Pfarrer in heißer Kirche warnt vor dem Klimawandel

"Man kann jetzt nicht mehr drum herumreden"

An heißen Tagen sind kühle Kirchen oft gute Rückzugsorte. In der evangelischen Jakobuskirche in Heidelberg-Neuenheim wird es hingegen richtig heiß. Pfarrer Friederich-Schwieger weiß sich zu helfen, warnt aber vor dem Klimawandel.

Hitze in Deutschland / © Frank Rumpenhorst (dpa)
Hitze in Deutschland / © Frank Rumpenhorst ( dpa )

DOMRADIO.DE: Wie warm ist es denn an solchen sehr heißen Tagen wie heute in der Kirche?

Pfarrer Anselm Friederich-Schwieger (Evangelische Jakobusgemeinde in Heidelberg-Neuenheim): Ich bin vorher noch mal rübergegangen, da haben wir jetzt 33 Grad.

Jakobuskirche in Heidelberg-Neuenheim / © Stefan Weisenberger  (privat)
Jakobuskirche in Heidelberg-Neuenheim / © Stefan Weisenberger ( privat )

DOMRADIO.DE: Die Jakobuskirche in Heidelberg-Neuenheim ist ein moderner Kirchenbau mit sehr viel Glas. Können Sie uns die Kirche noch ein bisschen genauer beschreiben?

Friederich-Schwieger: Die Kirche ist etwa 35 Jahre alt, quadratisch und besteht aus Beton und Glas, aber wirklich sehr viel Glas, sehr viel Fenster. Das macht den besonderen Charme der Kirche aus, denn die Natur guckt von allen Seiten rein. Da gibt es große alte Platanen, dann sieht man die Wolken ziehen, eine Birke auf einer Seite. Das lieben wir, dass jeder Gottesdienst so ein bisschen wie ein Gottesdienst im Grünen ist.

DOMRADIO.DE: Durch das viele Glas kann man wunderbar in die Natur rausschauen. Allerdings wird die Kirche dadurch auch ganz gut aufgeheizt. Zu Hause lasse ich da die Jalousien runter, damit es kühler bleibt. Wie funktioniert das in Ihrer Kirche?

Friederich-Schwieger: Wir haben keine Jalousien, da geht gar nichts. Das ist an sich sehr gut durchdacht worden von den Architekten. Es gibt ganz oben in der Kirche acht kleine Luken, die man aufmachen kann. Gerade wenn man das die Nacht über macht – zum Glück kühlt es ja in der Nacht ganz gut ab, dann zieht die warme Luft da ganz ordentlich raus.

Im Moment haben wir die dumme Situation, dass einige von diesen Luken kaputt sind, sodass die sich nicht öffnen lassen. Das bedeutet, dass ich morgens zwischen sechs und sieben mal schnell rüber laufe in die Kirche, ich wohne direkt daneben, und alles aufreiße, was geht. Dann strömt doch noch so viel kühle Luft rein, dass es einigermaßen erträglich ist.

Pfarrer Anselm Friederich-Schwieger (Evangelische Jakobusgemeinde in Heidelberg-Neuenheim)

"Man kann jetzt nicht mehr drum herumreden um die Klimaveränderung."

DOMRADIO.DE: Die Gemeinde scheint diese Wärme nicht einzuschüchtern. Vor zwei Wochen war es ja auch schon mal so heiß, da haben sie sich in der warmen Kirche getroffen zum Psalmengebet. Danach gab es dann eine Abkühlung in Form von kühlen Getränken im Pfarrgarten. Was hat Ihnen das bedeutet?

Friederich-Schwieger: Das hat mir sehr viel bedeutet. Wissen Sie, diese extreme Hitze jetzt, die bedeutet ja, dass jetzt wirklich alle aufwachen. Man kann jetzt nicht mehr drum herumreden um die Klimaveränderung. Das betrifft uns ganz stark. Hier im Stadtwald beginnen die ersten Bäume braun zu werden. Drüben in der Pfalz lassen die jungen Reben hängen.

Wir sind jetzt in der Katastrophe angelangt. Und das bedeutet auch eine Herausforderung für unseren Glauben. Das bedeutet eine ganz große Anfrage an unseren Glauben, an Gottes Güte und an Gottes Fürsorge für uns. Das kann man nicht schönreden.

Pfarrer Anselm Friederich-Schwieger (Evangelische Jakobusgemeinde in Heidelberg-Neuenheim)

"Wenn wir in die Kirche gehen, brauchen wir zunächst mal einfach Worte, die unsere Not artikulieren."

DOMRADIO.DE: Warum sind denn genau Psalmen aus Ihrer Sicht gerade in dieser Zeit der Klimakrise so wirkungsvoll oder so wichtig aus Ihrer Sicht?

Friederich-Schwieger: Die Psalmen sind in Israel entstanden und da wurde es schon damals so heiß wie jetzt bei uns. Das heißt, die Menschen kannten das. Und dann haben sie diese unglaublichen Bilder gefunden: "Wie der Hirsch schreit nach frischem Wasser, so schreit meine Seele, Gott, zu dir. Meine Seele dürstet nach dem lebendigen Gott" (Psalm 42,2-3).

Diese Sprache ist deshalb so großartig, weil sie ja nicht moralisiert. Das heißt jetzt nicht plötzlich, wir müssen alle in Sack und Asche gehen, weil wir doch alle mit dran schuld sind. Das mag ja alles richtig sein. Aber wenn wir in die Kirche gehen, brauchen wir zunächst mal einfach Worte, die unsere Not artikulieren. Und da sind die Psalmen unerreicht.

Das Interview führte Dagmar Peters.

Klimawandel

Allgemein bezeichnet der Begriff Klimawandel die Abkühlung oder Erwärmung des Klimas auf der Erde über einen langen Zeitraum. Natürliche Änderungen im Klima hat es immer schon gegeben. Seit etwa 1850, dem Beginn der industriellen Revolution, steigt die globale Durchschnittstemperatur allerdings vergleichsweise schnell.

Symbolbild Klimawandel / © Seamind 224 (shutterstock)
Quelle:
DR
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