediziner weiß, wie bedrückend es für viele Patienten ist, nicht zu wissen, ob sie noch rechtzeitig ein neues Organ bekommen.

Auch die neue niedersächsische Gesundheitsministerin Aygül Özkan (CDU) wirbt in einer Videobotschaft für mehr Organspender. Sie verweist darauf, dass in Deutschland rund 12.000 Menschen auf ein Organ warten, die meisten davon auf eine Spenderniere. Jeden Tag sterben drei Menschen auf der Warteliste, weil sich kein geeignetes Organ für sie fand.

Fruchtlose Appelle
Bislang sind solche Appelle von Medizin und Politik eher fruchtlos geblieben. Die Zahl der Spender stagniert seit Jahren: 2009 beispielsweise spendeten bundesweit 1.217 Menschen nach ihrem Tod ihre Organe. Das waren 19 mehr als im Vorjahr. Gleichzeitig ging die Anzahl der gespendeten Organe um 48 zurück, so dass für die Patienten auf der Warteliste aus Deutschland 3.897 Organe zur Verfügung gestellt werden konnten.

Mit einem unerwarteten Beschluss reagierte der Deutsche Ärztetag in Dresden Mitte Mai auf diese unbefriedigende Situation. Überraschend forderte eine Mehrheit des Ärzteparlaments - auch unter Verweis auf Spanien - die Einführung einer Widerspruchslösung, um die Zahl der Spenden zu erhöhen. Das würde bedeuten, dass jeder Bürger als potenzieller Spender gilt, der nicht ausdrücklich widersprochen hat. Derzeit gilt in Deutschland eine "erweiterte Zustimmungslösung". Dabei dürfen Organe nur entnommen werden, wenn der Betroffene vorab ausdrücklich zugestimmt hat oder die Angehörigen Ja zu einer Entnahme sagen.

Jeden Todesfall in einer Klinik hinterfragen?
Die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO), die in Deutschland für die Koordination der Organspende zuständig ist, ist über den Ärztetag-Beschluss gar nicht glücklich. Diese Lösung gefährde "das Ziel der Vollversorgung mit Organen", schimpft der medizinische Vorstand der Stiftung, Günter Kirste: Die Menschen wollten sich diese höchst private Entscheidung nicht wegnehmen lassen.

Experten verweisen zudem darauf, dass die Widerspruchslösung auch in Spanien de facto nicht angewendet und vor einer möglichen Transplantation immer die Zustimmung der Angehörigen eingeholt wird. Ursache für die positiven Zahlen in Spanien ist auch nach Ansicht der DSO etwas anderes: Dort genießt die Organspende ein hohes Ansehen. Das veranlasste die Politik, viele Ärzte speziell für Transplantationen zu schulen und ein dichtes Netz von Koordinatoren in den Hospitälern aufzubauen.

Genau an dieser Stelle will auch die DSO in Deutschland ansetzen. Im Magazin "Focus" forderte Kriste deshalb weitreichende Befugnisse der Stiftung in den Kliniken. "Die Zuständigkeit für die Organspende muss komplett an die DSO übertragen werden. Und sie muss die Kompetenz erhalten, jeden Todesfall in einer Klinik hinterfragen zu können", sagte er.

Christoph Arens (KNA)