Pater Nikodemus Schnabel ist neuer Abt in Jerusalem

"Hier gehöre ich hin"

Bisher war er Migrantenseelsorger in Jerusalem. Nun ist Pater Nikodemus Schnabel zum Abt der dortigen Benediktiner gewählt worden. Im Interview erzählt er, worauf er sich freut und warum er gerade jetzt im Heiligen Land sein will.

Pater Nikodemus Schnabel / © Julia Steinbrecht (KNA)
Pater Nikodemus Schnabel / © Julia Steinbrecht ( KNA )

DOMRADIO.DE: Ihr Vorgänger Bernhard Maria Alter ist aus Altersgründen emeritiert. Sie wurden am Freitag zum achten Abt der Abtei gewählt. Was geht Ihnen heute durch den Kopf? 

Die Dormitio-Abtei auf dem Jerusalemer Zionsberg / © Debbie Hill (epd)
Die Dormitio-Abtei auf dem Jerusalemer Zionsberg / © Debbie Hill ( epd )

Benediktinerpater Nikodemus Schnabel OSB (neuer Abt der Dormitio Abtei.): Ich bin total überrollt. Ganz ehrlich, ich habe das nicht ausgeschlossen, aber habe das auch nicht erwartet. Ich bin ja auch noch Patriarchalvikar des Lateinischen Patriarchats für Migranten und Asylsuchende.

Das heißt, für mich steht jetzt der Abschied von dieser Aufgabe an. Ich will schauen, wie unser Kloster auch in der Migranten- und Asylsuchenden-Seelsorge tätig sein kann. Es ist ein Gefühlschaos in mir.

Ich bin überwältigt von dem Vertrauensbeweis meiner Mitbrüder. Das ist ein sehr, sehr starkes Zeichen, dass sie sich da für mich entschieden haben.

Andererseits mischt sich natürlich auch ein Abschiedsschmerz in mein Herz, was meine bisherige Aufgabe betrifft. Aber ganz klar ist, dass meine erste Liebe die Benediktinergemeinschaft ist. Ich bin vor 20 Jahren hier eingetreten, um Benediktiner zu werden. Und nun hat mich meine erste Liebe wieder voll verlangt. Sie will mich ganz haben, dem kann ich mich nicht verweigern. 

Benediktinerpater Nikodemus Schnabel OSB (neuer Abt der Dormitio Abtei)

"Ich will schauen, wie unser Kloster auch in der Migranten und Asylsuchenden-Seelsorge tätig sein kann."

DOMRADIO.DE: Sie sind gewählt, aber so richtig im Amt sind Sie noch nicht. Oder doch? 

Dormitio-Abtei

Die deutschsprachige Benediktinerabtei der Dormitio gehört als Blickfang zur Silhouette Jerusalems. Der Bau des Klosters auf dem Zionsberg am Rande der Altstadt begann im März 1906. Es befindet sich dort, wo nach kirchlicher Überlieferung das Letzte Abendmahl Jesu und die Herabkunft des Heiligen Geistes auf die Apostel stattfanden. Am 3. Februar wählte die Gemeinschaft den deutschen Benediktiner Nikodemus Schnabel (44) zum neuen Abt.

Abtei Dormitio in Jerusalem / © Elisabeth Schomaker (KNA)
Abtei Dormitio in Jerusalem / © Elisabeth Schomaker ( KNA )

Pater Nikodemus: Doch, ich bin mit allen kirchenrechtlichen Konsequenzen im Amt. Ich bin schon Abt, aber ich bin noch nicht "benediziert". Das ist sozusagen ein Ritus, in dem die Ortskirche ganz offiziell bestätigt, dass ich Abt dieser Gemeinschaft bin und den Segen Gottes auf mich herab ruft. Unser Patriarch wird das vornehmen.

Die Konsequenz dieser Bendiktion sind tatsächlich rein liturgischer Art. Ab dann darf ich Pontifikalien benutzen, sprich Stab, Mitra, Ring. Jetzt trage ich nur ein Pektorale, also ein Brustkreuz. 

DOMRADIO.DE: Ruhige Zeiten sind das aktuell im Heiligen Land nicht. Letztes Wochenende gab es mehrere gewaltsame Auseinandersetzungen in Jerusalem, auch Übergriffe in christlichen Vierteln. Welche Rolle spielt für Sie die christliche Präsenz im Heiligen Land und auch die Ihrer Gemeinschaft? 

Pater Nikodemus: Eine enorme. Wenn es brenzlig wird, wenn es schwierig wird, wenn wir in einer Situation sind, wo es nicht einfach ist, Christ zu sein, dann merke ich, dass ich sehr gern und sehr bewusst hier bin. Denn ich möchte bei den Christen hier im Heiligen Land sein, die sich nicht in ein Flugzeug setzen können und nach Europa abhauen können. Ich möchte bei den Migranten, den Asylsuchenden sein, die hier sind, um Geld zu verdienen oder hier Zuflucht gefunden haben.

Es gibt so viele Christen, die quasi hier leben müssen und nicht abhauen können. Ich habe das Privileg als Europäer, dass ich mich morgen in ein Flugzeug setzen kann und hier verschwinden kann.

Nein, ich möchte nicht, dass Jerusalem, das Heilige Land zu einem christlichen Disneyland wird, wo man vielleicht als Pilger nette Gottesdienste feiern kann und dann die Orte besucht. Ich möchte, dass es eine echte, lebendige christliche Präsenz gibt. Die ist momentan unter Druck.

Deswegen ist es auch für mich jetzt noch mal so eine Art Bekenntnis zu Jerusalem, zum Heiligen Land. Hier gehöre ich hin. Und ich sage noch mal bewusst "Ja" zu meiner Wahlheimat. 

Benediktinerpater Nikodemus Schnabel OSB (neuer Abt der Dormitio Abtei)

"Ich möchte nicht, dass das Heilige Land zu einem christlichen Disneyland wird (...). Ich möchte, dass es eine lebendige christliche Präsenz gibt."

DOMRADIO.DE: Die Dormitio-Abtei wird gerade ziemlich umfangreich renoviert und im Frühjahr dann auch wiedereröffnet. Was wünschen Sie sich denn jetzt für Ihre Amtszeit und für die Gemeinschaft in den kommenden Jahren? 

Pater Nikodemus: Erstmal steht für mich an, ganz viel zuzuhören, ganz viel zu lernen, zu schauen und dem einzelnen Bruder wirklich gerecht zu werden. Ich bin ja nicht zum CEO oder Manager meiner Gemeinschaft gewählt worden, sondern zum Abt. Meine Brüder sind nicht meine Mitarbeiter, sondern meine Brüder.

Ich glaube, für mich steht erstmal ein ganz großer Lernprozess an, zu erkennen, wie ich den Brüdern als Vater diene und dass wir dann gemeinsam schauen, wo der Heilige Geist uns haben will.

Pater Nikodemus Schnabel OSB

"Ich bin nicht zum CEO meiner Gemeinschaft gewählt worden, sondern zum Abt. Meine Brüder sind nicht meine Mitarbeiter, sondern meine Brüder."

Was ich mir auf jeden Fall wünsche, ist, dass wir weiterhin präsent sind, weiterhin für die verschiedenen Christen, die es im Heiligen Land gibt, da sind. Das bezieht sich auf die Ortskirche, die Arabisch und Hebräisch spricht, auf die Pilgerinnen und Pilger aus aller Herren Länder, auf die internationalen Christen und auch die anderen Ordensleute, die zum Beispiel sehr gerne bei uns zum Seelsorge-Gespräch kommen. Und das gilt natürlich auch für die Migranten und Asylsuchenden, die modernen Sklaven, die unsichtbaren Christen. Das ist für mich ganz kostbar.

Da würde ich gerne mit meiner Gemeinschaft überlegen, wie wir diesen verschiedenen Mitgetauften dienen können. Wir haben das theologische Studienjahr in Jerusalem. Das wird jetzt 50 Jahre alt. Ein großes Jubiläum steht an.

Und wir haben "Beit Noah", unsere Begegnungsstätte für Kinder und Jugendliche mit Behinderung in Tabgha. Auch dazu haben wir ein klares Bekenntnis. Über alles andere kann man reden, gemeinsam nachdenken. Ich freue mich auf die Zukunft und ich vertraue auf den Heiligen Geist, dass er mit uns ist und uns auch zeigt, wohin unser Weg führt. 

Das Interview führte Oliver Kelch. 

Benediktinerorden

Die Benediktiner sind die älteste heute noch bestehende klösterliche Bewegung der katholischen Kirche im Westen. Der Orden geht zurück auf die Regel des heiligen Benedikt von Nursia (480-547). In seiner heutigen Form wurde er 1893 von Papst Leo XIII. (1878-1903) gebildet. Als benediktinisch im weiteren Sinne gelten alle Ordensgemeinschaften, die nach der Regel Benedikts leben, etwa Zisterzienser und Trappisten.

Ein Benediktiner geht durch einen Klosterflur / © Simon Koy (KNA)
Ein Benediktiner geht durch einen Klosterflur / © Simon Koy ( KNA )
Quelle:
DR