Pater Holter und die Kritik an seiner Arbeit in der Kölner Gemeinde St. Peter

"… und der Schuldige war ich"

"Einfach waren diese zwei Jahre hier in St. Peter nicht", sagt Pater Werner Holter, der Nachfolger von Jesuitenpater Friedhelm Mennekes in der Kölner Innenstadtgemeinde mit ihrer renommierten Kunststation. Rücktritte und Kritik machten zuletzt über die Stadtgrenzen hinaus Schlagzeilen. Im Interview mit domradio.de sucht der Geistliche nach Ursachen.

 (DR)

domradio.de: Sie haben keine der vom Beirat für Kunst geplanten Ausstellungen in der Kunststation St. Peter abgesagt oder gar verboten. Wieso ist denn jetzt die Atmosphäre zwischen Ihnen und den kunstengagierten Pfarrgemeindemitgliedern - wie Sie sagten - vergiftet?

Pater Werner Holter: Das hat verschiedene Ursachen. Ich habe keine Ausstellung verboten, weil ich die Kunst schätze und weiter fördern möchte. Ich bin selber auch ratlos, woran das liegt. Vielleicht kann ich nicht hundertprozentig die Erwartungen von Pater Mennekes erfüllen - das weiß ich, das hab ich auch immer wieder gesagt. Ich möchte es nicht werten oder mit Schuldzuweisungen kommen, ich kann es nur fast tiefenpsychologisch damit erklären, dass bei aller rationalen Aufarbeitung und Trauerarbeit hier eine Ebene des Verlustes und der Frustration verwundet ist, die ich nicht auffangen konnte, und dem ich selbst vielleicht auch manchmal hilflos gegenüber stand. Bei Vielem, wo es eskaliert, sucht man sich einen Schuldigen - und der Schuldige war dann ich. Ich habe manchmal Tage, an denen ich mich frage, ob ich überhaupt noch etwas richtig mache. Doch dann gibt es wieder viele in der Gemeinde, die sagen: "Das läuft gut, jenes läuft gut. Da ist was Neues entstanden. Da wächst was." Das gibt mir dann wieder Mut, überhaupt weiter zu machen. Einfach waren diese zwei Jahre hier in St. Peter nicht.



domradio.de: Jetzt sagte der Vorsitzende des Kunstbeirats, Kai Kullen, dass er zeitgenössische Kunst in St. Peter nicht mit Missionsarbeit verbunden wissen will, sondern frei im sakralen Raum. Ist das etwas, was für Sie problematisch ist?

Holter: Ohne Anbindung an die Gemeinde hätte ich tatsächlich meine Probleme. Aber missionarische Gedanken ... Ich weiß nicht, wie er auf diese Idee kommt. Es ist auch ein Problem, dass viele derer, die mich kritisieren, monatelang nicht mehr im Gottesdienst erschienen sind, dann aber immer wieder herumgehört haben, was ich wieder gesagt hätte. Dann entstehen Gerüchte und Halbwahrheiten. Da müsste ich mal mit ihm selber drüber sprechen, was er da meint. Ich setze mich jeden Sonntag dem Anblick, diesem "BodyScan", von Karin Sander aus: Sie stört mich nicht, und wenn sie mich einmal stören sollte, würde ich sie eventuell verhüllen. Keine Sorge, ich halte das aus. An anderer Stelle wurde gesagt, ich würde Kunst nur dulden. Wenn dem so wäre, dann hätte ich von Anfang an gesagt, ich gehe nicht nach St. Peter. Wenn solche Sachen behauptet werden, kann auch mal nachgefragt werden, was ich in der Vergangenheit mit Kunst zu tun hatte. Da kann ich sagen, dass ich zum Beispiel Armin Liebscher, einen zeitgenössischen Künstler, in Mannheim gefördert habe.



domradio.de: Sie sagen ja auch, dass ihnen wichtig wäre, dass die drei Säulen der Gemeindearbeit - die Caritas, die Liturgie und die Verkündigung - gewahrt bleiben müssen. Auf den Säulen darunter könnten Kunst, Literatur und zeitgenössische Musik als Stützen dieser drei Säulen einen Stellenwert einnehmen. Was kann im Rahmen der Gemeindearbeit zeitgenössische Kunst egal in welcher Ausformung heute von der Kunststation St. Peter bewirken und Gutes tun?

Holter: Ich glaube, dass zeitgenössische Kunst sehr ehrliche Fragen formulieren oder darstellen kann. Fragen, die wir vielleicht im Magen spüren, aber noch nicht artikulieren können. Mit dieser Offenheit für Fragen lässt sich auch Gott gegenüber treten. Kunst und Musik sind ein gutes Training, um offen zu sein für den größeren Gott. Ich habe überhaupt keine Probleme damit, dass Fragen gestellt werden. Ich muss aber auch sehen, dass diese Kirche ein Sakralraum ist, in dem das Wort Gottes verkündet und Liturgie gefeiert wird. Ich kann eben auch nicht ohne weiteres über das Wort und die Liturgie verfügen. Sie haben hier auf der einen Seite die Autonomie der Kunst, und auf der anderen Seite das Wort Gottes in seiner Unbedingtheit und die Liturgie, die etwas Unverfügbares ist. Da entsteht eine Spannung. Diese Spannung kann bereichernd sein, wenn ich sie so akzeptieren kann. Wenn ich natürlich der Meinung bin, dass alles andere aus dem Weg geräumt werden müsse, dann gibt es Probleme. Ich sage jetzt nicht, dass das so geschehen ist, aber ich sage, dass Kirche zunächst einmal vom Vollzug der Liturgie lebt. Im anderen Fall haben wir hier sonst ein zweites Schnütgen-Museum.



domradio.de: Ist es nicht auch eine große Herausforderung, dass Kunst mit einem gewissen Abstraktionsanspruch eine Form der Verkündigung ist, die vielleicht nur wenige anrührt, es aber die Gemeindeaufgabe ist, viele Menschen anzusprechen?

Holter: St. Peter hat dieses Profil, mehr in Richtung abstrakte Kunst und gegenwartsbezogene Musik zu zeigen. Das hat schon einen Sinn. Die Gemeinden um uns herum, die bieten ja an, was man anbietet. St. Peter hat hier eine besondere Aufgabe mit einer gewissen Intellektualität und einer gewissen Spiritualität, Menschen einzuladen. Wogegen ich mich wehren würde, wäre, wenn man sagen würde, St. Peter sei eine Art Elitekirche. Ich möchte bei allem sagen: "Ihr seid immer willkommen! Versucht Euch auf dieses Modell einzulassen."



Das Gespräch führte Birgitt Schippers.