Personalwechsel bei Missbrauchskommission sorgt für Kritik in Polen

Weitere Verzögerungen

Die polnischen Bischöfe entziehen überraschend Erzbischof Wojciech Polak den Auftrag, eine unabhängige Aufarbeitung von Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche in Polen zu organisieren. Bischof Slawomir Oder soll übernehmen.

Polnische Fahne in Danzig / © Irina Shatilova (shutterstock)
Polnische Fahne in Danzig / © Irina Shatilova ( shutterstock )

Die Polnische Bischofskonferenz legt die Vorarbeiten für eine Untersuchung von sexuellem Missbrauch von Minderjährigen in der katholischen Kirche überraschend in neue Hände. 

Auf ihrer Vollversammlung im schlesischen Katowice (Kattowitz) entzogen die Bischöfe Primas Erzbischof Wojciech Polak die Zuständigkeit für die Einrichtung einer landesweiten Aufarbeitungskommission für Missbrauchsfälle, wie am Donnerstag aus einer offiziellen Mitteilung hervorgeht. 

An Polaks Stelle wurde Bischof Slawomir Oder damit beauftragt, die Dokumente für die Arbeitsweise des geplanten unabhängigen Expertengermiums zu erstellen, das "das Phänomen des sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen durch manche Geistliche" untersuchen soll.

Wojciech Polak, Primas der polnischen Kirche / © Markus Nowak (KNA)
Wojciech Polak, Primas der polnischen Kirche / © Markus Nowak ( KNA )
Wojciech Polak

Oder sagte, die Bischöfe seien entschlossen, die Untersuchungskommission ins Leben zu rufen. Gemeinsam mit den Frauen- und Männerorden wolle man die Arbeit zu Ende führen. Polens Bischofskonferenz hatte im März 2023 angekündigt, ein unabhängiges Expertenteam zu berufen, das Missbrauchsfälle aus der Zeit seit 1945 untersuchen soll. Die Vorbereitungen ziehen sich bis heute hin. Zuletzt hatten Bischöfe vor zu großen Kompetenzen der Kommission gewarnt.

In einer schriftlichen Erklärung hieß es, die Bischöfe hätten auf der Vollversammlung "Anmerkungen zum weiteren Vorgehen hinsichtlich des Statuts und der Funktionsweise" der geplanten Missbrauchskommission gemacht. Und weiter: "Die Bischöfe danken dem Primas Erzbischof Wojciech Polak und dem von ihm geleiteten Team, das seine Tätigkeit abgeschlossen hat, für die Vorbereitung konkreter Grundlagen für den nächsten Arbeitsabschnitt."

Missbrauchsbetroffener kritisiert Entscheidung

Der Missbrauchsbetroffene Robert Fidura kritisierte den Personalwechsel. "Ich sehe die Entscheidung negativ", sagte er der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Die Aufarbeitung werde sich so weiter verzögern.

Der promovierte Kirchenjurist Oder (64) wurde 2023 zum Bischof geweiht und leitet das südpolnische Bistum Gliwice (Gleiwitz). Er gehört dem Ständigen Rat der Polnischen Bischofskonferenz an. International bekannt wurde er von 2005 bis 2014 als Anwalt (Postulator) für die Selig- und Heiligsprechung von Papst Johannes Paul II. (1978-2005). Aktuell betreut er das Seligsprechungsverfahren für die Eltern von Johannes Paul II.

Erzbischof Polak (60) bleibt Beauftragter der Bischofskonferenz für den Schutz von Kindern und Jugendlichen. Das Amt hat er seit dessen Einführung 2019 inne. Durch sein Engagement für die Aufarbeitung des Missbrauchsskandals erwarb er sich das Vertrauen vieler Betroffener von sexualisierter Gewalt in der Kirche.

Missbrauchsfälle in Polen

In den vergangenen Monaten hatte die Bischofskonferenz die Missbrauchsfälle bei den Diözesen und Ordensgemeinschaften abgefragt. Das kirchliche Statistikinstitut und das von der Bischofskonferenz in Krakau gegründete Kinderschutzzentrum werteten kirchliche Akte, die von Januar 1990 bis Juni 2018 angelegt wurden, aus. Die Auswertung ergab:

284 Priester und 98 Ordensmänner sollen Minderjährige missbraucht haben

Von den 625 Opfern seien 345 unter 15 Jahre alt gewesen.

58,4 Prozent aller Opfer sind den Angaben zufolge männlich, 41,6 Prozent weiblich.

Symbolbild Missbrauch / © TetianaDov (shutterstock)
Quelle:
KNA