Papstreisen in die USA haben eine ganz besondere Dynamik

Superstar mit unbequemer Botschaft

Die katholische Kirche in den USA ist weltweit nicht die größte Ortskirche - und sie ist in mancherlei Hinsicht nicht "typisch katholisch". In Brasilien oder Mexiko ist die Katholikenzahl höher, und die Gläubigen in Italien oder Polen gelten als papsttreuer. Dennoch haben die Päpste die inzwischen derzeit 69,1 Millionen US-Katholiken ganz besonders im Blick. Das hat natürlich
mit der politischen Bedeutung ihres Landes zu tun, aber auch mit der
besonderen Struktur und Geschichte einer eigenwilligen Ortskirche.

 (DR)

Daher standen die USA von Anfang an ganz oben auf den päpstlichen Reiselisten. Schon Paul VI. kam 1965 nach New York, jedoch nur für 36 Stunden zu einer gefeierten Rede vor der UNO und einer Messe im Yankee-Stadion. Ebenso unternahm Johannes Paul II. eine seiner ersten Reisen in die USA - und dann vier weitere. Nun besucht Benedikt XVI. vom 15. bis 20. April bei seiner zweiten Interkontinentalreise die Vereinigten Staaten.

Jede päpstliche USA-Reise hatte ihr eigenes Profil und Anliegen. Bei Paul VI. und beim ersten Besuch von Johannes Paul II. war die Reise selbst die eigentliche Sensation. Bei sechs Tagen in sechs Städten im Nordosten des Landes mit 71 Reden und vielen Jubelfahrten im offenen Papamobil wurde der polnische Papst damals als "Superstar" gefeiert - unabhängig von dem, was er sagte. Seine zweite USA-Reise 1987 war dann bedeutend nüchterner. Nach der Sensation der Premierenfeier stand diesmal die Botschaft im Vordergrund.

Und die galt einer Ortskirche in einem Umbruchs- und Emanzipationsprozess: Die US-Katholiken hatten das Image der irisch-italienisch-polnischen Einwanderungskirche der Unterschicht abgelegt und versuchten, sich gleichberechtigt in die US-Gesellschaft zu integrieren. Sie wollten treue Katholiken und stolze Amerikaner sein. Da sie aber die Ideale von Freiheit und Demokratie auch in die Kirche einbringen und auf Entscheidungsprozesse anwenden wollten - etwa bei Hirtenworten über Frieden, Feminismus oder Sexualität - kam es zu Spannungen in den Gemeinden und zu Konflikten mit Rom.

Hinzu kam seit den 70er Jahren ein Abfärben des eher liberal-protestantisch und konsumorientierten "American Way of Life" auf die Katholiken, und der führte unter anderem zu steigenden Scheidungszahlen und bei vielen Gläubigen zu einer weitgehenden Toleranz in der Abtreibungsfrage. Als Reaktion fand Johannes Paul II. beim Besuch von Florida über Texas bis nach Los Angeles deutliche Worte: Zur Verantwortung der Bischöfe als Lehrer und Leiter, zu kirchlichen Moralvorstellungen, zur Verantwortung beim Umgang mit Freiheit und Forschung, zum Einsatz für das Leben.

Die Verpflichtung auf den Lebensschutz und gegen Abtreibung und Sterbehilfe bestimmte alle folgenden päpstlichen USA-Reisen. 1993 kam Johannes Paul II. zum Weltjugendtag, der mit dem Treffen von Denver endgültig den Durchbruch zur Millionenveranstaltung erlebte. In der Zwischenzeit hatten sich die kircheninternen Spannungen und der Konflikt mit Rom etwas gelegt: Der US-Episkopat war 1989 zu einem klärenden Sondergipfel in den Vatikan geladen; zudem hatte eine neue Generation eher konservativer Oberhirten das Sagen.

Für Spannung und Schlagzeilen sorgten unterdessen die politischen Themen. Seit der scharfen Vatikan-Kritik am ersten Irak-Krieg 1991 war der Kontakt zu den USA belastet. Die Begegnung des Papstes 1995 mit Präsident Bill Clinton auf dem Flughafen von Newark konnte die Wogen etwas glätten. Doch nun war der Lebensschutz das große Streitthema, über das die katholische Kirche und die USA - etwa bei den großen UN-Konferenzen in Kairo und Peking - aneinandergeraten waren. Auch beim letzten US-Besuch Johannes Paul II. 1999 stand das Thema im Mittelpunkt. Der Kontakt zu Clinton war frostig, das Vier-Augen-Gespräch bereits nach 20 Minuten vorzeitig beendet.

Dann wurde die US-Kirche zu Anfang des neuen Jahrtausends durch einen Missbrauchs-Skandal zutiefst erschüttert. Mit einer radikalen Aufarbeitung und einer Null-Toleranz-Politik konnten die Bischöfe den Schaden erst allmählich eindämmen. Beim Besuch von Benedikt XVI. wollen sie dem Papst eine wieder gefestigte Kirche präsentieren, deren Gläubige zugleich papsttreu und stolze Amerikaner sind.