Pariser wünscht sich Abrissparty für Nationalbasilika Sacre-Coeur

"Eine hässliche Warze"

Die Basilika Sacre-Coeur ist ein Pariser Touristenmagnet - aber auch ungeliebtes Symbol gegen den linken Widerstand. Ein Bürger schlägt nun zur Stadtverschönerung eine große Abrissparty vor - und findet breite Zustimmung.

Autor/in:
Alexander Brüggemann
Sacre-Coeur de Montmartre / © Alexander Brüggemann (KNA)
Sacre-Coeur de Montmartre / © Alexander Brüggemann ( KNA )

Wie ein Fremdkörper wirkt Sacre-Coeur im Stadtbild von Paris - eine schneeweiße Sahnetorte über Zehntausenden Häusern. Weithin sichtbar auf der "Butte", dem Märtyrer-Hügel der Stadt, steht die nach Notre-Dame zweitprominenteste Kirche der französischen Hauptstadt - und ist vielen Parisern ein Dorn im Auge. Entsprechend breite Zustimmung findet ein recht drastischer Vorschlag für den jährlichen Bürgerwettbewerb zur Stadtverschönerung: eine große Abrissparty.

1914 wurde die Frankreichs "Sühnebasilika" fertiggestellt, am Vorabend des Ersten Weltkriegs. Der Zuckerbäckerbau des Architekten Paul Abadie (1812-1884) zeugt von einer Zeit großer politischer Spannungen, aber auch von einem letzten großen Zusammenwirken von Staat und Kirche in Frankreich.

Christliche Keimzelle von Paris

Viele Linke sehen die Nationalbasilika als Symbol der Unterdrückung, da sie im Zuge des Aufstands der sogenannten Pariser Kommune auf dem Montmartre-Hügel errichtet wurde. Die Kommunarden bildeten sich während des Deutsch-Französischen Krieges 1870/71 und versuchten, letztlich vergeblich, Paris gegen den Willen der konservativen Regierung sozialistisch zu verwalten.

Der Montmartre ist die christliche Keimzelle von Paris: jener Hügel, wo der heilige Dionysius, Märtyrerbischof um 250, auf seinem Richtplatz sein abgeschlagenes Haupt genommen und damit sechs Kilometer Richtung Norden gegangen sei; nach Saint-Denis, heute graue Vorstadt und doch Grablege der Könige. Auf dem Montmartre-Hügel wiederum entstand eine bedeutende Königsabtei der Benediktinerinnen, abgerissen 1794 im Zuge der Französischen Revolution. Die letzte Äbtissin endete auf dem Schafott.

Erst 1860 wurde der Hügel in die rasant wachsende Stadt Paris eingemeindet. Er behielt seinen dörflich-ländlichen Charakter, bis das von Städteplaner Georges-Eugene Haussmann (1809-1891) entfachte Baufieber die Armen von Paris zunehmend an die Stadtränder verdrängte. Die Nordseite des Montmartre mit dem sogenannten Maquis (Gestrüpp), seinen aufgelassenen Höfen, Baracken und Elendsbehausungen wurde Rückzugs- und Wohnort für Diebe, Prostituierte und Kleinkriminelle. Seit den 1880er Jahren siedelten sich auch immer mehr Künstler der sogenannten Boheme hier an, die in Kaschemmen, Bars und Bordellen ihre Motive fanden.

In diesem Klima von Absinth, Armut und Promiskuität verbarg sich auch ein starkes sozialrevolutionäres Potenzial. Im März 1871, nach der Niederlage im Deutsch-Französischen Krieg, entzündete sich der Aufstand gegen die Übergangsregierung just am Montmartre. Es gab rund 30.000 Todesopfer durch Gewalt oder Hinrichtungen. Das Viertel blieb auch danach Sitz der radikalen Linken und des revolutionären Gedankengutes.

Idee einer nationalen Sühnekirche

Der Pariser Erzbischof Joseph Hippolyte Guibert verfolgte 1872 die Idee einer nationalen Sühnekirche, geweiht dem heiligsten Herzen Jesu. Der Gedanke einer christlichen Rückgewinnung des Märtyrer-Hügels wurde vom Parlament ausdrücklich befördert. Damals war noch nicht abzusehen, dass noch während der Bauzeit, 1905, eine strikte Trennung von Staat und Kirche in Frankreich gesetzlich verankert werden würde.

Das Montmartre-Viertel wurde im Laufe der Bauzeit (1875-1914) radikal umgestaltet. Entlang großer Treppen entstanden mondäne Wohnhäuser; in großem Stil wurde durch die bauliche Aufwertung erneut die angestammte Unterschicht vertrieben. Tatsächlich wanderten ab spätestens 1910 auch die Künstler in den Bezirk Montparnasse ab, um dort erschwingliche Mieten und Lebenshaltungskosten zu finden.

Schon vor der Fertigstellung der nationalen "Sühnebasilika" entwickelte sich ein reger Pilgerbetrieb. 1912 war das Gros der Arbeiten und 1914 schließlich der gesamte Bau fertiggestellt. Die Weihe war bereits für Oktober angesetzt, als der Erste Weltkrieg ausbrach. Mit dem französischen Kriegseintritt im August 1914 blieb die Nationalbasilika ungeweiht; die Zeremonie wurde fünf Jahre später nachgeholt. Die Umbauung der Pariser Kommunarden jedoch war gelungen und die Stadt um ein Wahrzeichen reicher.

"Warze von Versailles"

"Sacre-Coeur ist eine Warze von Versailles, die die Erinnerung an die Pariser Kommune beleidigt", schreibt nun ein Anwohner in seiner Projektbeschreibung für den Ideenwettbewerb der Stadt Paris. Er schlägt eine große Abrissparty vor. 100 Millionen Euro des Pariser Haushalts stehen für die Durchführung der beliebtesten Bürgervorschläge bereit. Die Abstimmung findet im September statt - nachdem die Projekte auf Durchführbarkeit geprüft wurden.

Dem Nachrichtensender "FranceInfo" zufolge hat das Sacre-Coeur-Projekt derzeit die meiste Zustimmung. Doch die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo ließ bereits mitteilen, dass ein Abriss "nicht zulässig" sei. Die Basilika sei denkmalgeschützt - und zudem nicht Eigentum der Stadt, sondern der Erzdiözese Paris.


Quelle:
KNA