Parteitag der SPD in Berlin

Krach, K-Fragen, Konsenssuche

Schaulaufen - nein, das soll es nicht werden. Andrea Nahles warnt vor einer falschen Konzentration auf Personen auf dem Bundesparteitag der SPD, der am Sonntag beginnt. Der Parteitag lasse sich nicht in eine K-Debatte treiben, sagte die Generalsekretärin im Vorfeld. Und doch werden die Genossen nicht an dem Thema vorbeikommen.

Autor/in:
Veronika Schütz
 (DR)

Denn: An jedem Tag des Parteitags kommt einer aus der sogenannten Troika zu Wort. Am Sonntag ist es Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier zur Europapolitik, am Montagmorgen hält Parteichef Sigmar Gabriel seine Grundsatzrede und am Dienstag wird sich der ehemalige Finanzminister Peer Steinbrück zum Themenfeld Wirtschaft und Finanzen äußern. Alle drei sind potenzielle Kanzlerkandidaten. Sie kämen ihrer Bedeutung in der SPD entsprechend zu Wort, begründet Nahles die Dramaturgie des Parteitags. Man solle aber deshalb nicht glauben, dass Sigmar Gabriel eine "Sandwich-Position" einnehme.



Nahles betont gern und oft das neue Selbstwertgefühl der Partei, die ihr Tief überwunden sieht und sich regierungsfähig fühlt. Die "Sanierungsarbeiten sind abgeschlossen" - dies gelte für die SPD genauso wir für den Ort des Parteitags, der "Station Berlin". Im vergangenen Jahr wurden auf dem außerordentlichen Parteitag der SPD noch Eimer aufgestellt, um das von der Decke tropfende Wasser zu sammeln. In diesem Jahr soll alles besser werden, und das klimaneutral, zumindest was das Gebäude betrifft.



Streit über den künftigen Kurs zeichnet sich ab

Denn die Luft wird auf dem Parteitag wohl nicht allzu lange rein bleiben. Ein Streit über den künftigen Kurs zeichnet sich ab. In deutlichem Widerspruch zur Linie der Führung will der linke Flügel Anträge zur Abstimmung stellen: etwa den Vorstoß, das Rentenniveau auf dem heutigen Stand festzuschreiben, anstatt es auf 43 Prozent bis 2030 zu senken. Um eine Rücknahme des Rentenbeschlusses aus Koalitionszeiten zu verhindern, schlägt die Parteispitze vor, dass eine Kommission dazu im kommenden Jahr einen Vorschlag macht.



Unzufrieden ist die Parteilinke auch mit dem Konzept zur Steuerpolitik und will neben der Anhebung des Spitzensteuersatzes weitere Belastungen für Höherverdienende beschließen. Etwa in Form einer Reichensteuer. Diese lehnt Gabriel strikt ab und warnt vor einem "Überbietungswettbewerb" in Sachen Steuererhöhung.



Friedlicher wird es vermutlich, wenn es zu den Fragen der Familienpolitik kommt. Hier geht es vor allem darum, die Gleichstellungspolitik voranzutreiben. Das ehemalige Credo "Familie ist da, wo Kinder sind", scheint nun zu eng gefasst. Ob Paare mit oder ohne Kinder und Trauschein, Alleinerziehende, Patchwork- oder Regenbogenfamilien, die Vielfältigkeit der Konstellationen soll auch im Programm wiederzufinden sein. Auch das Ehegattensplitting und die Steuerklasse V wollen die Sozialdemokraten abgeschaffen und dafür eine Individualbesteuerung einführen.



Hohe Erwartungen

Bei der Kinderbetreuung setzt die SPD auf Ganztagsangebote: Bis 2020 wollen die Sozialdemokraten einen Rechtsanspruch in Kitas und Schulen verwirklichen. Insgesamt sollen die Bildungsausgaben stufenweise um 20 Milliarden Euro jährlich erhöht werden. Durch Einsparungen und Subventionsabbau im Bundeshaushalt und der Wiedereinführung der Vermögenssteuer soll das Vorhaben gegenfinanziert werden.



Mit Blick auf die Gesundheitsversorgung hält Nahles am Konzept einer Bürgerversicherung fest. Damit will sie die Zwei-Klassen-Medizin verhindern und die Versorgung solidarischer gestalten. Nicht die Versichertenkarte, sondern die Schwere der Erkrankung solle über die Schnelligkeit der Behandlung entscheiden. Eine einheitliche Honorarordnung für die Ärzteschaft erleichtere einen gleichberechtigten Zugang zu medizinischer Versorgung.



Die Erwartungen an den SPD-Parteitag sind unter den Sozialdemokraten hoch. Für Nahles ist die Veranstaltung der "Startschuss für die Regierungsübernahme 2013".