Pfarrermangel macht evangelische Kirche erfinderisch

Neue Wege

Auf der Suche nach neuem Seelsorgepersonal öffnen evangelische Landeskirchen alternative Wege ins Pfarramt. Diese können berufsbegleitend sein oder sind mit anderen Berufsabschlüssen möglich, wie ein Blick in die Landeskirchen zeigt.

Autor/in:
Benjamin Lassiwe
Symbolbild Eine evangelische Pfarrerin segnet eine Frau / © Harald Oppitz (KNA)
Symbolbild Eine evangelische Pfarrerin segnet eine Frau / © Harald Oppitz ( KNA )

Sie ist die älteste lutherische Kirche Nürnbergs: Sankt Sebald, eine der wichtigsten Touristenattraktionen im Zentrum der alten Reichsstadt.

Und weil jährlich rund 450.000 Besucher an der alten Stadtkirche zu verzeichnen sind, gibt es dort seit Ende der 1980er Jahre eine halbe Pfarrstelle für Gäste- und Tourismusseelsorge. Am 1. Februar wurde sie neu besetzt - mit einer Frau, die gar keine Pfarrerin ist.

Symbolbild Talar mit Beffchen tragen evangelische Pfarrerinnen und Pfarrer / © Harald Oppitz (KNA)
Symbolbild Talar mit Beffchen tragen evangelische Pfarrerinnen und Pfarrer / © Harald Oppitz ( KNA )

Clara-Marie Jantos hatte in Hildesheim Kulturwissenschaften studiert, war an der Kulturkirche Sankt Egidien als Kulturreferentin tätig und organisierte das regionale Kulturprogramm für den Nürnberger Kirchentag 2023. Und sie ließ sich in der Sebaldkirche zur Prädikantin, also zur ehrenamtlichen Predigerin ausbilden. Seitdem leitet sie dort regelmäßig den Gottesdienst.

Dass sie die Pfarrstelle an der Sebaldkirche übernehmen durfte, ist ein Effekt einer Neuregelung in der Evagelisch-Lutherischen Kirche Bayerns: Die Landessynode der 2,2 Millionen Gemeindeglieder zählenden Landeskirche beschloss vor kurzem, dass es künftig neben dem klassischen Theologiestudium auch andere Wege ins Pfarramt geben kann.

Drei Jahre lang berufsbegleitend Theologie studieren

So ist es in Bayern beispielsweise auch möglich, an der Augustana-Hochschule in Neuendettelsau drei Jahre lang berufsbegleitend Theologie zu studieren, um dann ins Vikariat zu wechseln. "Als Kirche sind wir an Menschen mit ihren individuellen Begabungen interessiert", sagt Isolde Schmucker, Ausbildungsreferentin der Landeskirche. "Fähigkeiten aus anderen Berufsfeldern bereichern den Dienst als Pfarrerin oder Pfarrer."

Der neue Studiengang findet zu großen Teilen als Fernstudium statt.

Symbolbild: Studierende im Hörsaal / © Matej Kastelic (shutterstock)
Symbolbild: Studierende im Hörsaal / © Matej Kastelic ( shutterstock )

"Der berufsbegleitende Studiengang ins Pfarramt ist für Menschen gedacht, die mitten im Leben feststellen: Ich möchte gerne einen Beruf ausüben, bei dem der Sinn des Lebens im Vordergrund steht", sagte Sonja Keller von der Augustana-Hochschule.

Und damit ist die bayerische Landeskirche keineswegs allein auf weiter Flur: Der Nachwuchsmangel bei Theologiestudenten, von denen an manchen Hochschulen viele nur deswegen eingeschrieben sind, weil Theologie als Studiengang über keinen Numerus clausus verfügt und man somit ohne viel Aufsehens an ein günstiges Semesterticket kommt, zwingt die Landeskirchen, nach neuen Wegen ins Pfarramt zu suchen.

Fernstudium in Theologie

Schon lange gibt es an der Universität Marburg etwa ein Fernstudium in Theologie, dessen Absolventen dann in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau in den Pfarrdienst gehen können. Und auch in der evangelischen Nordkirche gibt es an der Universität Greifswald bereits einen "Master of Theological Studies", der als berufsbegleitender Studiengang einen alternativen Zugang zum Pfarrberuf darstellt.

Die Nordkirche ermögliche damit Menschen, die sich in der Mitte ihres Lebens neu orientieren und den Dienst für das Evangelium als sinnstiftend für sich entdeckt haben, eine vollwertige akademische Ausbildung, betonte Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt.

Talar mit Beffchen / © ur72 (shutterstock)

Damit setze die Nordkirche auf ein nachhaltiges und qualitativ hochwertiges Studium anstatt auf schnelle und oberflächliche Befähigungen. Mit denen könnten zwar Absolventenzahlen rasch geschönt werden, sie genügten aber nicht dem Anspruch und den Aufgaben der Nordkirche.

Voraussetzung für die Teilnahme am berufsbegleitenden Masterstudiengang "Master of Theological Studies" ist ein abgeschlossenes Studium sowie mindestens fünf Jahre Berufserfahrung.

Was macht die Kirche im Rheinland?

Der Studiengang an der Theologischen Fakultät der Universität Greifswald dauert drei Jahre und kann dank Online-Modulen und Wochenendseminaren für kirchliche Mitarbeitende auch parallel zu einem Vikariat absolviert werden.

In der Rheinischen Kirche dagegen ist man noch etwas vorsichtiger unterwegs. Auch dort öffnete die Synode vor kurzem den Zugang ins Pfarramt. Allerdings zunächst eher geografisch. "Maßgeblich für den Zugang zum Probedienst sind künftig die wissenschaftliche Ausbildung und die persönliche Eignung des Bewerbers/der Bewerberin", sagte Pressesprecher Daniel Meier. "Das bedeutet eine Erleichterung für Theologen, die in anderen Landeskirchen als der Evangelischen Kirche im Rheinland ausgebildet wurden."

Evangelische Kirche in Deutschland (EKD)

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) ist die Gemeinschaft der 20 evangelischen Landeskirchen in der Bundesrepublik. Wichtigste Leitungsgremien sind die EKD-Synode mit ihren Mitgliedern, die Kirchenkonferenz mit Vertretern der Landeskirchen sowie der aus ehrenamtlichen Mitgliedern bestehende Rat. Sitz des EKD-Kirchenamtes ist Hannover.

Synode der EKD / © Norbert Neetz (epd)
Synode der EKD / © Norbert Neetz ( epd )
Quelle:
KNA