Pfarrer Schießler gibt "Liebeserklärung" ans Oktoberfest ab

"Hochwürden" und sein "Wiesn-Glück"

Zwei Jahre lang musste das "Hochamt der Gemütlichkeit" wegen Corona ausfallen. Nun soll das Münchner Oktoberfest wieder stattfinden. Pfarrer Rainer Maria Schießler hat ihm eine persönliche "Liebeserklärung" gewidmet.

Autor/in:
Barbara Just
Zehn Jahre lang arbeitete Pfarrer Schießler als Bedienung auf dem Oktoberfest / © Katharina Ebel (KNA)
Zehn Jahre lang arbeitete Pfarrer Schießler als Bedienung auf dem Oktoberfest / © Katharina Ebel ( KNA )

Liebe auf den ersten Blick war es nicht. Da ist Pfarrer Rainer Maria Schießler (61) ehrlich. Seine Beziehung zum Münchner Oktoberfest sei über die Jahre eher "gewachsen und gereift", gibt der gebürtige Münchner zu. Es ist keine Beichte, die der unkonventionelle Geistliche für den bene!-Verlag ablegt. Unter dem Titel "Wiesn-Glück" hat er vielmehr eine kurzweilige "Liebeserklärung" niedergeschrieben, war er doch insgesamt zehn Jahre lang selbst als Bedienung mittendrin im prallen Leben des größten Volksfestes der Welt.

Ein Stück Kulturgut

Auf 176 Seiten erzählt Schießler jede Menge Lustiges, Ernsthaftes und Turbulentes von einem Fest, das längst "purer Kult" ist. Nach zwei "wiesnlosen" Jahren müsste doch selbst den schärfsten Kritikern aufgefallen sein, "wie sehr uns in dieser Zeit der Pandemie die Wiesn gefehlt hat", schreibt Schießler. Sie sei nun einmal ein Stück Kulturgut. Selbst wenn das Oktoberfest nur Freunde oder Gegner haben soll, wie es oft heiße: Mit dem Buch hoffe er, auch dazu beitragen zu können, "beide Seiten ein wenig zueinander zu bringen, mal mehr mit Gefühlen als mit Argumenten".

"Ich kann nur bedienen"

Pfarrern hängt das Klischee an, in praktischen Dingen zwei linke Hände zu haben. Doch einer wie Schießler, der sich als Theologiestudent ein Zubrot als Taxifahrer verdiente, steht im Leben.

Zu seinem Wiesn-Einsatz kam der Priester ausgerechnet durch einen CSU-Neujahrsempfang im Münchner Ratskeller, an dem er als Pfarrer von Sankt Maximilian teilnahm. Ein Herr Anfang 40 wurde ihm da

vorgestellt: Michael P. Schottenhamel. "Schottenhamel, Bierzelt - Wiesn" habe es im Kopf gerattert. Da sei aus ihm plötzlich die Frage gekommen: "Könnte ich während der Wiesn auch mal im Festzelt arbeiten?"

Was er denn gerne tun würde, fragte sein Gegenüber. "Bedienen natürlich, was denn sonst?! Kochen kann ich nicht, Musik machen auch nicht, bleibt nur das Bedienen!", erklärte Schießler und befürchtete eine Abfuhr. Aber Schottenhamel meinte, er solle sich im Personalbüro melden, dann werde alles Weitere geklärt.

Speisung der 5.000

Im September 2006 war es so weit: Das Abenteuer, 14 Maßkrüge zu schleppen und 16 Tage am Stück von frühmorgens bis in die Nacht zu arbeiten, begann – in einem Traditionszelt, wo jährlich der Oberbürgermeister das erste Fass anzapft.

Pfarrer Rainer Schießler

"Eigentlich wollte ich ja Geld verdienen und nicht ausgeben."

Als Subunternehmer des Wirts liegt das geschäftliche Risiko ganz bei einem selbst, lernt der Pfarrer. "Wer also Bier verschüttet oder seinen Schlitten mit 20 Hendln zu Boden wirft, trägt auch den finanziellen Schaden." Und noch etwas: Zu seiner Verwunderung – "eigentlich wollte ich ja Geld verdienen und nicht ausgeben" – musste er mit knapp 2.000 Euro in Vorkasse gehen: Denn Bedienungsmarke, Betriebskleidung und auch das Geld fürs Bier und Speisen müssen vorgestreckt werden.

Bisweilen fühlte sich Schießler, wenn er den Leuten ihr Essen und die Getränke brachte, wie bei der Speisung der 5.000 in der Bibel.

Wann sich der Pfarrer schämte

Damals blieb bekanntlich noch viel übrig. Auch auf der Wiesn wird manches nicht aufgegessen. Als er einmal wütend ein fast unberührtes Viertel Ente mit Knödel, Krautsalat und großer Brezn wie vorgeschrieben im Müll entsorgen musste, habe ein Kollege, der während des Winters bei Indigenen in Südamerika lebe, gemeint: "In unserem Dorf würden jetzt zehn Leute um diesen einen Teller herumsitzen und ein Fest feiern!" Momente, in denen sich Schießler schämte.

Eine Welt, in die ein Pfarrer nicht gehört

Dennoch: "Als Priester habe ich eintauchen können in eine Welt, in die ich nach der allgemeinen Vorstellung gar nicht gehörte." Die ungewöhnliche Begegnung, die Menschen dort mit ihm und seiner Kirche gehabt hätten, habe viele schöne alte Erinnerungen bei ihnen an eine frühere heile Welt ausgelöst. In ruhigen Momenten führte "Hochwürden" schon mal Vorgespräche für eine Taufe. Als 2008 wieder einmal die Terrorangst umging und ein paar Bedienungen auf ihn mit der Bitte zukamen, Andachtsgegenstände und Rosenkränze zu weihen, nahm sich der Zelt-Pfarrer auch dafür Zeit.

Seinen Verdienst spendete Schießler jedes Mal für einen guten Zweck.

Auch die Erlöse dieses Buchs sollen einem solchen zufließen. Da bleibt nur Prosit zu wünschen – möge es nützen!

Quelle:
KNA
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