DOMRADIO.DE: Der Weg fängt zwar in Paris an, ist aber nach der Stadt Tours benannt?
Beate Steger (Autorin und Pilgerexpertin): Die Via Turonensis fängt in Paris an. Es gibt verschiedene Wege, die nach Paris gehen, zum Beispiel auch von Belgien aus oder innerhalb Frankreichs.
Nachdem man erst ein paar Kilometer gegangen ist, teilt sich der Weg bei einem Vorort in zwei Varianten. Es gibt eine Ost- und eine Westvariante. Eine geht nach Chartres. Da kann man dann das tolle Labyrinth in der Kathedrale besuchen oder man geht über Orléans.
Dort kann man der Jungfrau von Orléans seine Aufwartung machen. Diese beiden Varianten kommen in Tours zusammen. Ab da ist es nur noch ein Weg. Ich nehme an, dass es deswegen die Via Turonensis ist.
DOMRADIO.DE: Das heißt, ich muss mich schon kurz hinter Paris in einem Vorort entscheiden?
Steger: Das ist die Frage, die man sich stellen muss. Man kann auch beide gehen. Dann hat man einen Rundweg. Man könnte es auch so machen, dass man über Chartres nach Tours geht und dann läuft man über Orléans wieder zurück. Das machen die Jakobspilgerinnen und -pilger jedoch normalerweise nicht.
DOMRADIO.DE: Wie lang ist der Weg insgesamt? Er endet nicht in Tours, richtig?
Steger: Nein, der geht bis nach Saint-Chopin-de-Pont in den Pyrenäen. Frankreich hat 17.000 Kilometer ausgewiesene Jakobswege. Dabei gibt es vier große historische Jakobswege, die bekannt sind.
Das sind einmal die genannte Via Turonensis, und dann noch die Via Lemovisensis, die Via Podiensis und die Via Tolosana. Die Via Turonensis ist der längste dieser vier historischen Wege. Der ist über 1100 Kilometer lang. Man muss allerdings dazu sagen, dass es vielleicht wegen der Länge, aber auch aus anderen Gründen der am wenigsten begangene der vier historischen Wege ist.
DOMRADIO.DE: Es geht mitten in der Stadt los, wird es irgendwann grün auf der Via Turonensis?
Steger: Aus Paris raus ist es eine recht angenehme Strecke. Da ist man auf dem sogenannten grünen Strom unterwegs. Es ist eine ehemalige Bahntrasse. Da ist ganz nett. Aber grundsätzlich ist der Weg landschaftlich, sagen wir mal, ein bisschen eintönig.
Man geht kilometerlang auf schnurgeraden Wegen. Es gibt viele Korn-, Mais- und Weinfelder. Es ist viel Asphalt, manchmal ist man halt auch an Eisenbahntrassen oder Autobahnen entlang unterwegs.
Ich arbeite freiberuflich für das Magazin "Der Pilger". Da hatten wir ein neues Sonderheft herausgebracht über die Jakobswege in Frankreich. Da sollte natürlich auch die Via Turonensis ein Teil davon sein. Es war aber schwierig, einen Autor zu finden, der sie gegangen ist.
Man kann nicht sagen, dass es kein schöner Weg ist, weil er sehr geschichtsträchtig ist. Er ist der historischen Via Regia nachempfunden, der alten Königsstraße. Die war im Mittelalter eine wichtige Ostwesthandels- und Verkehrsroute, die ging in Kiew oder in Krakau los.
Ich bin auch schon Teile dieser Strecke gegangen. Zwischen Krakau und Breslau war ich schon unterwegs. Eine Route kommt bei Görlitz rüber und geht über Eisenach weiter. Es ist eine tolle Strecke in Deutschland. Die Ostroute über Orléans in Frankreich ist dieser historischen Route nachempfunden.
DOMRADIO.DE: Aber wenn der Weg nicht so attraktiv ist, wieso soll ich ihn laufen?
Steger: Der Autor, der diesen Weg gemacht hat, gibt es einen einfachen Grund. Er ist Pfarrer und er hat die anderen drei historischen Routen schon gemacht. Er war in seinem 80. Lebensjahr. Er sagt über sich, dass er ein Vollständigkeitsfanatiker sei.
Aus diesem Grund musste es unbedingt auch noch die Via Turonensis sein. Es sind aber noch andere Menschen, die das machen. Nicht nur aus diesen historischen Gründen heraus, aber weil es schöne Bauwerke zu sehen gibt. Es ist auch einfach eine bekannte Route.
Das Interview führte Uta Vorbrodt.