Piusbrüder klagen gegen Hamburger Theater

"Für uns Christen mehr als verletzend"

Einen echten Theaterskandal gab es in Hamburg schon lange nicht mehr. Doch derzeit erregt ein Stück, das allerdings bislang kaum jemand kennt, die Gemüter vor allem der Piusbrüder, die nun Klage eingereicht haben. Ihr Vorwurf: Bühne Volksverhetzung, Blasphemie, Pornografie. Das Erzbistum indes bleibt gelassen.

Autor/in:
Sabine Kleyboldt
 (DR)

Am Montag (23.01.2012) soll im Rahmen der "Lessingtage 2012" am Hamburger Thalia-Theater in der Gauß-Straße das Gastspiel "Golgota-Picnic" von Rodrigo Garcia auf die Bühne kommen. Ob die Inszenierung des spanisch-argentinischen Autors, Neffe des kolumbianischen Literaturnobelpreisträgers Gabriel Garcia Marquez, allerdings das Zeug zum echten Aufreger hat, ist noch fraglich.



Stein des Anstoßes: "Golgota Picnic", laut Theater-Angaben eine "drastische und auch verstörende" Kritik an der "unfassbar zerstörerisch" agierenden Konsumgesellschaft, spielt mit einer Reihe religiöser Bilder und Symbole. Zwischen einem Schlachtfeld aus Hamburger-Brötchen findet ein letztes Abendmahl statt, ein "Fastfood-Golghata-Babel" (Thalia). Und: Der Gekreuzigte wird von einer Frau im "Nackt-Kostüm" gespielt.



"Eine fast barbusige Frau nimmt eine Kreuzigungspose ein"

Das Theater werde seit Tagen "auf Initiative radikalkonservativ-fundamentalistischer Kreise mit Protestnoten überschwemmt", die der Bühne Volksverhetzung, Blasphemie und Pornografie vorwerfen, heißt es in einer Erklärung der Bühne.  Darunter sind auch Protestbekundungen der erzkonservativen Piusbruderschaft. "Eine fast barbusige Frau nimmt eine Kreuzigungspose ein. Das ist eine bewusste Pervertierung und für uns Christen mehr als verletzend", sagte Pater Andreas Steiner der "Hamburger Morgenpost" bereits im Vorfeld. Außerdem trage die Schauspielerin einen Motorradhelm mit Dornenkrone. "Christliche Symbole werden hier verhöhnt!" Steiner kündigte für Montag eine Gebetskundgebung und eine Mahnwache vor dem Thalia an.



Am Sonntag gab die Piusbruderschaft dann bekannt, rechtliche Schritte gegen das Hamburger Thalia-Theater eingeleitet zu haben. Es gebe bereits eine Unterlassungsklage gegen das "für Christen im höchsten Maß beleidigende Stück "Golgota Picnic"", teilte der Sprecher der Piusbrüder in Deutschland, Pater Andreas Steiner, am Sonntag in Stuttgart mit. Sollte das Theater "keine Rücksicht nehmen auf die religiösen Gefühle der Christen in diesem Land", werde eine Strafanzeige folgen. Falls das umstrittene Stück am Montag trotz der Proteste aufgeführt wird, will die Bruderschaft eine friedliche Mahnwache vor dem Thalia-Theater halten.



Das erklärte Ziel der Protestler, nämlich die Absage von "Golgota Picnic", werde damit auf keinen Fall erreicht, sagte eine Sprecherin des Thalia-Theaters auf Anfrage. "Natürlich wird das Stück gespielt." Dass Religion infrage gestellt werde, sei nicht neu, wenn auch von Marquez mit besonderer Radikalität ausgedrückt. Einige der Protestmails, teils "verbrämt mit perfiden Drohungen", erfüllten zum Teil den Tatbestand der versuchten Nötigung, beklagt das Haus. Nun werde geprüft, wie damit umzugehen sei.



Theater setzt selbst auf Empörung

Beim Erzbistum Hamburg bleibt man indes ganz gelassen. "Wir wollen versuchen, diese Produktion in angemessener Weise zu begleiten und entsprechend darauf zu reagieren", sagte der Sprecher des Erzbistums, Manfred Nielen, auf Anfrage. Konkret heißt das, man sucht nach einer geeigneten Person, die sich aus katholischer Sicht am Publikumsgespräch im Anschluss an die Aufführung beteiligt. Diesen Part übernimmt nun der Geistliche Rektor der Katholischen Akademie Hamburg, Jesuitenpater Hermann Breulmann, wie das Theater nun auf seiner Internetseite bekanntgab. Mit auf dem Podium sitzen Thalia-Intendant Joachim Lux und die Leiterin des Kulturressorts beim "Hamburger Abendblatt", Maike Schiller.



In gewissem Maße setzt das Theater offenbar selbst auf das mögliche Erregungspotenzial des Stücks, das auf Spanisch mit deutschen Übertiteln zu sehen ist: "Garcias Inszenierung brachte empörte Christen auf die Straße. Jetzt erstmals in Hamburg", heißt es im Programm der "Lessingtage" über das Gastspiel, das bei einer Aufführung in Paris für Proteste sorgte.



Ein nicht unwesentlicher Teilaspekt des Festivals mit seinen über 70 Veranstaltungen sei die Auseinandersetzung mit religiöser und kultureller Toleranz, gibt die Theaterleitung zu bedenken. Außerdem finde zum dritten Mal die "Lange Nacht der Weltreligionen" statt. Hier wie auch bei anderen Veranstaltungen des Theaters hat auch schon der Hamburger Erzbischof Werner Thissen mitgewirkt. Diesmal ist Theaterfreund Thissen nicht am Festival-Programm beteiligt - allerdings unabhängig von "Golgota Picnic". Das Theater setzt indes darauf, dass der friedliche Charakter des Festivals trotz des Wirbels um das Stück erhalten bleibt. Die dritten Lessing-Tage stehen unter dem Leitwort "Um alles in der Welt!".