Steffen Reiche (57), langjähriger SPD-Bundestagsabgeordneter und Minister in Brandenburg und heute evangelischer Pfarrer in Berlin, fordert eine klarere Reaktion der Bundesbürger auf autoritäre Herrscher und Menschenrechtsverletzungen. Im Deutschlandfunk kritisierte er diejenigen, die trotz der Politik des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan "Schnäppchen in der Türkei nutzen, um dort hinzureisen".
Er wünsche sich auch eine klare Ansage von Fußballspielern und Fußballfreunden an Russlands Präsident Wladimir Putin, nicht zur Fußballweltmeisterschaft nach Russland zu fahren. "Nach dem, was in London passiert ist, nach dem, was Putin in den letzten Jahren in der Ukraine, aber vor allen in Syrien gemacht hat, dürfen wir dort keine Fußballweltmeisterschaft machen."
Reiche bezeichnete Putin als "einen der größten Verbrecher", der derzeit im Amt sei. Er habe als erster die europäische Nachkriegsordnung gestört und sei "weit gefährlicher als Trump, weil er viel klüger ist, berechnender, zynischer und auch viel mächtiger".
Gegen politische Predigten
Außerdem wendete er sich gegen parteipolitische Predigten. Er befürwortete zugleich aber Predigten, die die Gesellschaft aus der Sicht des Evangeliums beurteilen. "Eine Predigt soll und muss nicht politisch sein", sagte er am Freitag im Deutschlandfunk. "Pfarrer gehören auf die Kanzel, und Politiker gehören ins Parlament." Eine Predigt könne in der Nachfolge von Jesus aber nie anders sein, als dass sie sich für Menschen einsetze, die ausgegrenzt und benachteiligt würden. "Es geht nicht um Politik, sondern es geht um das Engagement von Menschen und die Veränderungen von Verhältnissen, die diese Menschen einschränken."
Reiche hatte an Weihnachten mit seiner Predigt eine heftige Debatte über politisches Engagement der Kirchen ausgelöst. Der Chefredakteur der Tageszeitung "Die Welt", Ulf Poschardt, hatte mit Bezug auf die Predigt Reiches geschrieben: "Wer soll eigentlich noch freiwillig in eine Christmette gehen, wenn er am Ende der Predigt denkt, er hat einen Abend bei den Jusos beziehungsweise der Grünen Jugend verbracht?" Und Poschardt weiter: "Mich hat die Kirche als Kirchgänger verloren."
Frohe Botschaft verkünden
Reiche sagte dazu, in einer Predigt müsse es um die frohe Botschaft und Gottes Wort gehen. Die Menschen erwarteten aber auch, dass sie das, was sie täglich politisch sehen und denken, "dann auch vom Evangelium her eingeordnet bekommen". Jesus selbst habe mit seinem Engagement für Menschen am Rand wie den Zöllner oder die Ehebrecherin die Verhältnisse in der Gesellschaft verändert, obwohl er sich nicht politisch geäußert habe.