Polen ratifiziert EU-Vertrag - "Radio Maryja" droht Kaczynskis

Johannes Paul II. zuliebe

Das wochenlange Gezerre um den EU-Reformvertrag in Polen ist vorbei. Einen Tag nach dem Sejm stimmte am Mittwoch auch die zweite Parlamentskammer, der Senat, mit großer Mehrheit für die Ratifizierung des Lissaboner Vertrags. Das Ende des heftigen Streits kam damit rechtzeitig zu den landesweiten Gedenkfeiern am dritten Todestag von Papst Johannes Paul II.

Autor/in:
Oliver Hinz
 (DR)

Für Ministerpräsident Donald Tusk ein gutes Omen. «Es ist gut, dass die Entscheidung über den Vertrag an einem solch feierlichen Tag getroffen wird», sagte er in seiner Ansprache vor den Senatoren. Mit Zitaten des Papstes aus Polen hatte Tusk im Sejm für die Annahme des EU-Vertrags geworben - ebenso wie Staatspräsident Lech Kaczynski. Das gemeinsame Argument: Johannes Paul II. sei immer für Polens Integration in Europa gewesen.

Trotzdem führen der nationalkonservative Kirchensender «Radio Maryja» und dessen Tageszeitung «Nasz Dziennik» weiter eine Kampagne gegen die Ratifizierung des Vertrags. Sie werten sie als Kapitulation vor der EU und als Aufgabe der polnischen Souveränität. Besonders übel nehmen sie dem Staatspräsidenten und dessen Zwillingsbruder und Oppositionsführer Jaroslaw Kaczynski ihre Kehrtwende. Mitte März hatten sie das Regierungsgesetz für die Ratifizierung noch vehement abgelehnt und somit blockiert.

Nun droht «Radio Maryja»-Chef Pater Tadeusz Rydzyk, mit den Kaczynskis zu brechen. Sein Sender mit einer Million Stammhörern war ein Königsmacher der Zwillinge. 2005 trug er maßgeblich zu deren Erfolgen bei den Präsidenten- und Parlamentswahlen bei. Doch schon länger knirscht es zwischen ihnen. Dabei setzt Jaroslaw Kaczynski offenbar weiter auf Rydzyk. Am Montag kam er extra zu ihm nach Torun (Thorn), um seine neue Position zum EU-Reformvertrag zu erläutern.

Rydzyk freilich wettert weiter gegen das Dokument. Es kämen in Polen wieder Wahlen, auch wenn Polen dann nur eine Woiwodschaft (Provinz) der EU sein werde, sagte er auf seinem Sender. Die Hörer sollten sich genau merken, wer das Land verraten habe.

Im Streit um den EU-Vertrag geht es vor allem um die Grundrechte-Charta und das Stimmengewicht Polens in der EU. Der jetzige Kompromiss zwischen Tusk und Präsident Lech Kaczynski sieht vor, dass Polen auch in Zukunft auf einer Ausnahmeklausel zur Charta und einer Regel bei EU-Abstimmungen besteht.

Kaczynski hatte in einer TV-Ansprache gewarnt, Polen drohe bei einem Beitritt zur Charta die Anerkennung von «Homo-Ehen» sowie die Rückgabe polnischen Eigentums an deutsche Vertriebene. In der Charta fehle zudem die Definition, dass eine Ehe nur zwischen einem Mann und einer Frau eingegangen werden dürfe. Die EU kann nun erst mal aufatmen: Ein gordischer Knoten ist zerschlagen - allerdings auf Kosten der Grundrechte-Charta.