Polen: Radio-Maryja-Chef muss mit Sanktionen seines Ordens rechnen

Es wird eng für Pater Rydzyk

Entweder Abmahnung oder gar das Aus als Direktor des polnischen "Radio Maryja". Nur noch darum scheint es im Skandal um Senderchef Pater Tadeusz Rydzyk (62) zu gehen. Die Entscheidung liegt in Rom bei Joseph W. Tobin (55), dem Generaloberen des Redemptoristenordens, dem Rydzyk angehört. Tobin hat sich dazu vom Warschauer Nachrichtenmagazin "Wprost" den Mitschnitt einer angeblich antisemitischen Schmährede Rydzyks besorgt. Voraussichtlich in der kommenden Woche wird der US-Amerikaner sein Urteil verkünden.

 (DR)

Mehr als eine Million Hörer lauschen Rydzyks Kirchenprogramm, in dem Priester mit Anrufern gemeinsam beten. Auch politische Kommentare sendet Radio Maryja, die schon mehrmals Stein des Anstoßes waren. Nun wird dem umstrittenen Volkstribun vorgeworfen, Staatspräsident Lech Kaczynski als "Betrüger" und seine Frau als "Hexe" beleidigt zu haben. Die Mehrheit der Polen halten Rydzyk mit der Veröffentlichung der Aufnahmen bereits für überführt. Rydzyk selbst nennt die Beschuldigungen zwar eine Provokation, bestritt aber nicht, sich so geäußert zu haben. Die von Kaczynski geforderte Entschuldigung blieb aus.

Bei der heimlich von Studenten aufgezeichneten Vorlesung in der von ihm gegründeten Journalistenschule im nordpolnischen Torun
(Thorn) hielt der Pater dem Präsidenten demnach vor, dass er "sich der jüdischen Lobby fügt". Kaczynski habe etwa für das geplante Museum zur Geschichte der polnischen Juden ein angeblich sündhaft teures Warschauer Grundstück zur Verfügung gestellt.

Außerdem kritisierte Rydzyk laut "Wprost" scharf die Aufarbeitung des Judenpogroms im nordostpolnischen Jedwabne, bei dem 1941 mehrere hundert Juden ermordet wurden: "Die Jedwabne-Sache diente nur dazu, dass sich die jüdische Gruppe 65 Milliarden Dollar von Polen erschleicht." Auch wegen weiterer Aussagen wird dem Pater Antisemitismus vorgeworfen. So soll er die liberale "Gazeta Wyborcza" beschuldigt haben, einer "talmudischen Ethik" zu huldigen, die nicht polnisch sei.

Die Affäre rief sowohl Gegner als auch Anhänger Rydzyks auf den Plan. Ex-Ministerpräsident Tadeusz Mazowiecki und Ex-Außenminister Wladyslaw Bartoszewski appellierten gemeinsam mit zahlreichen Publizisten und Priestern an die Kirchenführung, gegen Rydzyk vorzugehen. Der Redemptorist habe seine "Verachtung gegenüber seinen Mitmenschen" offenbart und damit Katholiken und Juden gleichermaßen getroffen. Erste Bischöfe wie Tadeusz Pieronek forderten öffentlich die Abberufung Rydzyks als Leiter von Radio Maryja.

Verteidigt wird der Ordensmann unter anderen von Professoren seiner Hochschule. Sie schrieben an Ordensgeneral Tobin: Rydzyks Feinde versuchten, "Radio Maryja zu zerstören - die wichtigste Enklave der Meinungsfreiheit in Polen". Hochschuldozenten dürfe nicht das freie Wort verboten werden.

Die polnischen Bischöfe haben selbst keinen direkten Zugriff auf den Sender, der mit dem Slogan "die katholische Stimme in deinem Haus" wirbt. Die Programmlizenz gehört der Warschauer Provinz der Redemptoristen - und die hat sich bisher immer hinter ihr Ordensmitglied gestellt. Außerdem unterstehen das moderne Sendezentrum in Torun, die Tageszeitung "Nasz Dziennik" (Auflage: 100.000) sowie der kleine Fernsehsender "TV Trwam" nicht dem Orden: Sie sind im Besitz von Stiftungen, die Rydzyk selbst kontrolliert.

Schon im Frühjahr 2006 hatten Warschauer Beobachter damit gerechnet, dass Rydzyk den Chefposten in dem von ihm 1991 gegründeten Sender verlieren würde. Doch wegen des beanstandeten "politischen Engagements von Radio Maryja" verwarnte der Vatikan den Sender nur. Diesmal soll Kardinal-Staatssekretär Tarcisio Bertone mit Staatspräsident Kaczynski telefoniert haben - was jedoch ein Sprecher Kaczynskis nicht bestätigen wollte. Vom Präsidenten selbst hat Rydzyk nicht viel zu befürchten. Dieser und besonders sein Zwillingsbruder, Ministerpräsident Jaroslaw Kaczynski, gehen milde mit dem Senderchef um. Schließlich trug Radio Maryja 2005 maßgeblich zu ihren Wahlerfolgen bei.