DOMRADIO.DE: Was erleben die Pilger gerade auf dem Jakobsweg?
Marcus Poschlod (Pilgerexperte und Podcast-Host): Das ist sehr unterschiedlich. Es hängt davon ab, auf welchem der Jakobswege die Pilger unterwegs sind. Aber alle machen sich Sorgen, alle machen sich ihre Gedanken.
Wir haben unter anderem mit Sina gesprochen, die ihren Jakobsweg vorzeitig beendet hat. Sie sitzt im Ort Sahagún und hat uns gesagt, wie sie es vor Ort erlebt.
Sina (Pilgerin): Die Hospitaleros reden mit einem darüber, warnen einen, dass man klug entscheiden soll, wie es nun weitergeht. Man kann erst mal kleinere Etappen planen oder vielleicht auch mal den Bus nehmen. Man merkt auf jeden Fall, die Stimmung unter den Pilgern ist angespannt. Jeder macht sich so seine Gedanken und Sorgen. Man weiß nicht, wie es weitergehen soll.
Man will nicht egoistisch sein und sagen: "Ich will jetzt aber nach Santiago laufen." Sondern man guckt schon, was kann ich im besten Fall tun. Im schlimmsten Fall bricht man den Weg ab oder weicht auf einen anderen Weg aus.
Poschlod: Am Ende laufen die Caminos vor Santiago zusammen. Da gibt es Abschnitte, bei denen selbst die Alternativwege gesperrt sind.
DOMRADIO.DE: Was machen die Pilgernden, die unterwegs sind? Bleibt man in der Herberge und wartet, bis alles vorbei ist oder man evakuiert wird?
Poschlod: Evakuiert wurde bereits alles. Die Pilger, die jetzt noch unterwegs sind und die Brände vor sich haben, können nur abwarten oder umplanen. Das heißt, den Bus oder ein Taxi nehmen und die Flammen umfahren. Man kann auch einige Etappen überspringen und dann weiterlaufen. Oder man kann den Jakobsweg, so schwer es auch fällt, abbrechen und irgendwann wieder fortsetzen.
Ein guter Rat ist, die Situation dort auf jeden Fall zu verlassen. Denn auch das Einatmen der Luft kann bei den Pilgern zu gesundheitlichen Problemen führen.
Sina: In Sahagún hat es gestern den ganzen Tag stark gerochen. Deswegen wollte man auch gar nicht rausgehen. Man hat Menschen teilweise mit Maske rumlaufen sehen. Ich war in der Apotheke. Da haben zwei Menschen vor mir Masken kaufen wollen, aber es gab schon nicht mehr die richtigen FFP2-Masken.
Poschlod: Man merkt schon, das klingt sehr nach Camino im Krisenmodus.
DOMRADIO.DE: Jetzt könnte man als Pilger sagen: "Ich bin auf heiliger Mission unterwegs, mir wird schon nichts passieren." Wieso ist es trotzdem wichtig, dass die Pilgerinnen und Pilger den Anweisungen der Behörden folgen?
Poschlod: Unbedingt ist das wichtig. Die eigene Gesundheit sollte immer im Vordergrund stehen. Dann dürfen wir aber auch nicht vergessen, dass es für viele dort um ihre Existenz geht. Wir überlegen hier schlimmstenfalls, ob wir abreisen und den Camino irgendwann noch mal beenden.
Für die Einwohner vor Ort spielen sich viel größere Dramen ab. Da stehen Existenzen auf dem Spiel. Deswegen ist es wichtig, dass sich die Pilger dort nicht in diese gesperrten Bereiche begeben und unter Umständen die Rettungskräfte behindern. Das braucht kein Mensch. Jetzt sollte wirklich der gesunde Menschenverstand eingeschaltet werden.
DOMRADIO.DE: Dir selber ist es schon mal passiert, dass du eine Pilgertour wegen eines Waldbrandesdomr abbrechen musstest. Was war da los?
Poschlod: Das war vor ein paar Jahren in Portugal. Da gab es einen Waldbrand parallel zum Pilgerweg. Man hat es abends immer brennen sehen. Das war schon sehr seltsam, weil man so eine Situation nicht kennt. Ich kam letztlich noch am Feuer vorbei, aber an diese stickige Luft draußen im Freien kann ich mich gut erinnern.
Das ist anstrengend, weil der Weg selber viel Kraft kostet und dafür brauchst du Puste. Wenn die Luft nicht sauber ist und du nur am Husten bist, dann ist das auch nicht so, wie es sein soll und sehr unangenehm.
Das Interview führte Dagmar Peters.