Pater Pesendorfer bietet Seelsorge nach Amoklauf in Graz

"Jedes Wort ist wahrscheinlich das Falsche"

Ein schockierender Amoklauf hat Graz erschüttert. Ein ehemaliger Schüler tötete laut Polizeiangaben mehrere Menschen und verletzte zahlreiche weitere schwer. Die katholische Kirche reagierte mit zwei Gedenkgottesdiensten.

Wien: Kerzen und Blumen liegen vor dem Stephansdom in der Wiener Innenstadt / © Helmut Fohringer (dpa)
Wien: Kerzen und Blumen liegen vor dem Stephansdom in der Wiener Innenstadt / © Helmut Fohringer ( dpa )

DOMRADIO.DE: Heute hat das ganze Land mit einer Schweigeminute der Opfer und ihrer Angehörigen gedacht. Die Regierung hat drei Tage Staatstrauer angeordnet. Wie erleben Sie die Stadt, die Menschen im Moment?

Pater Bernhard Pesendorfer (Pfarrei Sankt Vinzenz in Graz): Es herrscht große Fassungslosigkeit, auch Ratlosigkeit, Betroffenheit und tiefe Trauer. Auch in meiner Pfarrgemeinde hier in Sankt Vinzenz, zu der die betroffene Schule gehört, sieht man die Menschen mit Fragezeichen im Gesicht und sehr bedrückt. Viele kommen in die Kirche und zünden eine Kerze an, verbringen einen kurzen Moment in Stille. 

Wir versuchen in diesen Momenten einfach für die Menschen da zu sein, präsent zu sein und sie so weit und so gut es geht zu begleiten. Auch wenn wir selbst tief betroffen sind und auch ich persönlich mit vielen Fragen dastehe, versuchen wir einfach füreinander da zu sein.

Bernhard Pesendorfer

"Es war für uns alle recht schnell klar, dass da etwas passiert sein muss".

DOMRADIO.DE: Ihre Pfarrei ist nur wenige hundert Meter von der Schule entfernt. Wann und wie haben Sie von dem Amoklauf erfahren?

Pesendorfer: Wie wahrscheinlich die meisten durch das massive Aufgebot an Sicherheitskräften, Sirenen, Blaulichter, vor allem durch die Hubschrauberflüge. Es war für uns alle recht schnell klar, dass da etwas passiert sein muss. Am Anfang hofften wir, es handle sich um eine Bombendrohung, die sich dann als Falschmeldung herausstellt. Leider Gottes hat sich das anders gezeigt und durch die Medien haben wir recht schnell erfahren, dass ein Amoklauf stattgefunden hat.

Bernhard Pesendorfer

"Immer mehr Namen und Familien werden bekannt, und das wird wohl auch in den nächsten Stunden und Tagen so weitergehen".

DOMRADIO.DE: Sie waren lange Jahre Kinder- und Jugendseelsorger in Graz. Wie sehr geht Ihnen diese Tat nahe?

Pesendorfer: Nach und nach bekommen wir Informationen. Gestern erfuhren wir, dass Leo, ein junger Mann aus einer französischen Pfadfindergruppe, der immer wieder mit einer Familie aus unserer Pfarrei in Kontakt war, unter den Betroffenen ist. Immer mehr Namen und Familien werden bekannt und das wird wohl auch in den nächsten Stunden und Tagen so weitergehen. 

Das macht mich zutiefst traurig und betroffen. Ich darf gar nicht darüber nachdenken. Ich war noch am Samstag bei Firmfeiern mit Jugendlichen beieinander und dass kurze Zeit später so etwas passiert ist, ist eine große Tragödie, die letztlich nicht erklärbar ist.

Bernhard Pesendorfer

"Trotzdem haben wir versucht, ich als Pfarrer und die Gemeinde, einfach da zu sein".

DOMRADIO.DE: Sie haben gestern Abend einen Gedenkgottesdienst abgehalten. Es ist Ihre Aufgabe zu trösten. Welche Worte haben Sie für die Menschen gefunden, die da zu Ihnen gekommen sind?

Pesendorfer: Das ist eine gute Frage. Wenn so etwas passiert, fehlen zuerst die Worte und ich habe auch den Menschen mitgeteilt, dass das jetzt gar nicht so einfach ist. Welche Worte findet man in so einem Moment? Jedes Wort ist wahrscheinlich das Falsche. 

Trotzdem haben wir als Pfarrer und als Gemeinde versucht, einfach da zu sein. Wir haben gut hingehört auf die Worte der Heiligen Schrift, die wir gewählt haben. Es waren Worte, die genau diese Fragilität des Lebens benennen, ins Wort bringen. Und mit den Seligpreisungen Jesus haben wir versucht hinzuspüren, dass wir trotz allem Getragene sind. Trotz der Trauer, trotz Niedergeschlagenheit, versuchen wir miteinander unterwegs zu bleiben, so wie Gott mit uns unterwegs ist.

DOMRADIO.DE: Der Erzbischof von Wien, Kardinal Christoph Schönborn meinte gestern in einer ersten Reaktion: Das Böse und der Tod werden nicht das letzte Wort haben. Ist das Ihre Botschaft und wenn ja, wie schwer fällt es Ihnen, sie zu vermitteln?

Pesendorfer: Das ist die große Hoffnung der Christenheit. Wir haben in der Kirche Sankt Vinzenz ein sehr großes Missionskreuz. Da wird diese Spannung bewusst, die Konfrontation mit dem Tod am Kreuz und diesem schrecklichen Ereignis. Und doch bleibt die Hoffnung, die wir Ostern erst gefeiert haben. Wir vertrauen darauf, dass das Leben stärker ist, dass Leben das letzte Wort hat. 

Das ist auch die Frage, die ich den jungen Menschen bei den Firmungen als Firmspender stelle: Glaubt ihr daran, dass nicht der Tod, sondern das Leben das letzte Wort hat? Dieser Glaube und diese Hoffnung ist nun auch Grundstein des Vertrauens, dass das Leben auch für die vielen Opfer und die Betroffenen gut weitergehen kann.

Bernhard Pesendorfer

"Wir versuchen zeitdeckend präsent zu sein, wir bereiten die nächsten Trauerfeiern vor, wir vermitteln unsere Kontakte, steuern das von hier aus".

DOMRADIO.DE: Alle Grazer Pfarreien bieten derzeit auch seelsorgerliche Begleitung an. Die Telefonseelsorge ist rund um die Uhr erreichbar. Auch Sie sind im Einsatz. Wie sehen die nächsten Tage für Sie aus?

Pesendorfer: Wir versuchen zeitdeckend präsent zu sein, wir bereiten die nächsten Trauerfeiern vor, wir vermitteln unsere Kontakte, steuern das von hier aus. Wir stehen in gutem Kontakt mit den Notfallseelsorgerinnen und Notfallseelsorgern, die direkt bei den Familien und den Betroffenen sind und diese Kontakte, so es die Familien wünschen, dann an die betreffenden Seelsorger und Pfarreien weitergeben.

Da sind wir sehr professionell und auch mitmenschlich aufgestellt, dass flächendeckende Präsenz gut gegeben ist. Darüber bin ich sehr dankbar und glücklich.

Das Interview führte Heike Sicconi.

Quelle:
DR

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