Patrice Lumumba und der 50. Jahrestag der Unabhängigkeit Kongos

Komet am Himmel Afrikas

Es war die klassische Geschichte von der linken Lichtgestalt im Kampf gegen die Kolonialisten. Gandhi gegen die Engländer, Stephen Biko gegen die Buren, Che Guevara gegen die kubanische Diktatur. Alle errangen sie wichtige Etappensiege. Auch Patrice Lumumba starb wie sie einen gewaltsamen Tod.

Autor/in:
Alexander Brüggemann
 (DR)

Er fiel bald einem Mordanschlag zum Opfer, unter Billigung höchster belgischer und US-amerikanischer Stellen. Der unabhängige Staat Kongo, für den er kämpfte, besteht weiter - und feiert dieser Tage einen schwierigen 50. Geburtstag.

Patrice Emergy Lumumba (1925-1961) war schon immer ein Unruhestifter gewesen. Früh muss Tasumbu Tawosa - so sein Geburtsname - deswegen die Schule verlassen, und spätestens seit 1958, als Wortführer der Unabhängigkeitsbewegung, nennt man ihn nur noch Lumumba ("Aufrührerische Massen"). Der Kolonialmacht Belgien sind Lumumbas Anliegen und sein forsches Auftreten ein Dorn im Auge. Im Oktober 1959 wird er verhaftet und gefoltert, doch angesichts der andauernden Aufstände im Land wieder freigelassen. Der junge belgische König Baudouin (1930-1993) willigt gar in die staatliche Unabhängigkeit ein.

Erster Ministerpräsident
Der brillante Redner Lumumba gewinnt im Mai 1960 die ersten Parlamentswahlen, und so wird er - gegen alle Widerstände der weißen Eliten - erster Ministerpräsident einer unabhängigen Republik Kongo.

Beim Festakt zur Unabhängigkeit am 30. Juni 1960 kommt es zu einem Eklat. Während Baudouin, um Gesichtswahrung bemüht, die "zivilisatorischen Leistungen" der belgischen Krone und ihrer Siedler im Kongo preist, widerspricht Lumumba dem König in seiner Gegenrede ins Gesicht: "Wir haben diesen gerechten und edlen Kampf ausgefochten, um die entehrende Sklaverei zu beenden, die uns ein beschämendes Unterdrückungsregime aufzwang. [...] Unablässig wurden wir mit Spott, Beleidigung und Schlägen traktiert, bloß weil wir Neger waren." Man werde die Massaker nicht vergessen, in denen so viele getötet worden seien.

Zerschnittenes Tischtuch
Der König will ob dieses offenen Affronts sofort abreisen, lässt sich jedoch zum Bleiben überreden. Das Tischtuch zwischen den beiden ist jedoch zerschnitten, nicht nur für das abschließende Gala-Diner.

Der vordergründige Triumph Lumumbas steht freilich unter keinem guten Stern. Die Belgier entlassen das Land gänzlich unvorbereitet in die Unabhängigkeit. Für eine funktionierende Infrastruktur hatten sie während ihrer Herrschaft nur insofern gesorgt, als die Transportwege für die erbeuteten Bodenschätze gesichert waren. Von Bildung und Gesundheitsversorgung für die einheimische Bevölkerung konnte keine Rede sein. Schwerste Menschenrechtsverletzungen waren an der Tagesordnung.

Außen- wie innenpolitisch wehen dem neuen Regierungschef gleich mehrere Stürme ins Gesicht. Teile der Armee meutern, und vor dem Hintergrund von Gerüchten über Massenvergewaltigungen weißer Frauen durch Soldaten interveniert am 10. Juli die belgische Armee. Tags darauf erklärt sich die südkongolesische Provinz Katanga, reich an Diamanten, Kupfer, Blei und Zink, für unabhängig von der Zentralregierung. Nur die Sowjetunion bietet Lumumba Hilfe an.

Von politischen Gegnern ermordet
Desavouiert im Westen, im Stich gelassen von den Vereinten Nationen, versucht Lumumba, die weltpolitische Konstellation des Kalten Krieges zu seinem Vorteil zu nutzen, und schlägt sich auf die Seite der Sowjetunion. Damit unterzeichnet er quasi sein Todesurteil, mitgeplant und gebilligt durch die CIA und den belgischen Geheimdienst, wie die belgische Regierung 2002 indirekt einräumte, als sie von einer "moralischen Mitverantwortung" Belgiens und einer Mitwisserschaft König Baudouins sprach. Nach Monaten des Tumults und Bürgerkriegs wird Patrice Lumumba am 17. Januar 1961 in Elisabethville/Katanga von politischen Gegnern ermordet. Ein alter Weggefährte nannte ihn später einen "Kometen, der über den Himmel zog und wieder verschwand".

Das Land Kongo ist seit seiner Unabhängigkeit vor 50 Jahren nie zur Ruhe gekommen. Die Diktatur des "Leopardenmanns" Mobutu Sese Seko (1930-1997); der Putsch des zwielichtigen Lumumba-Getreuen Laurent-Desire Kabila, der im Januar 2001 - fast auf den Tag 40 Jahre nach Lumumba - umgebracht wurde; der mörderische Vielvölkerkampf um Macht und Blutdiamanten: Schlaglichter auf einen Konflikt, bei dem auch die EU-Staaten keine weiße Weste haben.