Pater Zabel über die Verführung, kleines Geld groß zu verpacken

Mangelnde Regelwerke und, fehlende Kontrolle

Die Finanz- und Weltwirtschaftskrise nimmt immer größere Ausmaße an. Die Krise begann mit dem Zusammenbruch amerikanischer Banken, mittlerweile stecken sogar Staaten in der Finanzklemme. Ausgangspunkt der Krise ist vor allem ein Verlust an Moral bei den Bankmanagern, sie haben sich vom Glanz des Geldes und den Gewinnen verführen lassen. Dominikanerpater Johannes Zabel ist Theologe und Volkswirt und im Interview mit dem domradio.

 (DR)

domradio: Was hat die Bankmanager eigentlich gelenkt? Wie können Menschen dermaßen Vernunft, Moral, Augenmaß verlieren, dass eine solche Krise ausgelöst wird?
Zabel: Man hört vielfach, die Gier hätte sie geritten. Es war zunächst einmal ein Anreizsystem, da Geld in den USA nach dem Attentat am 11. September 2001 sehr billig gemacht wurde. Wenn Geld billig wird, dann verführt es. Und wenn man es schafft Produkte zu konstruieren, welche besonders verpackt kaum erkennbar sind und trotzdem verkauft werden können: dann verführt es noch mehr! Wenn man aber keine Kontrolle darüber hat, kann einiges Schief gehen.

domradio: Banker, da spricht man heute von, Bankiers das waren sie früher. Wo ist der Unterschied?
Zabel: Die klassischen Bankiers waren Eigentümer-Bankiers, sie hatten eine hohe Verantwortung wegen ihres Haftungsrisikos. Die Kinder sollten einmal eine stabile Bank erben. Darüber hinaus hatten sie eine innere Haltung, ein Standesbewusstsein, welches zur Vorsicht verpflichtete. Banker, besonders die Investementbanker, verwalten fremdes Geld, sie haften in der Regel nicht dafür. Für  Fehler wird nicht gehaftet, man wird zum Beispiel nur aus dem Vertrag herausgenommen. Bankiers haften also für Fehler, Banker haften nicht. Leider gibt es kaum noch Bankiers und das ist ein Punkt dieser Krise.

domradio: Sie sind auch Volkswirt: Was waren denn die Fehler im System, fehlte es vor allem an einer Kontrolle?
Zabel: Ja, das kann man sagen. Der Anreiz war durch zu viel billiges Geld vorhanden und zum anderen fehlte die Kontrolle. Die Produkte wurden verpackt und keiner hat sie gesehen. Es gab zwar eine Kontrolle, die sogenannten Ratingagenturen, welche alle Papiere bewerten. Und dann stellt man fest, Ratingagenturen haben nicht richtig bewerten und nicht kontrolliert. Das ist ein weiterer Gesichtspunkt dieser Krise.

domradio: Wie müsste denn die ideale Marktwirtschaft aussehen? Braucht sie eine Kontrolle?
Zabel: Eine ideale Marktwirtschaft braucht immer eine Kontrolle. Der Staat muss einen Rahmen setzen, einen Wettbewerbsrahmen, das ist seine ordnungspolitische Aufgabe. Wenn die Spielregeln vom Staat feststehen, müssen die Spieler innerhalb der Regeln frei sein. Ein Staat allein reicht aber nicht mehr aus, Geld ist international. Wenn Gelder auf den Karibikinseln parken dürfen, ohne staatliche Kontrolle, nützt die Kontrolle eines einzelnen Staates nicht aus. Deshalb müssen sich zunächst die Staaten zusammenschließen, dass eine weltweite Kontrolle durchgeführt werden kann.

domradio: Die ideale Ordnung ist das eine, Krisenmanagement das andere. Machen die Politiker es derzeit richtig, soviel ungeheure Geldmengen in die Banken zu pumpen?
Zabel: Ich glaube sie machen es richtig. Zum einen: Es gibt keine Alternative. Im vergangenen Jahr gibt es für mich ein historisches Datum zu dieser Krise. Ein Sonntag, es war der 05. Oktober. Die Bundeskanzlerin und  der Bundesfinanzminister traten gemeinsam auf und sagten: "Ihr Geld ist sicher!§ Um die Banken stabil zu halten, wurden Gelder in diesen Kreislauf gesteckt. Es war weltweit eine gute Tat, nicht nur Deutschland hat so gehandelt. Wenn wir die letzte große Weltwirtschaftskrise anschauen, 1929- 1932, haben Politik, Ökonomen und den Notenbankpräsidenten falsch gehandelt.

domradio: Noch einmal zurück zur Tugend und Moral. Ist das eigentlich vermittelbar? Und bleibt nicht die ewige Verführung des Geldes?
Zabel: Ja, das Geld verführt, das stimmt schon. Besonders dann, wenn man es sehr leicht bekommt, nichts riskiert, da Haftungsrisiken fehlen. Man muss dafür sorgen, dass man für Fehler haftet, dass es ein Kontrollsystem gibt dass sozusagen die Gier etwas in Grenzen hält. Und wenn diese Kontrolle möglich ist, wird die Gier auch kontrollierbar. Die Tugend geht vom Menschen aus, man kann immer nur an diese appellieren. Aber wir wissen, auch die Tugend ist notwendig aber keine hinreichende Bedingung, weil nicht alle Menschen ihre Tugend einhalten. Da läuft ein Appell manchmal ins Leere. Dann muss der Staat kommen und eine starke Wettbewerbsordnung konstruieren.