Pax Christi fordert im domradio eine neue Strategie für Afghanistan

Schluss mit "Weiter so"

Während US-Präsident Obama eine Großoffensive in Afghanistan gegen die Taliban begonnen hat, stellt sich Bundeskanzlerin Merkel hinter den Afghanistan-Einsatz. Die Bundesregierung will bis zu 300 weitere Soldaten aus Deutschland nach Afghanistan schicken. Unterdessen nimmt die Debatte um den Einsatz weiter Fahrt auf. Im domradio-Interview spricht sich Christine Hoffmann, Generalsekretärin der deutschen Sektion der katholischen Friedensbewegung Pax Christi, für eine sofortige Änderung der Strategie am Hindukusch aus.

 (DR)

domradio: Was ist ihrer Meinung der Unterschied zwischen Kriegseinsatz und Kampfeinsatz?
Hoffmann: Das ist ein Spiel mit Worten. Tatsache ist doch, dass bei dem Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan Soldaten sterben. Für die Gefallenen macht es keinen Unterschied, ob wir von Krieg- oder Kampfeinsatz sprechen. Der Verteidigungsminister spricht von der Verantwortung gegenüber den Soldaten. Und die möge er ernst nehmen! Und ein einfaches "Weiter so" hilft da nicht.

domradio: Geht das eigentliche Ziel, einen humanitären Einsatzes zu führen, verloren?
Hoffmann: Wir machen seit Jahren die Erfahrung, dass sich beim Afghanistan-Einsatz die Gewalt zuspitzt. Der zivile Aufbau gerät in der Hintergrund, und die Bundeswehr wird immer mehr zur Zielscheibe von Angriffen und zum Akteur in Kämpfen. Ich sehe kaum Fortschritte in der Befriedung des Landes - aber eine Eskalation der Gewalt. Und aus meiner Sicht muss der Versuch, einen humanitären Friedenseinsatz zu realisieren, als gescheitert angesehen werden. Das Militär wird von der Zivilbevölkerung in Afghanistan als Besatzung erlebt. Dem muss man ins Auge sehen. Und eine Änderung der Strategie bewirken. Pax Christi fordert deshalb eine Exit-Strategie.

domradio: Und was tun, wenn die Soldaten das Land verlassen?
Hoffmann: Es geht darum, in Afghanistan immer mehr die Verantwortung für den Aufbau der Infrastruktur und auch für den Aufbau verlässlicher Rechts- und Sicherheitsstrukturen in die Hände der Verantwortlichen vor Ort zu legen. Die Unterstützung der Polizei macht Sinn! Aber Polizei ist eine zivile Aufgabe, keine militärische.

domradio: Das heißt: Soldaten müssen auf jeden Fall das Land verlassen?
Hoffmann: Es braucht einen vernünftigen Plan und einen vorbereiteten Abzug der ausländischen Truppen. Und dafür muss sich die Bundesregierung bei der Nato für eine Strategieänderung einsetzen. Ich sage nicht einfach: Soldaten raus aus Afghanistan. Ich sage: Hinschauen, was bisher geschehen ist und aus den Erfahrungen lernen. Da geht es nicht darum, es von heute auf morgen  zu tun. Da geht es um eine sinnvolle Strategie, die Afghanistan wieder in die Hände der Afghanen legt. Nur dann kann Sicherheit und Freiheit in Deutschland gesichert werden.