Polens Bischöfe nehmen vor der Präsidentenwahl nicht Partei

Das Schweigen der Hirten

Kein Hirtenbrief, kein Aufruf, wählen zu gehen: Polens katholische Bischöfe gaben sich zur Präsidentenwahl am Sonntag überraschend schweigsam. Die Devise: keine Parteinahme für irgendeinen Kandidaten. Selbst der umstrittene Kirchensender "Radio Maryja" beherzigt dies.

Autor/in:
Oliver Hinz
 (DR)

Auf eine Wahlempfehlung wie noch bei der Präsidentenwahl 2005 verzichtete die Radiostation. Ungewohnt geheimnisvoll äußerte sich freilich der "Radio Maryja"-Chef Pater Tadeusz am Donnerstag auf der Titelseite seiner Tageszeitung "Nasz Dziennik". Er werde für denjenigen stimmen, "der bereits bewiesen hat, wie wichtig er für Polen ist". Mehr verriet der Ordensmann nicht. Er fügte nur den Appell hinzu: "Lassen wir uns von den großen Parolen nicht täuschen." So bleibt es ein Rätsel, ob Rydzyk bei seinem langjährigen Favoriten Jaroslaw Kaczynski oder beim ultrakonservativen und äußerst kirchennahen Marek Jurek das Kreuz macht.

Vor fünf Jahren erwarb sich der vielgehörte Sender noch den Ruf des Königsmachers. Mit massiver Wahlwerbung trug er viel zum Doppelsieg der Kaczynski-Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) bei den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen bei. Später fädelte Rydzyk sogar das Regierungsbündnis der PiS mit der populistischen Selbstverteidigungspartei und der rechtsextremen Liga der Polnischen Familien (LPR) ein.

Da kommt es einer Sensation gleich, dass sich die "Radio Maryja"-Zeitung "Nasz Dziennik" vor einigen Tagen tief enttäuscht auf der Titelseite beschwerte, dass Kaczynski dem Blatt kein Interview geben wollte. Aus Protest druckte die Zeitung die unbeantworteten Fragen. Zum Bruch mit dem PiS-Vorsitzenden kam es trotzdem nicht. Selbst in dem kritischen Text wird Kaczynski als "unser Kandidat" tituliert. Und Kaczynski versicherte, er setze bei der Wahl auf die Hörer des Senders.

Neutrale Bischöfe
Ganz neutral verhielten sich hingegen die Bischöfe im Wahlkampf. Der Lubliner Erzbischof Jozef Zycinski brachte es auf den Punkt: "Wir wissen nicht, welcher Kandidat Gott mehr gefällt." Und sein Warschauer Amtsbruder Kazimierz Nycz sagte nur allgemein, Polen brauche einen Präsidenten, der die Einheit des Landes stärke und für die Nation eine "Botschaft des Guten" parat habe. Der neue polnische Primas Erzbischof Jozef Kowalczyk betonte mehrfach, es sei nicht Aufgabe von Geistlichen, sich in den Wahlkampf einzumischen.

Dieses Tabu brachen allerdings fünf Dozenten der Päpstlichen Johannes-Paul-II.-Universität in Krakau, allesamt Priester. Sie unterschrieben einen Wahlaufruf für Kaczynski. "Ich bin als Bürger berechtigt, meine Meinung zu sagen", rechtfertigte sich Professor Krzysztof Koscielniak. Die Leitung der Hochschule und der Pressesprecher des Krakauer Kardinals Stanislaw Dziwisz distanzierten sich jedoch sofort von den Dozenten.

Es ist der erste wichtige Urnengang, bei dem Polens Bischofskonferenz auf einen Hirtenbrief verzichtet. Ihre große Stunde schlug stattdessen bereits nach dem tragischen Tod von Staatspräsident Lech Kaczynski. Damals spendeten die Bischöfe dem Land Trost und versuchten, dem Absturz der Präsidentenmaschine im russischen Smolensk einen Sinn zu geben. Dziwisz sprach von einem "Heldentod", weil Kaczynski auf dem Weg nach Katyn starb, wo er die 1940 vom sowjetischen Geheimdienst hingerichteten 22.000 polnischen Kriegsgefangenen ehren wollte. Umfragen zufolge empfand es aber die Mehrheit der Polen als überzogen, dass Kaczynski auf Geheiß Dziwiszs in der Krypta der Krakauer Wawel-Kathedrale, dem Nationalheiligtum, beigesetzt wurde. Selbst der frühere Primas Kardinal Jozef Glemp erklärte, er habe zunächst nichts von dieser Idee gehalten. Inzwischen trage er diese Entscheidung jedoch mit.

Mit ihrer Zurückhaltung im Wahlkampf entspricht die Kirche der Stimmung im Land. Eine große Mehrheit wünscht sich laut Studien, dass sich die Geistlichkeit aus der Parteipolitik heraushält. Allerdings scheinen sie nicht allen Bürgern so ganz abstinent zu sein. Immerhin 31 Prozent der praktizierenden Katholiken meinten vor Jahresfrist in einer Umfrage des kirchlichen Statistikinstituts, die Bischöfe mischten sich nach wie vor in die Politik ein. Ein Grund mehr vielleicht für das Schweigen der Hirten vor dem Wahlsonntag.