Peter Suchla über seine Arbeit als Papst-Lektor

"Er hat den Blick für Schönheit"

Der Verlag Herder gehört mit seiner über 200-jährigen Tradition zu den ältesten Deutschlands. Seitdem 2005 aus Joseph Ratzinger Benedikt XVI. wurde, ist Herder auch der Verlag des Papstes. Sein Lektor seit vielen Jahren ist Dr. Peter Suchla. Im domradio-Interview spricht er über die Arbeit mit dem Jahrhunderttheologen und ihre gemeinsame Suche nach der Schönheit.

 (DR)

domradio: Wie wird man Lektor des Papstes?
Suchla: Man muss in einem Haus arbeiten, das eine lange Tradition hat und das demzufolge schon vor vielen Jahrzehnten den damals noch jungen Autor namens Joseph Ratzinger unter Vertrag hatte. Joseph Ratzinger hat bei der dritten Ausgabe des Lexikons für Theologie und Kirche wichtige Artikel geschrieben. Und seitdem riss der Kontakt zu ihm im Haus Herder nicht ab. Und als er dann Papst wurde, stellte sich schnell heraus, dass es an der Zeit ist, seine gesammelten Schriften in einer wissenschaftlichen Gesamtausgabe herauszubringen. Von da an begann die Arbeit an meinem Schreibtisch.

domradio: Muss man eine besondere Beziehung zu den Schriften haben?
Suchla: Das muss man als Lektor zu jedem Projekt haben, das man macht. Das gilt natürlich auch hier. Ich bin Theologe, ich schätze Ratzinger als Theologen außerordentlich. Insbesondere das, was er zum Thema Liturgie zu sagen hat. Das ist ja weitaus mehr, als die Öffentlichkeit meint. Dort heißt es immer nur, der Papst ist der, der die Altäre wieder umdrehen oder die Tridentinische Messe reaktivieren möchte. Das ist es nicht! Das sind nur ganz winzige Bruchsteine. Er ist der Theologe, ein Jahrhunderttheologe, der sich die Liturgie in all ihrer Schönheit auf die Fahnen geschrieben hat. Und wenn man das liest und wahrnimmt, wird man selber ganz fasziniert.

domradio: Aber vorm Schlafengehen liest man das nicht, oder?
Suchla: Nein, das ist wissenschaftliche Lektüre. Das muss man mit sehr viel Sorgfalt, Zeit und auch Geduld lesen.

domradio: Sie haben Papst Benedikt XVI. als Jahrhunderttheologen bezeichnet. Was zeichnet ihn aus?
Suchla: Es gibt im deutschen Sprachraum nur wenige Jahrhunderttheologen. Karl Rahner war einer. Ich zähle Joseph Ratzinger dazu, nicht nur weil er schon zu Rahners Zeiten ein aufstrebender junger Theologe war. Wir haben ja jetzt in seinen gesammelten Schriften soeben seine Habilitationsschrift publiziert. Sondern weil wer über all die Jahrzehnte hinweg immer wieder im Stande war, mit theologischen Positionen die deutschsprachige Theologenschaft aufzurütteln, vom Erschrecken hin bis zum Erstaunen, immer wieder lebendig zu halten. Das schafft nicht jeder. Das ist eine Gabe.

domradio: Gibt es Leitmotive in seiner Arbeit?
Suchla: In seinen gesammelten Werken ist es natürlich das Nachdenken über die Liturgie. Das zeichnet ihn aus. Das ist seine besondere Liebe als Theologe, die Liturgie in all ihren Erscheinungsformen, in ihrer Geschichte, in ihrer Ausprägung, aber auch in ihrer Schönheit. Ich könnte keinen anderen Theologen nennen, der die Schönheit von Liturgie so sehr in sein Herz geschrieben hätte, wie er. Und als ein Lektor, der schöne Bücher liebt, können Sie natürlich auch nachempfinden, dass mich dieser Aspekt der Schönheit der Liturgie ebenfalls sehr berührt hat.

domradio: Was ist Ihr Beitrag am Gesamtwerk? Umschreiben ist doch sicherlich verboten, oder?
Suchla: Das gilt allerdings  für alle Reihen gesammelter Schriften, die ich betreue. Ob es die von Walter Kardinal Kasper sind oder von Karl Rahner. Verändern ist verboten, natürlich, aus Respekt vor der Leistung eines Menschen. Meine Aufgabe ist eine andere. Der Lektor sorgt dafür, dass aus dem Berg von Manuskripten, der auf seinen Schreibtisch kommt, am Ende ein schönes Buch wird. Ich muss darauf achten, dass sich keine Fehler einschleichen: in der Chronologie, in der Zuordnung der Kapitel, etc. Es geht mehr um das Produkt Buch, als um den Text als solchen. Denn bei einer Gesamtausgabe der gesammelten Schriften wird am Text in der Tat nicht gearbeitet.

domradio: Macht der Papst Rechtschreibfehler?
Suchla: Nur Tippfehler.

domradio: Hat sich der Papst bereits zu der Gesamtausgabe geäußert? Die ersten beiden Bände sind ja schon erschienen.
Suchla: Der Papst ist sehr glücklich mit der Gesamtausgabe, das hat er mir schon gesagt. Er registriert, wenn seine Bücher schön sind. Das wiederum berührt mich: dass da jemand ist, der das wahrnimmt. Der sieht auch, was an einem Buch schön ist. Der nimmt das Buch, öffnet ist, sieht sich die Seiten an und stellt fest, das ist mit besonderer Liebe zur Schönheit gemacht. Nicht bei jedem Autor geht mir das so. Viele nehmen das einfach nur zur Kenntnis. Wahrscheinlich, weil sie selber keinen Blick für Schönes haben. Der Papst hat diesen Blick.