Pöttering soll Vorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung werden

Ein überzeugter Europäer

Hans-Gert Pöttering ist ein Rekordhalter. 30 Jahre gehört der Christdemokrat dem Europaparlament an. Kein anderer Abgeordneter teilte mit ihm so lange die Sitzreihen der Parlamentarier in Brüssel und Straßburg. Zusätzlich soll er zum Jahresende von Bernhard Vogel das Amt des Vorsitzenden der Konrad-Adenauer-Stiftung übernehmen. Am Freitag steht die Wahl auf der Tagesordnung der Mitgliederversammlung der CDU-nahen Stiftung. Ein Portrait.

Autor/in:
Christoph Lennert
 (DR)

Höhepunkt in der bisherigen Karriere des Christdemokraten war sicherlich, dass sich sein kaum verhohlener Herzenswunsch erfüllte: Für zweieinhalb Jahre, von Januar 2007 bis Juli 2009, war er Präsident des Europäischen Parlaments. In den Mittelpunkt seiner Amtszeit stellte der Katholik dabei den interkulturellen Dialog. Hochrangige Vertreter führender Weltreligionen sprachen im Europäischen Parlament. Einer freilich fehlte: Trotz mehrfacher, von Pöttering auch persönlich vorgebrachter Einladungen kam es nicht zu einem Besuch von Papst Benedikt XVI. bei den Europaabgeordneten.

An den Schaltstellen des Abgeordnetenhauses wirkte der überzeugte Europäer schon vor seiner Wahl zum Parlaments-Präsidenten. Acht Jahre lang führte der Westfale die christdemokratisch-konservative EVP-Fraktion. Dem mittlerweile weißhaarigen 64-Jährigen gelang es in dieser Zeit, das breite Spektrum an konservativen und christdemokratischen Parteien in einer Fraktion zusammenzuhalten.
Das spricht für seine Gabe der Vermittlung. Im jetzigen Parlament, das im Juni gewählt wurde, ist das nicht mehr der Fall. Die britischen Konservativen scherten aus.

Pöttering, studierter Jurist, wurde 1974 europapolitischer Sprecher der Jungen Union in seinem Herkunftsland Niedersachsen - fünf Jahre später zog er bereits in das Europaparlament ein. Die Wurzeln seines politischen Engagements sah der Politiker immer in der persönlichen
Lebensgeschichte: Seinen Vater, der in den letzten Kriegstagen fiel, lernte der am 15. September 1945 geborene Pöttering nicht mehr kennen. Dem Schrecken des Nationalsozialismus und des Krieges die europäischen Werte entgegenzusetzen - das ist der Grundzug in Pötterings politischem Leben.

Dass er dabei nicht zu den schlagfertigsten und begnadetsten Rednern im Parlamentsplenum zählt, macht Pöttering mit anderen Tugenden
wett: Er gehört immer wieder zu denen, die mit hochrotem Kopf von britischen Euroskeptikern verdrehte Fakten wieder zurechtrückten, er weiß mit westfälischer Präzision Aktenstellen zu zitieren, er hält sich an einmal gegebene Zusagen. Pünktlichkeit, klare Ansagen, Auskünfte, die juristischer Prüfung standhalten können - das sind Eigenschaften, die Pöttering prägen.

Dabei ist der CDU-Politiker stets ein Mann der Gegenwart geblieben.
Kaum etwas vermag ihn so umzutreiben, wie die Probleme, die es just in diesem Moment zu bewältigen gilt. Ein Mann bloßer Visionen ist Pöttering nicht. In einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) sagte er Ende 2008, es gehe darum, «als Politiker, als Mensch, die Gegenwart sinnvoll zu gestalten».

Der Christdemokrat erhielt in seiner Karriere zahlreiche Auszeichnungen, darunter das Großkreuz des Päpstlichen Gregoriusordens. Er wird die Ehrungen genossen haben, denn Pöttering schätzt Symbole. Als die EU-Staats- und Regierungschefs entschieden, aus dem Verfassungsentwurf auf niederländischen Wunsch hin im neuen EU-Vertrag die Fahne, die Hymne und die Devise der Union zu streichen, setzte Pöttering dem für das Europaparlament, das ohnehin immer unter der blauen Flagge mit den zwölf goldenen Sternen tagt, den Kontrapunkt entgegen: Seither ziert das Motto «In Vielfalt geeint» die offiziellen Dokumente, und seither wird die Europahymne bei allen feierlichen Anlässen des Parlaments gespielt.