Pius XII. und der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs

"Unparteiisch, aber nicht neutral"

Papst Pius XII. gab die Hoffnung nicht auf. Er setzte weiter auf eine friedliche Beilegung des seit längerem schwelenden Konflikts zwischen Nazi-Deutschland und den Westmächten. Noch am 31. August 1939 wandte er sich an die Regierungen in Berlin, Warschau, London, Paris und Rom. Doch seine Worte gingen im Donner der deutschen Geschütze unter, die am 1. September das Feuer auf polnisches Territorium eröffneten.

Autor/in:
Thomas Jansen
 (DR)

Schon als Eugenio Pacelli im März 1939 zum Nachfolger von Pius XI. gewählt wurde, sah sich der frühere Vatikan-Botschafter in Berlin mit einer akuten Kriegsgefahr in Europa konfrontiert. Er bemühte sich von Anfang an um eine Vermittlung zwischen den Fronten: Im April 1939 schlug er dem faschistischen Diktator Benito Mussolini eine Konferenz vor, um die Streitigkeiten zwischen Deutschland und Polen sowie Italien und Frankreich einvernehmlich zu beenden. Doch das Vorhaben scheiterte. «Trotz allem Gebrülle» könne er keine Kriegsgefahr erkennen, ließ ein scheinheiliger Hitler den päpstlichen Botschafter Cesare Orsenigo auf dem Obersalzberg wissen. In seinem Brief vom  31. August 1939 wurde der Papst dann ganz deutlich: «Deshalb fleht Seine Heiligkeit im Namen Gottes die Regierungen von Deutschland und Polen an, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um jeden Zwischenfall zu vermeiden», schrieb er.

Verurteilung der deutschen Aggression
In seiner ersten Enzyklika «Summi Pontificatus» vom 20. Oktober 1939 verurteilte Pius XII. den deutschen Überfall auf Polen mit unmissverständlichen Worten: «Das Blut unzähliger Menschen, auch von Nichtkämpfern, erhebt erschütternde Klage, insbesondere auch über ein so geliebtes Volk wie das polnische, dessen kirchliche Treue und Verdienste um die Rettung der christlichen Kultur mit unauslöschlichen Lettern in das Buch der Geschichte geschrieben» seien, heißt es darin. Auf eine ausdrückliche Verurteilung Deutschlands verzichtete der Papst indessen bewusst. Ein solches Vorgehen hielt er für unklug und gefährlich. Im Deutschen Reich lebten 40 Millionen Katholiken, die womöglich Repressalien ausgesetzt sein würden, wenn er sich noch deutlicher zugunsten Polens äußere, hatte er schon im August 1939 dem französischen Botschafter mitgeteilt.

Unparteiische
Weihnachtsbotschaft
In seiner Weihnachtsbotschaft 1941 begründete Pius XII. seine unparteiische Haltung gegenüber den Kriegsparteien vor aller Welt. «Gott ist uns Zeuge, wie sehr Wir alle Völker ohne jegliche Ausnahme mit der gleichen Liebe umfassen. Um auch den Schatten einseitiger Parteinahme zu meiden, haben wir uns bislang äußerste Zurückhaltung auferlegt.» Neben diesen prinzipiellen Erwägungen bestimmten auch die schlechten Erfahrungen mit der letztlich gescheiterten Friedensinitiative von Benedikt XV. (1914-1922) während des Ersten Weltkriegs das Vorgehen.

Pius XII. legte jedoch Wert darauf, dass seine Position nicht missverstanden wurde. Dem Münchener Kardinal Michael von Faulhaber erklärte er, dass er seine Haltung bewusst stets mit dem Wort «Unparteilichkeit» umschreibe und nicht mit dem Wort «Neutralität». Denn dieses könne im Sinne einer passiven Gleichgültigkeit missverstanden werden.

Päpstliche Geheimdiplomatie
Pius XII. begnügte sich indessen nicht mit gelegentlichen öffentlichen Aufrufen zum Frieden. Er entfaltete schon bald eine rege Geheimdiplomatie. Im ersten Kriegswinter vermittelte der Heilige Stuhl etwa Kontakte zwischen dem deutschen Widerstand und der britischen Regierung. Kurz darauf, im März 1940, empfing Pius XII. den deutschen Außenminister Joachim von Ribbentrop. Zwar war sich der Papst durchaus bewusst, dass dieses Treffen ihm den Vorwurf einer diplomatischen Aufwertung Hitlerdeutschlands einhandeln würde. Aber er hoffte, so das schwere Los der Katholiken im Deutschen Reich zu lindern.

Pius XII. hielt bis zum Kriegsende an seiner unparteiischen Haltung fest. Manche Kritiker haben ihm deshalb später zumindest teilweise Sympathien für den Faschismus oder Nationalsozialismus unterstellt. Die meisten Historiker sehen seine Haltung indessen mittlerweile als Ausdruck seines Amtsverständnisses. Demnach habe Pius XII. in erster Linie als oberster Seelsorger aller Katholiken handeln wollen und nicht als Politiker.