Parlamentswahlen in Hongkong

Verlust des Veto-Rechts?

Bei den Parlamentswahlen in Hongkong geht es um viel. Gewinnen die Kandidaten Pekings eine Zwei-Drittel-Mehrheit, ist der Sonderstatus der einstigen Kronkolonie bedroht. Entsprechend arbeitet die Zentrale mit allen Tricks.

Autor/in:
Stefanie Ball
Blick auf Hongkong / © Jerome Favre (dpa)
Blick auf Hongkong / © Jerome Favre ( dpa )

Am Sonntag wählt Hongkong ein neues Parlament. Die chinafreundlichen Parteien könnten dabei eine Zweidrittelmehrheit gewinnen. Bislang haben die Abgeordneten, die sich für eine Autonomie Hongkongs stark machen, ein Veto-Recht und konnten so Gesetze blockieren. Das Parlament in Hongkong, Legislation Council oder LegCo genannt, verfügt über 70 Sitze. Die Hälfte davon wird direkt gewählt; die übrigen Sitze werden über Interessen- und Berufsgruppen bestimmt, etwa Anwälte, Ärzte, Architekten, Industrieverbände. Das Mitspracherecht der rund drei Millionen Wahlberechtigten bei der Zusammensetzung des Parlaments ist damit begrenzt. Umso mehr wiegt das Gewicht der Wirtschaft sowie pekingtreuer Verbände und Lobbyisten.

Die Parlamentswahlen sorgen für eine gereizte Stimmung in Hongkong. Viele Hongkonger fürchten den zunehmenden Einfluss Chinas auf das Geschehen in der Sieben-Millionen-Einwohner-Metropole. Formal gehört die frühere britische Kronkolonie seit der Rückgabe 1997 zu China. Laut dem Prinzip "Ein Land, zwei Systeme" gilt die Sonderverwaltungszone aber als souverän. Es gibt Meinungs- und Demonstrationsfreiheit. In den vergangenen Monaten ist einmal mehr die Angst gewachsen, dass Peking diese Rechte immer weiter beschneiden könnte.

Loyalitätsbekundung für die Zentralregierung 

So wurde von den Kandidaten, die sich zur Wahl aufstellen wollten, erstmals eine Loyalitätsbekundung für die Zentralregierung in Peking verlangt. Bislang genügte es, sich allgemein zum sogenannten Basic Law, einer Art Grundgesetz Hongkongs, zu bekennen. Nun sollten explizit die drei Artikel des Basic Law unterzeichnet werden, die festschreiben, dass die Stadt ein unveräußerlicher Teil des Volksrepublik Chinas sei.

Mehrere Kandidaten der chinakritischen Parteien verweigerten die Unterschrift - woraufhin die Wahlkommission Anfang August sechs von ihnen von den Wahlen ausschloss. Sie gehören dem demokratischen Lager sowie den "Localists" an, einer neuen Bewegung in Hongkong. Diese lokalen Gruppen, die in den vergangenen Monaten vielfach von Studenten gegründet wurden, setzen unterschiedliche Themenschwerpunkte, sind sich aber einig in dem Ziel einer Unabhängigkeit Hongkongs von China oder aber einer größeren Autonomie. Die Wahlkommission erklärte, die Kandidaten hätten den Loyalitätstest nicht bestanden. Hongkongs Regierungschef Leung Chun Ying, kurz CY genannt, gilt Kritikern als eine Marionette Pekings.

Anfang dieser Woche drohte die Regierung zudem Folgemaßnahmen für jene an, die während der Wahlen offen für ein unabhängiges Hongkong werben. Zugleich wird an Schulen gestritten, wie mit dem Thema umzugehen sei. Am ersten Schultag der öffentlichen Schulen Mitte der Woche verteilten Studenten der "Localist-Bewegung" Flugblätter, in denen die Idee einer Unabhängigkeit diskutiert wird.

Druck auf Angehörige von Bürgern Hongkongs

Trotz entsprechender Warnungen vorab schritten zahlreiche Schulen nicht ein. An einer Schule wurden die Studenten von der Schulleitung vorgeladen; anschließend erklärten sie, sie hätten ihre Meinung geändert und würden ihr Material nicht weiter verteilen. Hongkongs Bildungsminister erklärte während eines Schulbesuchs, sollten "Schüler von Aktivisten belästigt werden", müsse die Polizei gerufen werden.

Die "Hongkong Free Press", ein englischsprachiges Online-Nachrichtenportal, berichtet zudem unter Berufung auf pekingkritische Zeitung "Apple Daily", Behörden in Festland-China hätten Druck auf Angehörige von Bürgern Hongkongs ausgeübt. Vertreter der Kommunistischen Partei hätten Familien besucht und ihnen Listen mit den bevorzugten Kandidaten gegeben.

Ihnen seien Geschenke versprochen worden, wenn die Verwandtschaft in Hongkong am Sonntag ihr Kreuzchen entsprechend setzt. Auch ein Kampfsportlehrer eines Pro-Peking-Vereins soll Schüler aufgefordert haben, Informationen über wahlberechtigte Familienmitglieder zu sammeln. Den Kindern seien 500 Hongkong-Dollar (58 Euro) und eine Packung Mooncakes in Aussicht gestellt worden: eine chinesische Kuchen-Spezialität für Infos aus Hongkong.


Quelle:
KNA