Pfarrer über minderjährige Flüchtlinge im Bistum Würzburg

Hilfe für die Seele

Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge brauchen besondere Aufmerksamkeit, sagt Pfarrer Burkhard Hose. Doch schon jetzt passiere viel für sie. Pfarrer Hose ist beratendes Mitglied im Integrationsbeirat der Stadt Würzburg.

Ein minderjähriger Flüchtling / © Daniel Karmann (dpa)
Ein minderjähriger Flüchtling / © Daniel Karmann ( dpa )

domradio.de: In welcher besonderen emotionalen Situation sind unbegleitete minderjährige Flüchtlinge?

Burkhard Hose (beratendes Mitglied im Ausländer- und Integrationsbeirat der Stadt Würzburg und Hochschulpfarrer): Sie sind in einer ganz besonders belasteten Situation. Der junge Mann, der diese schreckliche Tat in Würzburg begangen hat, kam wohl als 15-Jähriger hier nach Deutschland. Das ist jemand, der ohne Begleitung, ohne Familie, also ohne den Kontext, der oft so wichtig ist für Menschen aus diesem Kulturraum, hier alleine ankam und er wird dann erst einmal in eine Einrichtung untergebracht, die speziell für sogenannte unbegleitete minderjährige Flüchtlinge gedacht ist, um da die Erstversorgung zu treffen und junge Menschen zu begleiten auf ihrem Weg hier in die Gesellschaft. Tatsache ist, dass ist eine Personengruppe, die eine besondere Aufmerksamkeit braucht.

domradio.de: Aus dem bayrischen Sozialministerium hieß es umgehend, dieser junge Mann sei gut betreut worden. Wie schätzen Sie das ein? Tun wir tatsächlich schon genug für diese jungen Flüchtlinge, die da ganz alleine auf sich gestellt sind?

Hose: Soweit ich das beurteilen kann, muss ich sagen, dass es tatsächlich eine der Gruppen ist unter den Geflüchteten, die eine besondere Aufmerksamkeit bekommen, dadurch, dass sie über Jugendhilfemaßnahmen tatsächlich auch in ein System reinkommen, dass einigermaßen geregelt ist, in Wohngruppen teilweise untergebracht sind, auch fachlich begleitet werden von Pädagogen und Therapeuten. Was immer der Fall ist bei diesen jungen Menschen, ist, dass in den Tiefen ihrer Seele einfach Dinge, Traumatisierungen verankert sind, eingeprägt sind, die schwer zugänglich sind. Das macht diese Gruppe tatsächlich auch zu einer, die auch besonders belastet sind.

domradio.de: Können Sie auch besonders belastend für diese Gesellschaft werden? Werden sie manchmal auch zu einem besonderen Gefahrenpotential?

Hose: Das würde ich nicht sagen. Es ist eine besondere Herausforderung für unsere Gesellschaft. Über diese jungen Menschen kommt in unsere Gesellschaft aber ein Stück dessen zurück, was aus unserer Gesellschaft über Waffen, über Kriege mitverantwortet wird. Diese jungen Menschen bringen das durch Traumatisierung, durch schlimme Erfahrungen wieder mit hierher als Geflüchtete. Wir ernten im Grunde mit dieser schwierigen Situation, was ein Stück auch mit in unserer Verantwortung liegt.

domradio.de: Was haben Sie gedacht, als Sie gehört haben, dass es sich um einen jungen Mann aus Afghanistan handelt? Haben Sie gedacht "Oh nein, das ist wieder Wasser auf die Mühlen der Rechtspopulisten"?

Hose: Zunächst mal muss ich sagen, dass wir alle zunächst in einer Schockstarre waren in Würzburg. Ich wohne auch mitten in der Stadt und da bekommt man sofort mit, wenn Rettungsfahrzeuge durch die Stadt brausen. Mich haben auch direkt Geflüchtete angerufen, auf die das auch einen besonderen Eindruck hat, wenn sich so was in der Stadt tut, die verängstigt sind. Ich hatte dann Kontakt mit dem Helferkreis, der mit den jungen Menschen dort in Ochsenfurt, wo der junge Mann auch untergebracht war, zu tun hat.

Erst einmal war da eine große Verunsicherung und ein Schock und eine Trauer über die Personen, die von der Gewalt in dem Zug betroffen waren, die verletzt wurden, von denen noch immer nicht klar ist, wie es ihnen jetzt gerade geht.

Die zweite Reaktion ist dann schon eine, die sich immer bei mir einstellt. Es rattert dann im Kopf gleich los: Was wird jetzt wieder losgetreten? Man braucht dann bloß ins Netz zu gehen, wie schnell dann irgendwelche rechtsradikalen Kreise sich das zu Nutze machen und im Grunde auf eine Logik aufspringen, die der IS, der islamistische Terror vorgeben. Die Logik heißt nämlich: "Wir können hier nicht zusammen leben." Ich glaube, das ist die große Herausforderung: dran zu bleiben, auch in schwierigen Situationen dabeizubleiben und zu sagen, wir als Gesellschaft wollen zusammenleben. Es ist möglich in Frieden zusammenzuleben, auch mit besonders belasteten Menschen und nicht der Logik des Terrors zu erliegen. Ich glaube, das ist genau die Logik, die sich auch die Rechtspopulisten zu Nutze machen.

Das Interview führte Hilde Regeniter.


Quelle:
DR