Politik und Kirche bekunden tiefe Solidarität mit Israel

"Wir flehen und beten mit euch"

Ein breites Bündnis aus Parteien, Kirchen und dem Zentralrat der Juden hat zu einer Solidaritätskundgebung für Israel in Berlin aufgerufen. Dabei betonte Hauptredner Frank-Walter Steinmeier, Deutschland stehe fest an Israels Seite.

Demonstration gegen Antisemitismus in Berlin 
 / © Monika Skolimowska (dpa)
Demonstration gegen Antisemitismus in Berlin / © Monika Skolimowska ( dpa )

"Seit dem 7. Oktober ist nichts mehr wie es war", sagte Bundespräsident Frank-Walter am Sonntag in Berlin bei einer Solidaritätskundgebung am Brandenburger Tor. Noch nie seit dem Ende der Schoah seien durch einen Angriff so viele Jüdinnen und Juden ermordet worden.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier spricht bei der Kundgebung für Israel in Berlin / © Monika Skolimowska (dpa)
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier spricht bei der Kundgebung für Israel in Berlin / © Monika Skolimowska ( dpa )

Israel habe das Recht, sich gegen diesen Terror zu verteidigen. "Und Deutschland steht dabei fest an Israels Seite", so der Bundespräsident. "Wir flehen und beten mit euch!"

Zugleich betonte der Bundespräsident, dass der Terror auch Menschen im Gazastreifen treffe, "deren Interessen die Hamas nur vorgibt zu vertreten". Es seien die Terroristen, die Gaza in einen zerstörerischen, militärischen Krieg geführt hätten. "Wir müssen und werden uns für den Schutz von Zivilisten einsetzen; sie brauchen humanitäre Hilfe und humanitäre Korridore. Das ist ein Gebot der Menschlichkeit", betonte Steinmeier.

Die Solidaritätskundgebung steht unter dem Motto "Aufstehen gegen Terror, Hass und Antisemitismus - in Solidarität und Mitgefühl mit Israel". Sie wurde von einem breiten Bündnis aus Politik, Kirchen und Verbänden organisiert. Laut Angaben der Veranstalter kamen 25.000 Menschen.

"Jeder Angriff ist Schande für Deutschland"

Weiter erklärte er, auch Deutschland sei gefordert wie lange nicht. "Es ist unerträglich, dass Jüdinnen und Juden heute wieder in Angst leben - ausgerechnet in diesem Land." Jüdische Eltern könnten ihre Kinder nicht mehr in die Schule schicken und das Holocaust-Mahnmal müsse von der Polizei geschützt werden.

Zahlreiche Menschen nehmen an einer Kundgebung für Israel vor dem Brandenburger Tor teil / © Monika Skolimowska (dpa)
Zahlreiche Menschen nehmen an einer Kundgebung für Israel vor dem Brandenburger Tor teil / © Monika Skolimowska ( dpa )

"Jeder einzelne Angriff auf Jüdinnen und Juden, auf jüdische Einrichtungen ist eine Schande für Deutschland! Jeder einzelne Angriff erfüllt mich mit Scham und Zorn", so Steinmeier. Er rief dazu auf, Antisemitismus nicht zu dulden - "keinen rechten, keinen linken, keinen alten und keinen neuen. Und wir dürfen keinen Israel-Hass, der sich auf unseren Straßen entlädt, dulden. Von niemandem."

Die Demokratie unterscheide nicht nach Herkunft, Erfahrung und Religion. Der Bundespräsident forderte, dass jeder, der in Deutschland lebe, Auschwitz kennen und die Verantwortung begreifen müsse, die daraus erwachse.

Volker Beck eröffnete Kundgebung

Der Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, Volker Beck, hatte zuvor die Kundgebung eröffnet. "Wir wollen Israel und den Menschen unsere Solidarität zeigen", so Beck in seiner Rede. Anders als die Hamas tue Israel alles, um die Zahl ziviler Opfer zu minimieren.

Volker Beck / © Bernd von Jutrczenka (dpa)
Volker Beck / © Bernd von Jutrczenka ( dpa )

Er verurteilte zudem eine dramatische Zunahme antisemitischer Vorfälle in Deutschland. Markierungen von Häusern mit dem Davidstern und der Überfall auf Synagogen hätten nichts mit Unterstützung der Palästinenser zu tun. Das sei "blanker Antisemitismus".

Zugleich wandte sich Beck gegen eine pauschale Islamkritik, schränkte jedoch ein, dass die großen islamischen Verbände ihrer Aufgabe in den vergangenen Tagen nicht gerecht geworden seien. Sie hätten zunächst nichts und dann zu wenig gesagt.

Bischof Gerber und die EKD-Ratsvorsitzende Kurschus betonen kirchliche Verantwortung

Der Fuldaer Bischof Michael Gerber betonte, "als Christen in Deutschland stehen wir hier in doppelter Verantwortung. Zum einen als Bürger eines Landes, das vor wenigen Jahrzehnten unermessliches Leid und millionenfachen Tod über die Juden gebracht hat. Zum anderen, weil wir wissen, dass der Antisemitismus auch in einer Schuldgeschichte des Christentums wurzelt."

Mit Scham blickten die Christen darauf zurück, dass die Juden in der Zeit des Nationalsozialismus viel zu wenige Helfer und Unterstützer gefunden hätten. Gerade deshalb gelte es heute, an der Seite der Juden zu stehen, "wenn sie in Israel brutal attackiert werden und erschreckenderweise auch bei uns erneut in Bedrängung geraten".

Ähnlich äußerte sich die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus. Antisemitismus komme "aus unserer christlichen Geschichte, und er keime in unserer Mitte". Sie betonte: "Antisemiten sind auch unter unseren Kirchenmitgliedern. Das ist weder schicksalhaft noch gottgegeben." Sie räumte ein, die Kirche habe Antisemitismus lange nicht ernst genug genommen. "Wir werden weiter dagegen arbeiten. Unbedingt."

"Solidarität mit Israel zeigen"

Saskia Esken / © Michael Kappeler (dpa)
Saskia Esken / © Michael Kappeler ( dpa )

Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken sagte dem "Tagesspiegel" (Sonntag): "Wir stehen heute hier, um unsere Solidarität mit Israel zu zeigen und deutlich zu machen, dass Antisemitismus keinen Platz in unserer offenen, vielfältigen und freien Gesellschaft haben darf."

Wer Hass und Hetze gegen einen Teil unserer Gesellschaft predige, "muss mit dem Widerstand von uns allen rechnen".

SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert sagte: "Ich appelliere an alle: Kommen Sie zur Kundgebung und hören Sie die Angehörigen der entführten deutschen Staatsbürger an. Sie kämpfen mit übermenschlichen Kräften für ihre Liebsten und wir sollten an ihrer Seite sein."

Carsten Linnemann, Vorsitzender der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung (MIT) der CDU/CSU / © Michael Kappeler (dpa)
Carsten Linnemann, Vorsitzender der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung (MIT) der CDU/CSU / © Michael Kappeler ( dpa )

"An der Seite der Jüdinnen und Juden"

CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann erklärte: "Dieses breite Bündnis ist ein deutliches Zeichen, wo die deutsche Politik und die überwältigende Mehrheit der Gesellschaft stehen - an der Seite Israels und an der Seite der Jüdinnen und Juden in Deutschland.

Jetzt ist die Bewährungsprobe, dass es uns mit 'Nie wieder' ernst ist. Dass Jüdinnen und Juden heute in Deutschland wieder in Angst leben, ist unerträglich.

Omid Nouripour, Co-Vorsitzender der Grünen, sagte: "Nach dem grausamen Terror der Hamas stehen wir gemeinsam und solidarisch an der Seite Israels und aller Jüdinnen und Juden. Das zeigt auch die heutige Kundgebung mit einem breiten demokratischen Bündnis über Partei- und Konfessionsgrenzen hinweg."

Historische Verantwortung

FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai betonte, Deutschland habe eine historische Verantwortung, sich für den Schutz jüdischen Lebens einzusetzen. "Es ist von größter Bedeutung, dass wir als Gesellschaft am Sonntag ein klares Zeichen der Solidarität mit Jüdinnen und Juden und unserem Wertepartner Israel setzen."

Martin Schirdewan, Co-Vorsitzender Die Linke, sagte dem "Tagesspiegel": "Antisemitismus ist nicht nur eine tödliche Gefahr für Jüdinnen und Juden, er ist auch ein Angriff auf die demokratische und aufgeklärte Gesellschaft als Ganzes. Es ist daher entscheidend, dass wir ihm auch als gesamte Gesellschaft entgegentreten."

Antisemitismus in Deutschland

Antisemitische und antiisraelische Straftaten nehmen in Deutschland wieder zu. Den Angaben der Bundesregierung zufolge wurden unter anderem 434 Fälle von Volksverhetzung, 15 Gewaltdelikte sowie 70 Fälle, die Sachbeschädigung betreffen, gezählt. Weitere Delikte betreffen etwa die Störung der Totenruhe oder Nötigung. Mehr als 90 Prozent der Straftaten wurden von deutschen Staatsangehörigen verübt. Von einer deutlich höheren Dunkelziffer ist auszugehen. 312 von 339 Tatverdächtigen waren Deutsche.

Kundgebung gegen Antisemitismus in Berlin / © Markus Nowak (KNA)
Kundgebung gegen Antisemitismus in Berlin / © Markus Nowak ( KNA )
Quelle:
epd , KNA